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Appelfeld, Aharon
Alles was ich liebte:
Inhaltsangabe:
Die Eltern des 9 jährigen Paul trennen sich. Der Vater, ein erfolgloser, früher jedoch hochgelobter Maler verlässt kurz vor Ausbruch des 2. ten Weltkrieges seine kleine jüdische Familie und verfällt mehr und mehr dem Alkohol. Die Mutter, eine Lehrerin, verliebt sich kurz darauf in einen Kollegen und überlässt den Jungen, der nicht einmal die Schule besuchen darf, mehr und mehr sich selbst. Dadurch bedingt entfremden Mutter und Sohn sich allmählich und sprechen zudem eine unterschiedliche Sprache. Paul fühlt sich von der Mutter nicht nur in Stich gelassen, eifersüchtig auf den neuen Partner der Mutter, dem die Mutter fortan mehr Zeit widmet, erlebt er sich im wahrsten Sinne des Wortes mutterseelenallein". Seinen Vater, sieht er nur sporadisch, doch auch an ihm findet er keinen Ansprechpartner, da sich der Vater mehr und mehr voller Selbstmitleid in sich selbst und seine Wortkargheit zurückzieht. Ein christliches Kindermädchen, Halina scheint seine Rettung zu sein. Sie übernimmt fortan liebevoll die Betreuung von Paul, der nach und nach Vertrauen zu ihr fasst und in ihr allmählich einen Mutterersatz findet. Doch ein dauerhaftes Glück scheint ihm nicht beschieden zu sein, er kommt niemals zur Ruhe, ist immer unterwegs, immer auf der Suche nach Gott, den er nur kurzzeitig in der warmherzigen Halina ahnt. Halina, die ihm Geborgenheit vermittelt und auf seine vielen wissbegierigen Fragen nach dem Sinn und Unsinn des Lebens eine Antwort mit ihm gemeinsam sucht. Mehr soll hier nicht vom Inhalt des Buches verraten werden.
Meine Meinung:
Ein Buch von einer einzigartigen Intensität, dabei in einfachen, parabelähnlichen
Bildern, die sicherlich noch lange in mir nachwirken werden. Voranstellen, quasi als Motto
des Buches, könnte man dabei folgendes Zitat von James Legge:
Ein großer Mensch ist derjenige, der sein Kinderherz nicht verliert."
Aharon Appelfeld gelingt es sich in die Psyche eines suchenden, verwundeten und ewig
zweifelnden Kindes einzufinden, ohne in Klischees abzudriften, oberflächig oder gar
kindisch zu werden. Ein Kind, das schwankt zwischen Erinnern und Vergessen, und ein Autor
der in diesem Buch die Gradwanderung zwischen diesen beiden Polen meines Erachtens mit
Bravour besteht. Ein Buch, das mich traurig und zutiefst ergriffen, aber auch ein wenig
ratlos zurückgelassen hat. Ein Buch, das sich nicht nur mit den Fragen des Menschseins
auseinandersetzt, sondern auch mit der Frage: Gibt es einen einzigen, wahren Gott,
oder hat jede Religion ihren eigenen Gott geschaffen?" Der Untergang dieser
jüdischen Familie, noch vor dem Holocaust selbst, kann eigentlich keinen unberührt
lassen, der sich darauf einlässt.
Mich hat das Buch zudem, nicht vom Thema her, sondern von der Sprache und vom
Einfühlungsvermögen in die Seele eines Kindes an das SONNENKIND erinnert. (Doris)
Bewertung: * * * *
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)
Infos: Gebunden, 287 Seiten, Alexander Fest Verlag, 2002