Zurück zu neuere Bücher Zurück zu Buchbesprechungen April 2002
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Pirincci, Akif
Die Damalstür:
Inhaltsangabe:
Der bis vor kurzem noch erfolgreiche Maler Alfred Seichtem, kurz Ali, stolpert nach
einer durchzechten Nacht durch seine alte Wohngegend, aus der er vor kurzem mit hohen
Schulden und geschieden hat ausziehen müssen.
Plötzlich erscheint ihm ein wundersames Licht, das ihn in eine ihm bisher unbekannte
Gasse lockt.
Am anderen Ende der Gasse erkennt er sein altes Haus, und dort sieht er denselben
Umzugswagen, der zehn Jahre vorher seinen eigenen Umzug organisiert hat. Und nicht nur
das: Hinter dem Umzugswagen hält seine alte Ente und heraus steigen er selbst und seine
Frau Ida! Er glaubt seinen Augen nicht zu trauen: Auf der anderen Seite der Gasse ist die
Zeit zurückgedreht!
Ali glaubt, den Weg zurück gefunden zu haben, doch will er ihn nicht alleine gehen. Er
vertraut sich seiner frisch geschiedenen Ehefrau Ida an und diese, ganz praktisch denkend,
besorgt zwei große Küchenmesser und zusammen machen sich die beiden auf den Weg, die
Vergangenheit ungeschehen zu machen und alle Fehler zu umgehen.
Gelingt es ihnen? Oder läuft alles wieder genauso ab wie ehedem? Oder kommt es zu anderen
Problemen?
Meine Meinung:
Wieder hat Akif Pirincci bewiesen, dass er der Meister der deutschen Phantastik ist.
Kein Thriller, kein Historienroman, kein Liebesroman, und doch von allem ein bisschen.
Würde er es schaffen, seine blutrünstigen Beschreibungen etwas weniger breitzutreten,
bekäme dies seinem Werke. Doch hat er hier zum Ausgleich gute Begründungen für all die
Toten geliefert und auch die Story ist solide. Die verschiedenen Ebenen, in denen das Buch
spielt, seien es zeitlich getrennte Erzählstränge, seien es die gleichen Zeitpunkte,
gesehen mit verschiedenem Erfahrungsschatz, oder sogar die Ebene der letztendlichen
Auflösung, sie ziehen den Leser in den Bann. Das Buch lässt sich nicht leicht weglegen.
Verheißungsvoll mit der Erklärung lockend, entzieht sich diese doch immer wieder, z.B.
wie Alis Sohn starb, oder warum Ali jetzt mittellos ist. Durch das gesamte Buch versucht
Ali dies zu erzählen, doch, wie bei Betrunkenen üblich, immer wieder fällt er in das
nächste Schlagloch und wird von der geraden Linie abgelenkt, so dass er immer wieder erst
auf den richtigen Weg geschoben werden muss, was Pirincci gerne für uns Leser übernimmt.
Jede Figur im Buch ist von der Tragik des eigenen Missgeschicks gezeichnet, alle, die
zuerst als leuchtende Vorbilder erscheinen, zeigen Risse in der Nahaufnahme, ja zerbrechen
vor den Augen Alis, nur derjenige, der von ihm schon in seinem ersten"
Aufenthalt in den Neunzigern als Versager abgestempelt wurde, ist der einzige, der als
normaler" Mensch herausleuchtet und damit zeigt, wie wenig wichtig und leicht
vergänglich Geld und Ruhm gegenüber Familienglück ist.
Die Auflösung kommt überraschend und verschiebt die Perspektive wieder so, dass alles
verständlich wird. Sie ist der Geniestreich der ganzen Geschichte und bringt den Leser
dazu, auf den letzten 3 Seiten noch einmal vollständig sein Bild von Ali und Ida zu
revidieren.
Ich halte dieses Buch für sehr lesenswert, doch nur für Leute, die bereits Bücher
gelesen haben, die keinem chronologischen Faden folgen. Ansonsten sollte man Pirincci
besser mit Der Rumpf" oder Felidae" in Angriff nehmen, sonst bleibt
vielleicht der tiefere Genuss verwehrt. (KlausK)
Bewertung: * * * *
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)
Infos: Goldmann Verlag, ISBN: 3-442-30499-7, gebunden, 384 Seiten, 19,90