Übersetzungen

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Re: Übersetzungen

Beitragvon JMaria » Sa 19. Jan 2013, 14:21

Hallo,

Zwar geht's bei diesem Thema nicht um Übersetzung, sondern um Anpassung eines Textes, denn die Diskussion scheint neu entbrannt zu sein als Familienministerin Schröder sagte, dass sie Wörter wie "Neger" ersetze, wenn sie ihren Kindern aus solchen Büchern vorliest.

Nach langem Widerstand hat nun auch Otfried Preußler eingewilligt, dass in der kleinen Hexe das 'Negerlein' geändert wird.


Eine Umfrage ergab unter verschiedenen Auswertungen folgendes

-Regional: 52% der Westdeutschen für eine Tilgung von diskriminierenden Wörter, jedoch nur 37% der Ostdeutschen.

-je höher die Schulbildung, desto mehr tendiert man gegen die Reform von Kinderbuch-Klassiker.

http://www.zeit.de/kultur/literatur/201 ... derbuecher
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Re: Übersetzungen

Beitragvon Trixie » Sa 19. Jan 2013, 16:03

Hallo Maria,

über dieses Thema haben wir hier vor ein paar Jahren schon mal ganz kurz diskutiert.

Meine Meinung hat sich seitdem nicht geändern und entspricht offenbar eher den Befragten aus dem Osten Deutschlands und -wie ich beim Durchlesen bemerkt habe- denen der meisten Kommentatoren: Denn den erwünschten Effekt (Vermeidung von Diskriminierung) kann eine solche Vorgehensweise schlicht nicht erfüllen. Statt dessen hinterläßt sie im Gegenteil noch die Gefahr, daß nun wiederum der Verfasser sich zumindest zensiert sieht, evtl. falsch uminterpretiert, bis hin zur Unterstellung, er habe sein Werk mit diskriminierenden Intentionen verfaßt. Und im schlimmsten Falle, nämlich in welchem betroffener Autor bereits verstorben (und lange verstorben) ist, kann er sich noch nicht einmal mehr gegen diese Veränderung seines Werkes wehren.

Nein, diese Anpassung um jeden Preis von aus ihrem zeitlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang gerissenen Werken an unsere eigenen, heutigen Umstände halte ich für völlig falsch.

Gruß,
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Re: Übersetzungen

Beitragvon Petra » So 20. Jan 2013, 00:53

Hallo zusammen,

ich halte das auch für fragwürdig. Auch weil damals ein anderer Sprachgebrauch üblich war. Nicht jeder dachte sich unbedingt was Böses dabei, sondern verwendete oftmals gewiss nur gebräuchliche Begrifflichkeiten (wie Trixie auch schreibt, könnte einem Schriftsteller durch die nachträgliche Zensur unterstellt werden, absichtlich diskriminierende Begriffe verwendet zu haben). Sie stehen zu lassen zeigt mir viel mehr, dass Diskriminierung stattgefunden hat, auch unabsichtliche. Sie einfach auszuradieren, macht sie doch nicht ungeschehen. Viel mehr zeigt ein Stehenlassen, dass da was nicht korrekt war. Mir ist es deshalb lieber, alte Werke nicht anzupassen oder zu verfälschen.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Übersetzungen

Beitragvon Lilywhite Lilith » So 20. Jan 2013, 18:06

Petra hat geschrieben:Hallo zusammen,

auch hier gehört diese Info unbedingt hin:

Am 21.05.2013 erscheint eine Neuübersetzung von Haruki Murakamis "Gefährliche Geliebte". Zum ersten mal direkt vom Japanischen ins Deutsche übertragen, Übersetzerin ist Ursula Gräfe. Die ursprüngliche Übersetzung bezog sich auf die englischsprachige Übersetzung. Durch das übertragen in erst die eine, dann die andere Sprache mag sicher viel verloren gegangen sein. Schön, dass man den Autor ernst genug nimmt, um eine direkte Übertragung vom Japanischen ins Deutsche in Angriff genommen zu haben. Diese Neuübersetzung erscheint am 21.05.2013. Für mich vielleicht irgendwann ein Grund dieses faszinierende Buch noch einmal zu lesen.


Das ist eine sehr interessante Nachricht fuer mich [als grosser Murakami-Fan], dass Murakamis "Gefaehrliche Geliebte" in einer Neuuebersetzung herausgebracht wird. Japanische Literatur aus einer englischen Uebersetzung ins Deutsche zu uebertragen, ist schon mehr als nur ein kleiner Frevel.
Wahrscheinlich wird das von euch auch niemand wissen, welcher Vogel sich konkret hinter dem "Aufziehvogel" mit dem schnarrenden Gerausch verbirgt? Ich hoere ihn manchmal in meinen [Alb-]traeumen und wuesste zu gerne, welchen Vogel der Autor da portraetiert hat...

Liebe Gruesse
Lilith

P.S.
Ob Murakami wohl zeitlebens noch den Literatur-Nobelpreis erhalten wird? Wohl kaum. Verdient haette er ihn meiner Meinung nach schon lange. Aber es scheint Vorbehalte gegen ihn zu geben. Die nehme ich auch wahr bei Freunden, denen ich Murakami waermstens und mit Nachdruck empfohlen habe. Wie er Sexualitaet und Gewalt beschreibt, verstoert manche Leser offenbar. Fuer mich war Murakami vor 2 Jahren [ja, so spaet erst] DIE Entdeckung ueberhaupt. Inzwischen bin ich regelrecht suechtig...
Lilywhite Lilith
 

Re: Übersetzungen

Beitragvon steffi » Mo 21. Jan 2013, 10:16

Petra hat geschrieben: Sie stehen zu lassen zeigt mir viel mehr, dass Diskriminierung stattgefunden hat, auch unabsichtliche.


Sehr guter Punkt, Petra ! Ich finde es auch wichtiger, sich damit auseinanderzusetzen als einfach darüber zu schweigen. Gerade auch Kindern kann und sollte man beim Vorlesen so einiges erklären, warum also nicht auch solche Begriffe.
Gruss von Steffi

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Re: Übersetzungen

Beitragvon Petra » Mo 21. Jan 2013, 11:33

Hallo Steffi und Lilith,

Steffi hat geschrieben: Sehr guter Punkt, Petra ! Ich finde es auch wichtiger, sich damit auseinanderzusetzen als einfach darüber zu schweigen. Gerade auch Kindern kann und sollte man beim Vorlesen so einiges erklären, warum also nicht auch solche Begriffe.


Finde ich wirklich auch. Es bringt doch nichts, so zu tun, als sei das so nicht gewesen. Als seinen Begrifflichkeiten wie Neger nicht normal gewesen. Oder als sei das Judenbild nicht schlecht gewesen. Man kann aus der Vergangenheit lernen, aber ja nur, wenn sie nicht vertuscht wird. Und richtig was Du schreibst: Lieber beim vorlesen erklären! Und anstelle von Anpassungen und Veränderungen von Texten würde ich einen Anhang mit Erklärungen viel besser und wirkungsvoller finden!

Lilith hat geschrieben:Das ist eine sehr interessante Nachricht fuer mich [als grosser Murakami-Fan], dass Murakamis "Gefaehrliche Geliebte" in einer Neuuebersetzung herausgebracht wird. Japanische Literatur aus einer englischen Uebersetzung ins Deutsche zu uebertragen, ist schon mehr als nur ein kleiner Frevel.


Ja, wirklich eine haarsträubende Idee, und dann auch noch bei einem gewichtigen Schriftsteller wie Murakami.

Du sprichst mir aus der Seele. Auch ich drücke ihm seit ich ihn für mich entdeckt habe die Daumen für den Literaturnobelpreis. In meinen Augen hätte er ihn auch sehr verdient.

Du hast ihn also auch erst vor relativ kurzer Zeit für Dich entdeckt. Geht mir genauso. Auch ich habe ihn vor 2 Jahren für mich entdeckt. Ich las „Gefährliche Geliebte“, und war mit einem mal völlig gefangen in seiner Welt. Es taten sich so viele Gedanken auf beim lesen- ein Meister der Imgaination!

„Mister Aufziehvogel“ kenn ich noch nicht. Aber ich habe irgendwo gelesen, dass eine der Nebenfiguren daraus in „1Q84“ wieder auftaucht. In Murakamis Welt steht alles miteinander in Verbindung, Grenzen (Realität/Fiktion, Roman-Übergreifend etc.) verlaufen. Imponierend! Von „Mister Aufziehvogel“ habe ich allerdings das Hörbuch (ungekürzt gelesen von Ulrich Matthes), der Sprecher wird genau die richtige Besetzung sein.

Welche Bücher kennst Du schon von ihm, und welche haben Dir besonders gut gefallen? Vielleicht magst Du Dich dazu im Thread über :arrow: Japanische Literatur äußern?
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Übersetzungen

Beitragvon Didonia » Mo 21. Jan 2013, 12:48

Ich sehe das auch als Geschichtsverfälschung. Wie sollen denn die kommenden Generationen aus der Vergangenheit lernen?

Die Schröder sollte sich lieber um wirklich wichtige Familienangelegenheiten kümmern. Sie scheint nicht ausgelastet genug zu sein.
Lesende Grüße, Anne

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Re: Übersetzungen

Beitragvon Lilywhite Lilith » Di 22. Jan 2013, 21:47

Hallo zusammen,

zum Thema Kinderbuch"reform" hat mir eine Bekannte diesen Link geschickt. Ueber den darueber zu findenden Artikel in der "Zeit" habe ich mich gerade sehr aufgeregt.
Dass ein Artikel wie dieser von David Hugendick [??] so, wie er da zu lesen ist, von einer Zeitung wie der "Zeit" ueberhaupt abgedruckt wird, zeigt mir den scheinbar unaufhaltsamen Niedergang einer einst ernstzunehmenden Zeitung [mich wuerde wirklich interessieren, ob sich Helmut Schmidt, falls er den Artikel beim Kaffetrinken gelesen hat, nicht ordentlich verschluckt hat?].

http://www.zeit.de/kultur/literatur/2013-01/kinderbuecher-kommentar?commentstart=1#comments

Liebe Gruesse
Lilith
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Re: Übersetzungen

Beitragvon Petra » Mi 23. Jan 2013, 16:18

Hallo zusammen,

Danke für den Link, Lilith. Einen ehemals üblichen Sprachgebrauch zu korrigieren finde ich nach wie vor bedenklich.

Wenn man Rassismus doch an anderen Stellen ebenso ernst nehmen, und versuchen würde, ihn zu unterbinden. Das wäre wirklich hilfreicher!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Übersetzungen

Beitragvon JMaria » Mi 6. Feb 2013, 10:59

auch der Literaturclub befaßt sich mit dem Thema "Politisch korrekte Kinderbücher" im

:arrow: Literaturclub Plus
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Schöne Grüße, Maria
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