Tana French: Sterbenskalt

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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Petra » Do 13. Jan 2011, 14:20

Hallo zusammen,

und zum Dritten für heute! :mrgreen:

Kapitel 21: Und doch nicht. Holly geht es gut. Ok. Aber das ändert nichts daran, dass ich den Punkt ein bisschen schwächer finde. Denn Frank hätte sie bestimmt nicht gerade jetzt, wo er in Shay einen kaltblütigen Mörder sieht, dorthin mitgenommen. Aber Schwamm drüber.

Holly geht es also gut. Aber Frank belauscht gerade das Gespräch zwischen ihr und Shay. Und erst dachte ich, moment mal, woher soll Holly denn gewusst haben, an wen Rosies Brief damals gerichtet war. Denn Frank hatte sich Holly gegenüber diesbezüglich vage ausgedrückt. Aber siehe da: Kein Schnitzer von Tana French, sondern auch Frank erkennt, dass Holly von woanders her gewusst haben muss, an wen der Brief gerichtet war.

Interessant nun aber, was sie Shay da anvertraut. Sie hat also in der Kommode was gefunden, von dem Shay unbedingt will, dass sie es geheim hält. Und er macht ihr klar, welche Konsequenzen es hätte, wenn sie es ausplaudern dürfte. Sie dürfte nicht mehr her kommen. Und alle wären böse auf sie: Ihre Oma, ihre Tanten, ihre Cousinen... nur ihr Opa, der wird von Shay nicht erwähnt. Somit tippe ich jetzt doch ganz klar auf ihn als Täter!

Und zuvor kam mir schon in den Sinn, dass doch Jimmy Mackey es eher sein müsste als Mr. Daly. Denn warum sonst sollte Kevin (und jetzt auch Shay) den Täter schützen wollen? Denn das Kevin wohl was wusste, was er für sich behielt, wurde ja zu Anfang des Buches klar. Und dass Shay - wenn er nicht selbst der Täter ist - den Mörder decken will, wird auch die letzten Kapitel immer klarer. Somit muss es doch ein Familienmitglied sein. Und ich tippe nun ganz klar auf Franks Vater!

Und das ist ja so spannend! :mrgreen:
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Petra » So 16. Jan 2011, 19:00

Hallo zusammen,

ich habe es gestern Nacht dann beendet. Und auch ich bin total begeistert - wie bisher immer von Tana French.

Einzig dass Frank seine Tochter zu Weihnachten mit zu seiner Familie nimmt, obwohl er Shay für einen kaltblütigen Mörder hält, der auch vor seinem kleinen Bruder nicht Halt gemacht hat, und zudem noch vorhat (wie er sich eingesteht) Shay dort an dem Tag zu töten, fand ich unrealistisch. Aber das ist für mich nur ein kleiner Haken, der dem Lesespaß keinerlei Abbruch tut.

Ein bisschen schade fand ich, dass nicht wirklich aufgelöst wird, wie Kevin zu Tode gekommen ist. Ich vermute es wird Shay gewesen sein. Aber das kann ich gut verschmerzen, denn auch das ist realistisch. Und sowas mag ich ja. Shay gibt es nicht zu - warum sollte er auch?

Ansonsten fand ich es auch als sehr stimmig. Vielleicht auch gerade, weil Tana French keinen Überraschungs-Täter aus dem Hut gezaubert hat. So war es der von Beginn an wahrscheinlichste. Gut so.

Dass es zwischen Frank und Olivia Hoffnung gibt, hat mich sehr gefreut! Das habe ich ihnen wirklich gewünscht! Eine neue Chance - endlich aus dem Schatten von Rosie herausgetreten, haben sie die, meines Erachtens.

Die Szene vor Imeldas Haustür fand ich auch noch mal so richtig stimmig! Auch hier bleibt Tana French realistisch. Frank versucht es. Aber er wird von der Tochter abgewiesen. Und die Gründe dafür zeigen das große Misstrauen, das man dort Bullen gegenüber hegt. Sehr gut rübergebracht!

Ich freue mich schon auf den nächsten Tana French! Und ich freue mich schon auf weitere Leser dieses Buchs hier in diesem Thread! :-)

Edit: Ins Hörbuch von "Sterbenskalt" habe ich auch mal kurz reingehört. Ich kann auf den ersten Blick die Kritik im Magazin hörBücher nicht unterschreiben. Ich finde Dietmar Wunder trifft den richtigen Ton für Frank - cool, aber nicht unterkühlt. Aber vielleicht wirkt das in anderen Szenen ja auch anders. Dafür müsste man sicher länger reinhören. Ich freue mich jedenfalls, irgendwann das Buch auf die Weise noch mal erleben zu können. Wie schon bei den vorherigen Bänden werde ich sicher demnächst mal ein paar Tracks hören, um noch ein bisschen in Faithful Place zu verweilen. Und schön ist, alle drei auf dem iPod zu haben, so dass man die Geschichten zu gegebener Zeit noch mal erleben kann. Für mich sind sie das alle drei wert!
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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Binchen » So 16. Jan 2011, 21:09

Abschluss

Hallo liebe Petra, schön, dass Du nun auch durch bist und vor allem, dass Du auch fasziniert warst/bist.

Ich fand es eigentlich ganz verständlich, dass Frank Holly mitgenommen hat - irgendwie erinnerte es mich an die Art, wie er Kevin eingesetzt hat, andererseits kann ich mir Holly und ihre Art zu drängen und zu bitten vorstellen, die Art, wie sag ich es meinem Kinde ohne es zu sagen fällt da sicher auch einem Frank schwer...

Ich fand den Satz, den er dem Besuch so voranschickte beängstigend. Denn (sinngemäß - ich sollte es später bereuhen) - da fürchtete ich sehr um Holly - um ihr Leben, nicht nur um ihr Seelenheil und war froh, dass Martina mich beruhigen konnte.

Wie Stephen wieder mit ins Boot kam, fand ich auch sehr gelungen.

LIV und Frank und eine neue Chance - ja die haben alle Drei (alos incl. Holly) verdient, jetzt, wo einiges geklärt wurde, haben sie ja vielleicht noch eine- wie gut, dass das jedoch offen bleibt, es wäre nicht Tana French, wenn sie alles schließen würde, finde ich.

Ich freue mich nun auf das Hörbuch, sicher kann ich schneller was dazu sagen, wie Dietmar Wunder im Gesamthörbuch wirkt, weil ich nicht so lange warten kann. Ich freue mich schließlich auf ein paar Diskussionen, die ich dann auch noch mit ein paar Hörbuchhörern machen kann.

Wie stehst Du nun zu einer Rangfolge der drei Bücher, liebe Petra?
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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Petra » So 16. Jan 2011, 22:21

Hallo liebes Binchen,

eine Rangfolge habe ich weiterhin nicht, da mir alle drei Bücher extrem gut gefallen haben und sie alle drei sehr unterschiedlich waren. An "Grabesgrün" habe ich glaube ich keinen Haken gefunden, an Totengleich schon einen kleinen (Spoilerschrift: Dass Cassey eine Doppelgängerin hatte, die ihr so exakt ähnelte, dass ihre WG-Mitbewohner nichts gemerkt haben.). An "Sterbenskalt" fand ich den Haken kleiner (eben der zuvor von mir genannte, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass Frank unter den Bedingungen Holly mit zu seiner Familie genommen hätte - bleibt für mich nicht ganz glaubwürdig. Auch nicht auf Hollys drängeln hin - er hat sich ihr gegenüber schon einige Mal unnachgiebig gezeigt, wo er es für nötig hielt: z. B. die Stiefel - und hier, bei seiner Familie, drohte ja Gefahr, zumal Frank ja vor hatte, Shay zu töten. Da nimmt man eher nicht seine Tochter mit. Aber wie gesagt: Für mich nicht so schlimm, der kleine von mir so empfundene Haken.) als bei "Totengleich". Und dennoch haben sie mir alle drei gleich viel Freude gemacht. Tana French kann einfach so toll erzählen und Stimmungen erzeugen, Bilder aufbauen, die so plastisch sind. Und immer hat sie eine ganz andere Geschichte zu erzählen.

Nein, eine Rangfolge habe ich nicht. Ich finde sie alle drei extrem gut, wenn auch jedes auf seine Weise.

Auf Deine näheren Hörbuch-Eindrücke bin ich schon gespannt. Ich werde drüben danach Ausschau halten!

Nun gehe ich mir mal neuen Lesestoff suchen. :)
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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Fevvers » Di 18. Jan 2011, 13:04

Hallo zusammen,

wie empfohlen, lese ich hier nur häppchenweise nach.

Mein erster Eindruck nach Prolog und den ersten drei Kapiteln: Fantastisch, wie schnell man in die Geschichte hineingezogen wird! Bis morgens um drei! *g* Ich empfinde die beliebte Formulierung "atmosphärische Dichte" oft als abgegriffen, hier passt sie jedoch genau.

Rückblicke: Die beiden Erzählebenen sind so gut miteinander verwoben, dass es beim Lesen kaum Brüche gibt. Vergangenheit und Gegenwart fließen zusammen. Auch wenn ich nicht in Irland aufgewachsen bin und zudem in angenehmeren familiären Verhältnissen, kann ich das Flair der späten 1980er spüren und nachvollziehen. Frank und ich sind etwa gleich alt. ;-)

Die Art und Weise, wie Franks Familie eingeführt wird, fand ich absolut großartig. "Show, don't tell" - man lernt die Familienkonstellation durch die Reaktionen und Verhaltensweisen der Familienmitglieder kennen sowie durch ihre kurzen pointierten Dialoge, und nicht durch geschwätzige Charakaterbeschreibungen der Autorin. So bekommt man als Leser schon nach wenigen Absätzen eindrücklich vor Augen geführt, was da los ist und war. Sehr authentisch die Szenen, in denen die längst erwachsenen Geschwister in kindliche Verhaltensmuster zurückfallen.

Ich mag den Begriff "literarische Krimis" überhaupt nicht, aber hier könnte man ihn anwenden. Tana French konstruiert und formuliert auf hohem Niveau . Der Krimi gefällt mir auf Anhieb noch viel besser als "Grabesgrün".

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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Fevvers » So 23. Jan 2011, 19:17

Hallo Petra,

ich habe jetzt etwas mehr als die Hälfte gelesen (15 Kap.) und meine Begeisterung hält an. Eure Beiträge habe ich bisher auszugsweise gelesen.

Auch mich beeindrucken die Szenen, in denen Frank und seine Geschwister mit den schlimmen Erlebnissen aus ihrer Kindheit konfrontiert werden. Mir ist allerdings nicht klar geworden, was Du mit "traumhaft" meinst. (Verstanden habe ich, dass Du es keinesfalls verklärend-positiv meinst.) Für mich haben Erinnerungen einen ganz anderen Charakter. Sie bleiben trotz zeitlicher Distanz sehr real, auch wenn sie subjektiv gefärbt sind.

Die Mackey-Kinder versuchen sich in Nostalgie - und scheitern jedes Mal. Sie können nicht verklären, so sehr sie sich auch bemühen, etwa in (anfangs) geselligen Kneipenrunden. Versucht es doch mal jemand, wird er von einem anderen brutal wieder auf den Boden geholt, teilweise mittels heftiger Vorwürfe, denn die Vergangenheit ist für alle immer noch sehr - ja genau! - "glasklar". Sie beeinflusst das Hier und Jetzt dermaßen, dass beide kaum voneinander getrennt werden können.

Überhaupt gefällt es mir gut, wie die Autorin mit Gewohntem bricht, vor allem mit Klischees. Etwa bei der häuslichen Totenfeier. Diese mutet auf Anhieb sehr irisch an, wie man sich das üblicherweise vorstellt: viel Alkohol, sehnsuchtsvolle Lieder, gesungen von welkenden Nachbarinnen oder whiskeyseligen Greisen ... Und dann nimmt alles ein sehr unschönes Ende, brechen sich die Aggressionen Bahn.

Die Eltern haben für mich immer noch keine echten Konturen bekommen. Bisher sind das eindimensionale Figuren geblieben, jedenfalls verglichen mit komplexen Charakteren wie Frank oder Shay usw.

LG, Fevvers
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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Petra » Mo 24. Jan 2011, 11:08

Hallo Fevvers,

das freut mich, dass Du auch so viel Freude an dem Buch hast! Das sieht man ja schon allein daran, dass es Dich schon zu Beginn bis spät in die Nacht wachgehalten hat und Du jetzt schon zur Hälfte durch bist. :-)

Das mit dem "traumähnlich" zu beschreiben, ist schwierig. Sie beschreibt die Rückblenden ein bisschen anders als die Szenen in der Gegenwart. Dafür ein Wort zu finden, da es so fein gemacht ist, ist schwierig. "Traumähnlich" ist ein Versuch es zu erklären. Du schreibst, dass für Dich Erinnerungen sehr real bleiben. Das geht mir nicht ganz so. Vielleicht liegt hierin der Grund, warum Du mit dem Wort "traumähnlich" nicht so viel anfangen kannst. Richtig ist, dass ich nicht nur positiv meine, mit traumhaft. Sondern eher so, wie ich einen Traum - egal ob gut oder schlecht - wahrnehme. Verschleiert, und nur manchmal für einen Moment ein Detail ganz gestochen scharf...
... es ist jedenfalls nur ein Versuch diesen kleinen, feinen Unterschied zu beschreiben, den ich bei Tana French wahrnehme, wenn sie in die Vergangenheit wechselt.

Ja, die Mackey-Kinder versuchen sich in Nostalgie. Und scheitern auch immer wieder sehr schnell. Auch das ist wirklich großartig von Tana French eingefangen. Wie diese kaputte Familie es immer wieder miteinander versucht, aber die schwelenden Konflikte sich immer wieder Bahn brechen. Ganz toll beschrieben!

Franks Eltern bleiben in der Tat eindimensional. Finde ich auch. Sie bedienen voll und ganz das Klischee. Und mehr haben sie nicht zu bieten. Aber ich finde das nicht falsch, denn manchmal finden Klischees ihre Bilder in der Wirklichkeit. Und Eltern, wie die von Frank, gibt es. Da bin ich ganz sicher. Genauso eindimensional wie sie hier geschildert werden. Abgestumpft und nur in ihren kleinen, engen Verhaltensmustern beweglich. Deshalb finde ich es fast schon gut, dass Tana French sie nicht relativiert.

Wer alle drei Bücher der Autorin gelesen hat, stößt immer wieder auf Szenen, in denen die erwachsenen Figuren in kindliche Verhaltsmuster zurückfallen. Das scheint ein Thema zu sein, das Tana French fasziniert. Im 2. Band passiert das auch sehr häufig. Und in Band 1 in Punkto Freundschaft zwischen Cassey und Rob.

Du hast schon recht. Der Ausdruck "dichte Atmosphäre" klingt abgedroschen. Aber ich finde, man sollte ihn anwenden, wenn er passt. Und hier passt er. Tana Frenchs Bücher weisen immer eine so dichte Atmosphäre auf, dass man sie erwähnen muss, wie ich finde. Denn sie macht ihre Bücher aus.

Die 80er Jahre lässt sie wirklich spürbar werden. Überhaupt werden all ihre Szenen immer spürbar. Man meint sie zu sehen, fühlen, riechen, schmecken. Eine große Stärke der Autorin.

Literarischer Krimi - ja, in der Tat. So darf man Tana Frenchs Bücher auf jeden Fall bezeichnen.

Ich freue mich schon sagenhaft auf den 4. Band! :-)

Zunächst aber mal auf Deine weiteren Eindrücke. Danke fürs hier mitteilen. Sehr interessant.
Liebe Grüße,
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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Fevvers » Mo 24. Jan 2011, 12:23

Hallo Petra,

ich habe jetzt noch ca. 1/3 des Buches vor mir und musste gestern Nacht fast schon gezwungen werden, es zuzuklappen und ins Bett zu kommen. *g*

Ich stimme mit Dir völlig überein, dass die individuellen Erfahrungen der LeserInnen eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, sich in den Gemütszustand der Protagonisten einzufühlen.

Ich kann die Perspektive des Ich-Erzählers sehr gut verstehen, dass sein Leben als Erwachsener immer noch von seiner Jugend beeinflusst wird. Erinnerungen, gute wie schlechte, behalten bei mir exakte Konturen. So kann ich z.B. nachvollziehen, dass und warum er seine Tochter unbedingt aus dem Milieu seiner Kindheit raushalten will. Mit seinem neuen, selbst erarbeiteten sozialen Status hat das ja nichts zu tun. Kein Wunder, dass French "Faithful place" (was für eine höhnische Bezeichnung!) in einer Sackgasse angelegt hat. Wer da raus kommt, hat Glück gehabt oder eine Menge Mumm.

Welch unglaublicher Vertrauensbruch also, ohne sein Wissen seine Tochter dorthin zu lassen und ihr ein Stück ihrer kindlichen Unschuld zu nehmen, indem man ihr nahelegt, ihren Vater zu belügen.

Die Eindimensionalität der Mutter wurde in der starken Küchenszene (gemeinsames Silberpolieren) ein Stück weit aufgebrochen. Sie stellt das Keifen ein und gewährt ihrem Sohn einen kurzen Blick auf ihre jugendlichen Sehnsüchte, die sich nicht erfüllt haben.

Ich bin sehr gespannt, wie sich die familiären Verhältnisse am Ende des Buches gestalten, wenn die Mordfälle aufgeklärt sind. Franks derzeitiger Verdächtiger ist auch von Anfang an meiner gewesen. Aber ob das stimmt?

LG, Fevvers
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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Petra » Mo 24. Jan 2011, 16:55

Hallo Fevvers,

über Deine Tätervermutung bewahre ich natürlich Stillschweigen! ;-)

Ja, Du hast recht, dass sich die Eindimensionalität der Mutter für kurze Zeit in der Szene beim Silber polieren relativiert. Aber bis auf solche kurzen Augenblicke bleibt es beim Alten. Und das finde ich auch glaubhaft so. Aber auch ich fand diese Szene, in der doch auch ein anderer Mensch kurz herausblitzt, schön. Denn sie zeigt, dass es Gründe gibt, warum jemand so abgehärtet und stumpf wird.

Franks Gründe, nicht heim zu wollen, kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Überhaupt: Jedes der Kinder hat seinen eigenen Weg gefunden, mit der Familie und der schwierigen Kindheit zurecht zu kommen. Und jeder der Wege ist glaubhaft, bzw. findet seine Entsprechungen in der Wirklichkeit. Der eine bricht mit der Familie. Ein anderer meint, er muss zum Beschützer werden. Andere sind gewohnt immer einzulenken und Stimmungen auszuloten, einzugreifen, etc.. Das ist alles hier sehr gut getroffen.

Das Frank nicht wollte, dass seine Tochter seine Familie kennenlernt, kann ich auch absolut verstehen. Und empfinde es auch als großen Vertrauensbruch, hinter seinem Rücken die gemeinsame Tochter doch der Familie vorzustellen. Das ist eine bittere Pille für Frank.

Der Gedanke mit der sicher nicht zufälligen Anlegung des Faithful Place in einer Sackgasse, finde ich sehr interessant und absolut richtig. Schön beobachtet.

Ebenfalls richtig: Da raus zu kommen, erfordert eine Menge Kraft und Mut. Und im Grunde ist es auch mutigier und schwieriger, als zu bleiben. Frank ist somit im Grunde mutiger als Shay. Was nun besser ist, sei dahin gestellt. Aber gehen kostet ganz gewiss mehr Mut als bleiben.

Wie gut, dass Du jemanden zu Hause hast, der sich um Dein Schlafpensum sorgt und Dich ins Bett holt, bevor Du die ganze Nacht durchmachst! :mrgreen:
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Tana French: Sterbenskalt

Beitragvon Binchen » Mo 24. Jan 2011, 20:20

Huhu Ihr Zwei,

Ihr schreibt von Eindimensionalität der Eltern - Meint Ihr damit die eindeutige Zuordnung bezüglich des Verhaltens gegenüber den Kindern? Die ewige Nörgelei, die Unzufriedenheit und den Alkoholkonsum und die Agressivität des Vaters - ja oder?

Die Silberputzszene war da ja aufschlussreicher als gedacht - gab es hier schon das Gespräch zwischen Francis und seinem Vater, liebe Fevvers?
Ich finde darin zeigt sich auch ein Stück von seinem Schicksal, was auch seine Figur etwas aufwertet.

Und nochwas - Liebe Petra
irgendwo erwähnte ich eine Frage an Dich, wenn Du das Buch beendet hättest (Ich finde sie gerade nicht wieder) aber Martina und ich waren uns einig, dass wir insbesondere von Dir wissen wollten:

Spoiler:

Wie fandest du Shays Erläuterung zu seiner Tat? Wie fandest Du seine Rechtfertigung? Wie seine Erklärung, dass er es schließlich war, der immer ausloten musste, sich nie in den Vordergrund stellen durfte, weil er ja ausgleichend da sein musste, damit den 'Kleinen' nichts passiert. Frank hätte sich aus dem Staub gemacht und damit seine Pflicht nicht erfüllt. Hätte er denn die Pflicht gehabt zu Hause zu bleiben?

Du weißt, warum ich frage - magst Du dazu antworten?
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