Liebe Didonia,
Deine Gedanken finde ich sehr wichtig. Und ich finde es auch ganz toll, wie Du Dich engagiert hast, um Infos zu bekommen über die Judenverfolgung in Deiner Heimatstadt. Ist es nicht erschreckend, dass man in einem Land lebt, in dem solche Dinge (Hundertausenden, Millionen) Menschen passiert sind, ohne dass man konkrete Geschichten darüber kennt? Über alles wird Jahrzehnte später noch herumposant, wie es damals war. Aber über dieses traurige Kapitel deutscher Geschichte hört man nur Allgemeines, aber nichts Persönliches.
In unserer Familie gab es eine Bekannte (sie war bei Familienfeiern immer dabei), die viel kostbaren Schmuck hatte und ihn auch gerne zur Schau trug. Innerhalb unserer Familie kursierten Gerüchte, dass sie diesen Schmuck während des zweiten Weltkriegs von Juden bekommen habe. Wofür? Da denkt sich meine Familie nicht viel Gutes. Denn wenn sie darauf angesprochen wurde, woher der Schmuck denn stammte (die Familie war alles andere als wohlhabend), dann druckste sie nur herum und lenkte ab. Was an den Gerüchten dran ist, weiß ich nicht. Aber nehmen wir es mal stellvertretend für Dinge, die ganz gewiss zahlreich vorgekommen sind. Dass man Nachbarn, Freunden, Verwandten, Mitbürgern alles genommen hat. Sogar ihr Leben. Von ihrem Besitz und ihrer Würde ganz zu schweigen.
Du hast recht! Gar kein leichtes Thema, das ich mir da ausgesucht habe. Aber ich bin froh, dass ich mich derzeit damit befassen möchte. Denn das hätte ich nicht zu jeder Zeit gekonnt. Wenn man selbst gerade ein angegriffenes Nervenkostüm hat, verpackt man sowas nicht so leicht. Ich versuche die Zeit zu nutzen, um mich mit einem Teil der deutschen Vergangenheit zu befassen, den man wahrlich nicht vergessen sollte! Das alles ist in unserem Land, unserer Stadt, unserer Gemeinde passiert. Das ist unvorstellbar, aber wahr.
Was man den Menschen für medizinische Versuche angetan hat, ist so unvorstellbar grausam, dass ich mich damit nur ganz schlecht befassen kann. In irgendeinem Hörbuch (ich meine ein Feature?) ging es um einen der Fälle, wo aus menschlicher Haut Lampenschirme gemacht wurden. Lebendigen Menschen!!! Wie grausam bitte kann der Mensch sein?
Und richtig, was mussten Frauen für ihr Überleben wohl tun? Oder was wurde ihnen angetan, ohne die Option dafür ihr Leben wenigstens retten zu können? Unfassbar.
Übrigens: Wenn Dich einzelne Schicksale interessieren, dann kann ich Dir wirklich nur
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Mein verwundetes Herz - Das Leben der Lilli Jahn 1900-1944" von Martin Doerry ans Herz legen. Zumal Du ja biografische Bücher gern liest. Ich habe zur Spiegel-Edition verlinkt, obwohl die Ausgabe vergriffen ist. Bei Amazon gibt es derzeit aber noch recht günstig neue Exemplare über Marketplace zu kaufen. Ansonsten gibt es auch noch die Original-Ausgabe zu kaufen, aber die lag bei 24,90 €, falls jemanden das Buch hier interessiert.
Mich selbst erinnere ich dadurch auch mal wieder an was. Ich habe von Martin Doerry noch ein Hörbuch zum Buch
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"Nirgendwo und überall zu Haus": Gespräche mit Überlebenden des Holocaust". Das setze ich mir auch gleich mal auf meine Liste für mein Projekt. Schade, das Buch wäre sicher umfassender als das Hörbuch.