Hallo zusammen,
mich interessiert das Thema Alkohol ja auch aus persönlichen Gründen. In meinem Umfeld musste ich schon mehrfach miterleben, wie geliebte Menschen der Sucht verfallen sind. Umso mehr möchte ich verstehen, was in diesen Menschen vorgeht, welche Kämpfe sie innerlich kämpfen.
Eine kleine Vorstellung kann man sich davon machen, wenn man versucht abzunehmen. Das ist schon schwer genug. Die ewig ums Essen kreisenden Gedanken, das immer wieder schwach werden, sich anschließend schlecht fühlen. Der Alkohol bringt nur noch weitere Dinge mit in diesen fatalen Kreislauf: Persönlichkeitsveränderung, Gewalttätigkeit, Streitlust, rapide gesundheitliche Einschnitte, Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben, Verlust von Familie und Beruf, Schulden. Die Konsequenzen können vielfältig sein. Und anders als beim Essen, leiden die Angehörigen viel mehr mit. Aber um zurück zum Vergleich zu kommen: Es fällt schon schwer für eine bestimmte Zeit auf das gewohnte Essen zu verzichten, obwohl man ja essen kann, nur nicht das, was man möchte oder nicht in den Mengen, nach denen es einem verlangt. Aber das ist schon sehr schwer. Wie viel schwerer muss der Gedanke sein NIE WIEDER zum Alkohol greifen zu dürfen? Zumal es für die meisten ja eine Krücke ist, ohne deren Hilfe sie glauben, nicht leben zu können. Und wenn man so weit unten ist, dann ist der Ausblick auf ein trockenes Leben ja auch erst mal nicht mehr verlockend. Erst mal blickt der Suchtkranke ja auf sein kaputtes Dasein.
Und trotzdem versteht man nicht, wie man lieber dieses Gift wählen kann, anstatt sich davon loszusagen. Ein freies Leben zu führen, und geliebte Menschen nicht mehr derart zu schädigen. Ganz zu schweigen von sich selbst.
Umso wichtiger, dass das Thema in der Literatur aufgegriffen wird. Es hilft sicher vielen Suchtkranken und auch Angehörigen, zu verstehen und zu verarbeiten. Jeder in dem Maße, wie er es an sich lassen kann.
Ich kann gut verstehen, wenn man das Thema nicht so nah an sich lassen möchte oder kann. Weil es alles wieder aufwühlt. Mir geht das mit dem Thema Verlust so. Da muss man schauen, ob und wenn ja wann man bereit ist, sich dem Thema zu stellen.
Beim Alkohol geht es für mich gut. Ich habe mich mit dem Thema ausgesöhnt. Und möchte die Mechanismen der Sucht besser verstehen. Oder auch erleben, wie andere Angehörige damit umgehen. Welche Wege sie für sich suchen und finden.
Derzeit höre ich ja
"Der Trinker" von Hans Fallada. Eine Innenansicht eines Trinkers, von jemandem verfasst, den die Sucht selbst im Griff hatte, finde ich außerordentlich spannend. Ich habe mich oft gefragt, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die trinken und ihre Angehörigen belügen ("müssen") um ihre Sucht aufrecht zu erhalten. Und wie sie das vor sich selbst gerechtfertigt bekommen, etc.. Fallada bietet interessante Einblicke. Und auf die Verfilmung mit Harald Jungke freue ich mich anschließend auch, zumal ja auch er wusste, wie es in einem Trinker aussieht.
Von
Jack London, habe ich kürzlich durch Barbara erfahren, gibt es ja auch ein Buch über den Alkohol.
"König Alkohol" - wie ich gesehen habe, gibt es das auch als
Hörbuch. Das läge mir, wie auch bei Fallada, mehr. Ein ganzes Buch über das Thema wäre mir vielleicht schnell zu viel. Nicht seelisch, sondern so eine Trinker-Karriere könnte schnell auch ermüdend werden. Falladas "Der Trinker" wäre für mich als Buch zu viel. Gehört geht das bei mir besser. Zumal es wunderbar gelesen wird! Und über Jack Londons "König Alkohol" wird das auch gesagt.
Dass Jack London von sich selber sagte, er sei nicht abhängig, ist ja auch typisch für Alkoholiker. Sie wissen es oft nicht. Oder erst sehr spät - zu spät. Doch wenn man regelmäßig trinkt, und es nicht aufhören kann, dann ist man süchtig. Aber der Suchtkranke redet sich natürlich ein, er könne aufhören, wenn er denn müsse. Aber er muss ja nicht. Er verliert dennoch jeden Tag gegen sich selbst, und kann es sich nicht eingestehen. Oder wenn, dann nur im Stillen. Meistens braucht es ein einschneidendes Erlebnis, um einen Suchtkranken wachzurütteln. Bei vielen (vielleicht den meisten) nützt auch das nichts.
In meinem Regal steht noch ein Buch, das sich mit dem Thema beschäftigt:
"
Paradies" von A. L. Kennedy. Es soll auch sehr gut sein. Mal sehen, wann es an der Reihe ist. Es fiel mir kürzlich ein, als ich begann mich für Falladas
Trinker zu interessieren.
Ebenfalls ein sehr gutes Buch (auch das habe ich aber als Hörbuch gehört - es war ein sehr gutes Hörbuch, toll gesprochen!) zu dem Thema - allerdings ist es hier die Drogensucht - ist
"Lass mich diese Nacht überleben" von Jörg Böckem. Hier der Link zu meiner
Rezension.
Die Nennung von
Paul Tordays "Bordeaux" ist hier auch gut platziert, Danke Binchen. Ich kenne es noch nicht, möchte es aber gern noch kennen lernen (ebenfalls als Hörbuch).
Übrigens finde ich es auch manchmal gut, wenn ein Buch das Thema Alkohol am Rande behandelt. Für mich muss es auch nicht immer im Mittelpunkt stehen. Es kann auch sehr authentisch das Problem darstellen, wenn es nur ein Faden eines Buches ist. Denn im Leben ist es auch
ein Punkt, und nicht der
einzige Punkt. Wenn auch leider ein zentraler, der immer mehr an Gewichtung gewinnt, je weiter die Sucht voranschreitet.
Unbedingt genannt hört hier noch
Joseph Roths (er war auch selbst Alkoholiker)
"Die Legende von heiligen Trinker".
Ich bin schon gespannt, welche Titel und Autoren hier noch genannt werden zum Thema. Danke fürs eröffnen, Didonia!