von Petra » Fr 5. Aug 2011, 10:50
Hallo zusammen,
ich verliere mich immer mehr in Rabbits Welt. Schon mehrfach musste ich mich gewaltsam daraus lösen, um meine S-Bahnstation nicht zu verpassen, so intensiv hat mich John Updike im Griff. Wenn "Hasenherz (Rabbit, Run)" – was ich doch stark annehme – weiter so faszinierend bleibt, erhält es von mir die Höchstwertung. Und doch kann ich das Buch nicht vorbehaltlos empfehlen, denn es ist ganz sicher nicht jedermanns Sache. Er reizt die Sprache bis zum Letzten aus, malt mit Sätzen wahre Bilder. Er liebt das, und wendet es ununterbrochen an. Das verlangsamt zuweilen den Lesefluss, da es Zeit braucht, die bis die Bilder heraufbeschworen sind. Wer daran Genuss empfinden kann, wird es sicher nicht satt werden. Wer sich damit schwer tut, den wird es ermüden. Mich fasziniert und begeistert es. Es ist ein manchmal mühevolles, aber immerzu lohnenswertes Lesen. Nicht nur um der Sprache und der Bilder willen. Die Themen Updikes liegen mir ebenso, wie seine unvollkommenen Figuren. Sie sind Menschen durch und durch. So hat Harry Angstrom (Rabbit) viele Schwächen, und kaum sichtbare Stärken. Und doch schleicht sich dieser lebensuntüchtige, charakterschwache, rücksichtslose Mensch in so manches Leserherz. Meines gewinnt er gerade, trotz seines Fehlverhaltens – gerade auch Frauen gegenüber. Der Titel - sowohl "Rabbit, Run", als auch der Titel der deutschen Ausgabe, "Hasenherz" - skizziert Harry Angstrom (Rabbit) vortrefflich. Er ist von zögerlicher Natur und ist jeder Zeit bereit für die Flucht. Läuft, wie es scheint manchmal egal, in welche Richtung, Hauptsache er steht nicht still. Und dann, sobald er sich festgekesselt fühlt (im drögen Alltag, in seiner Ehe, oder in einer sonstigen Beziehung) schlägt er Haken und - rennt. Hätte man den Originaltitel einfach so belassen, wäre es mir allerdings lieber gewesen, denn er trifft es noch um einiges genauer!
Auch die Nebenfiguren räumen sich allmählich Plätze in meinem Leserherz ein. Das hätte ich anfangs gar nicht vermutet. Ruth, Rabbits Geliebte, aber auch der episkopalische Pfarrer Eccles, sind mir inzwischen alles andere als gleichgültig. Sie haben mein volles Mitgefühl. Eccles ist eine meiner Lieblingsfiguren des Romans. Er will Rabbit bekehren und zur Rückkehr zu seiner Ehefrau veranlassen. Hieraus, und auch aus Gesprächen zwischen Eccles und anderen Figuren (z. B. mit einem lutherischen Pfarrer) entfalten sich viele der ganz großen Themen auf eine ganz seltsame und brillante Art. Moral, Glaube, Werte, Liebe, Pflichtgefühl. Doch nicht nur Eccles konfrontiert Rabbit mit diesen Themen, sondern schließlich sieht er sich auch selbst mit ihnen konfrontiert. Der Leser bleibt hier nicht außen vor. Man kommt nicht umhin, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Im Schildern von Szenen zeigt Updike sich gleichfalls brillant. Und auch hier wirken seine Schilderungen oftmals seltsam, und somit unvergleichlich, und machen Updikes Prosa einzigartig. Seine ihm ganz eigene Stimme möchte ich nicht mehr missen. Und die Rabbit-Romane erst recht nicht. Ich werde sie mir alle zulegen, denn ich möchte sie alle lesen.