von Petra » Mo 18. Feb 2013, 16:28
Hallo zusammen,
ich habe vor ein paar Tagen mit “Tod in den Anden“ begonnen. Das einfinden fiel mir nicht ganz so leicht, denn eigentlich suchte ich gerade einen dichten Roman mit komplexen Figuren und einer geradlinigen Handlung. All das ist „Tod in den Anden“ eher nicht. Die beiden Hauptfiguren (Korporal Lituma und sein Gehilfe Tomasito) wirken zwar durch und durch authentisch und auch lebendig, aber eigentlich dienen sie dazu, die einzelnen Geflechte der Geschichte miteinander zu verknüpfen. Durch ihre Ermittlungen im Fall der drei Vermissten treten sie zwar häufig in Aktion, aber über ihre eigene Persönlichkeit wird hier nicht viel offenbart. Muss für diese Geschichte gewiss auch nicht, denn das würde vom eigentlichen ablenken: Ihrer Angst, dass ihnen jederzeit von den Terroristen aufgelauert werden könnte und das ihr Ende bedeuten würde. Weiter wichtig für den Roman ist Tomasitos Geschichte von seiner Liebe zu Mercedes, von der er Lituma während der langen einsamen Nächte am Wachposten erzählt. Hierdurch bekommt der Leser einen weiteren Blick auf das Leben der Menschen dort.
Llosa springt von einem Handlungsstrang zum nächsten und eröffnet laufend neue Schauplätze, die ein Kapitel (eher ein langer Absatz, denn das Buch ist nur in wenige Kapitel unterteilt, alles greift in alles über, verschwimmt, verläuft, und doch ergibt sich ein Gesamtbild) lang die Aufmerksamkeit des Lesers fordern. Und durch jeden dieser Stränge verdichtet sich das Bild der Menschen dort, ihrer Ängste vor den Revolutionären und vor terroristischen Angriffen, und nicht zuletzt auch vor dem Hütern des Gesetzes.
Ein Bild der Gewalt, das schwer zu ertragen ist. Hier ist dann wiederum gut, dass Llosa eine gewisse Distanz hält, und dem Leser damit ermöglicht hinzuschauen. Kunstvoll verwoben ist dieses Bild. So verwirrend der Sprung von einem Schauplatz zum nächsten ist, so faszinierend ist, wie diese losen Episoden die Schrecken und die Angst einfangen, aber auch z. B. erklären, wieso Menschen zu Mittätern und Mitläufern werden, unter dem Druck des Terrors. Angst regiert hier im wahrsten Sinne des Wortes, und ich vermag mir gar nicht vorzustellen, wie es sein muss, unter solch einer Angst leben zu müssen. Nicht nur Angst vor dem Tod, sondern auch vor furchtbarer Brutalität und Folter.
Langsam erfahre ich, welche Idee hinter dieser Revolution und dem Terror steckt. Aber auch wie sinnlos es ist, auf Ungerechtigkeiten im Land (Kluft arm und reich, Ausbeutung des kleinen Mannes etc.) mit solch einer Gewalt zu reagieren, und auch nur Unterdrückung (im Namen der Befreiung) auszuüben, und zudem auf so perfide Art das Volk gegeneinander aufzubringen, und sie selbst die Drecksarbeit machen zu lassen. Ich weiß über die Situation dort im Grunde nichts, werde mich aber entweder parallel zum Buch oder im Anschluss ein wenig darüber informieren.
Somit fällt mir das lesen nicht leicht, denn eigentlich ist es nicht der absolut passende Zeitpunkt für mich, aber trotzdem weil Llosa mich für seine Themen zu interessieren und durch seine Art zu erzählen auch zu faszinieren. Auffällig ist, was Maria hier auch schon mal zu dem Buch schrieb, wie hier Mensch und Natur ineinandergreifen. Eine Frau löst sich z. B. scheinbar im Nebel auf. Dieses Bild greift das Rätselhafte auf, das über dem ganzen Roman schwebt, und vielleicht auch das Thema des scheinbar spurlosen Verschwindens der drei Vermissten.
Die Sprache Llosas finde ich in einem Zitat von Gustav Seibt in der FAZ sehr gut beschrieben: »Der Tod in den Anden ist ein strenges und lehrhaftes Buch, seine Sprache und Erzählweise sind so klar, hart und rätselhaft wie die Landschaft, in der er spielt.«