Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten

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Re: Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten

Beitragvon Christine » Do 17. Jul 2008, 19:50

Huhu Binchen,

ich denke, dass Aue schon ein paar Zweifel hat, aber viele beziehen sich wohl darauf, dass er befürchtet, dass der Gröfaz vielleicht doch nicht so toll ist und alles auch den Bach runtergehen kann. Die anderen Zweifel lässt er zumindest bis S. 800 nicht an sich ran.

Sag mal, hast du die Szene in Antibes verstanden? Was passierte da genau mit seiner Mutter und Moreau und wer waren diese Zwillinge? Ich habe da ja eine Theorie, die ich mal in Spoilerschrift schreibe, weil ich weiß, dass Lucy mitliest und überlegt das Buch auch mal irgendwann zu lesen:

Ich vermute mal, dass es jüdische Kinder waren, die die Mutter und Moreau dort geschützt haben, wahrscheinlich sogar deutsche, weil die Schwester das wusste. Vielleicht hat die Schwester auch etwas damit zu tun. Und irgendwer hat Aue in SS-Uniform da gesehen und fand die Mutter und Moreau nicht mehr zuverlässig, hat sich die Kinder geschnappt und die Mutter und Moreau.....

Wird das im Buch irgendwann noch mal geklärt?

Ansonsten finde ich das Buch nach wie vor interessant, für mich war ja der Russland-Auftakt kein Paukenschlag, das kannte ich ja alles. Ich finde jetzt die Innenansichten ins System spannend, dieser Bürokratie-Wahn, dieses total Spießige im Umgang. Manchmal finde ich es fast komisch. Gut 500 Seiten habe ich noch.

Liebe Grüße
Christine
Zuletzt geändert von Christine am Sa 19. Jul 2008, 13:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten

Beitragvon Binchen » Fr 18. Jul 2008, 12:40

HUhu liebe Christine,

die Szenen in Antibes haben noch ihr Nachspiel *g*
aber zu dem Zeitpunkt zu dem ich sie gelesen hatte, hatte ich direkt die Idee
Spoilerschrift:

dass es sich um Kinder von seiner Schwester handeln müsste - entweder von Dr. Aue - oder von ihr mit einem Juden zusammen -


Was sich da abgespielt hat *kopfschüttel* - ich denke, das wird Dir genausowenig gefallen wie mir - später mehr dazu

Die Büroszenen gefallen Dir? ICh war darüber voll entnervt. Das ist 'DAS AMT' im Dritten Reich - pur - ein Albtraum - aber so kann es gewesen sein. Nur durch die verwirrenden nicht-Befehler sind sicherlich soviele Dinge überhaupt erst möglich gewesen. Die Angst, oder die Unnanehmlichkeiten wollte niemand auf sich nehmen, wenn schon jemand etwas mehr zu wissen meinte und zu sagen haben glaubte, so dass die da oben schon damit gerechnet haben, dass nur sehr wenige, wenn überhaupt wer, Innitiativen ergreifen würden irgendetwas zu tun.

Das war sehr eindringlich geschildert - und auch nützlich - aber nicht wirklich spannend. Das Buch hat so einige Längen, durch die frau durch muss.
Aber am Schlimmsten finde ich alles, was mit Aues Träumen zu tun hat. Diese Szenen ziehen die ganzen Situationen so ins absurde, dass wieder viel zu viel Raum da ist, zu sagen, dass es ja sooooo auch nicht gewesen sei.

Die Traumszenen sind für mich die großen Schwachpunkte dieses Buches.

Bin schon gespannt, wann Du auf die ganz miesen stößt, und was Du dazu meinst.
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Re: Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten

Beitragvon Christine » Fr 18. Jul 2008, 17:03

Huhu Binchen,

deine Theorie zu der Antibes-Szene finde ich sehr einleuchtend. Warum bin ich da nicht drauf gekommen *kopfkratz*.

"Das Amt" war mal eine Sitcom im Fernsehen, oder? War das nicht entweder mit Jochen Busse oder Wolfgang Stumph? Wie auch immer, ich habe es jedenfalls nie gesehen, kann daher auch nicht vergleichen. Allerdings habe ich bei manchen Szenen geradezu déjà-vu Erlebnisse, von wegen "das machen die anderen, da bin ich nicht zuständig, wenden Sie sich an....". Manche Dinge ändern sich wohl nie :o

Erstaunlich fand ich die verlangte Auslegung der Befehle: Ein Befehl muss nicht konkret sein, ein guter Nationalsozialist muss den Willen des Führers dahinter erkennen, seine Wünsche ahnen und entsprechend handeln. Das macht natürlich klar, warum kein Historiker bis heute DEN entscheidenen Führerbefehl zur Endlösung gefunden hat, den es ja gar nicht gibt. Deswegen ist es ja für heutige Torfköpfe leicht zu behaupten, dass es die Endlösung gar nicht gegeben hat. Diskussionsstoff ohne Ende.....

Es kommen also noch mehr Traumszenen? Hmmm, Begeisterung weckt das bei mir keine, bisher fand ich die Traumszene am Ende von Stalingrad äußerst verzichtbar, die anderen haben mich eher weniger gestört. Und etwas weniger Verdauung hätte auch nicht geschadet. Außerdem frage ich mich, wie es überhaupt zu den Traumszenen kommt, das ist doch alles nur Fiktion, das passt für mich sowieso nicht in das Konzept von dem Buch.

Ich denke mal, dass ich am Wochenende wieder ein paar Seiten schaffe, bis jetzt bin ich bei 850.

Liebe Grüße
Christine
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Re: Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten

Beitragvon Binchen » Do 24. Jul 2008, 12:33


Christine schrieb:

Erstaunlich fand ich die verlangte Auslegung der Befehle: Ein Befehl muss nicht konkret sein, ein guter Nationalsozialist muss den Willen des Führers dahinter erkennen, seine Wünsche ahnen und entsprechend handeln. Das macht natürlich klar, warum kein Historiker bis heute DEN entscheidenen Führerbefehl zur Endlösung gefunden hat, den es ja gar nicht gibt. Deswegen ist es ja für heutige Torfköpfe leicht zu behaupten, dass es die Endlösung gar nicht gegeben hat. Diskussionsstoff ohne Ende.....


Jaaaaaaaaaaaaaa - genau das ist es, was dieses Wirrwarr so ausmachte und so konnte man tun und lassen, was das Selbstbewußtsein so zuließ.

Die Traumszenen werden noch immenser - und genau - etwas weniger Verdauung wäre wirklich gut gewesen. Ich finde diese Szenen in der Häufung geben zu vielen die Rechtfertigung, dass es sooo dann doch nicht gewesen ist. Außerdem erinnern sie mich an den Kunstunterricht. Nur wenn was mit Fäkalien, Unrat, Müll, Verwesung oder ekligen Dingen an einem Werk beteiligt war, war es damals bei uns außerordentlich gut. So scheint es auch hier - literarisch oder zeitgeistig wertvoll ist was, was nicht schön ist.

Nur wenn Trauer, Ekel oder andere düstere Dinge beteiligt sind, sind es Werke von bleibendem Wert ....

Das leuchtet mir so gar nicht ein.

Bin mal gespannt, wann Du ausgeträumt hast. Für mich waren die letzen 20-30 Seiten dann nochmal gut - ich wollte eigentlich schon flüchtig werden und hab es dann doch nicht getan.
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Re: Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten

Beitragvon Christine » Do 24. Jul 2008, 13:12

Huhu Binchen,

im Moment geht es bei mir nicht mehr so schnell vorwärts wie im Urlaub, ich habe jetzt die S. 1000 überschritten und die ersten Bombenangriffe auf Berlin erlebt. Die Schilderung war bisher aber eher harmlos.

Ich merke gerade, dass du die Verdauungsszenen ganz anders verstehst als ich. Für mich war das immer ein Zeichen, dass es Aue nicht gut ging, dass er Dinge tun musste, die er eigentlich nicht wollte, oder dass er Angst hatte. Körperliche Symptome für seelische Probleme eben, für Dinge, die er nicht verarbeiten kann. Deswegen auch keine Verarbeitung der Nahrung. Naja, klingt ein bisschen nach Dr. Dipl. Hobby Küchenpsych :oops:

Liebe Grüße
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Re: Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten

Beitragvon Christine » So 3. Aug 2008, 21:36

Huhu Binchen und alle Mitleser,

ich bin durch! Es ist vollbracht! 1380 Seiten Innenansichten eines hohen SS-Offiziers.
Und wenn ich einmal ganz kurz sage: Es hat sich gelohnt, nur die letzten 60-70 Seiten haben mir nicht mehr so gefallen, da war es mir dann zu dick aufgetragen und auch zu unglaubwürdig.
Ich hoffe mal, dass ich mich demnächst, wenn das Buch ein bisschen "gesackt" ist, zu einer Rezi aufraffen kann.

Liebe Grüße
Christine
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Re: Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten

Beitragvon Barbara » Mo 4. Aug 2008, 08:00

Liebe Christine,

wow!!!!! Ich spreche aus großes Lob und große Anerkennung!!!
Da hast Du innerhalb kurzer Zeit viel geschafft, zumal es sich auch nicht um ein Badewannenbuch handelt, sondern schon um Gehaltvolles! Auf meinem langfristigen Leseplan steht das Buch ja auch. Allerdings kann ich noch nicht sagen, wann ich damit beginnen werde. August/September werden erst mal von vier zu lesenden und zubewertenden Examensarbeiten bestimmt sein.

Was liest Du denn als nächstes? Nach diesem Buch fällt die Wahl sicherlich nicht so leicht. Oder hast Du schon eins in der engeren Wahl?
"Das Lesen eines Buches ist die Zwiesprache mit der eigenen Seele!"
B.H.

Liebe Grüße
Barbara
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