Hallo Maria und Steffi,
na, das lob ich mir: Mich überzeugen wollen und in Wahrheit Steffi anfixen!
Vielen Dank Maria, für Deine Erklärungen was ich von "Das Museum der Unschuld" zu erwarten habe, bzw. was Orhan Pamuk mit dem Buch sagen will - und was nicht. Und auch wie ich "Das Museum der Unschuld" im Vergleich zu den anderen Büchern des Autors zu sehen habe.
Ich vermute, dass ich besser doch mit einem anderen Buch von Pamuk angefangen hätte. Denn so interessant das sicherlich auf der einen Seite sein mag, dass er hier den Faktor des Augenblicks verdeutlichen will, so schwer tue ich mich im Moment mit der Thematik. Ich verstehe, dass Dich und Steffi das mehr fasziniert, da es Eurer Leseerlebnis mit Proust auf eine eigene Art neu aufgreift. Das Thema Erinnerungen und Augenblicke ertieft.
Wahrscheinlich hätte mir jedoch ein Startthema bei Pamuk wie der Geschichte des osmanischen Reiches oder Politik und Kultur mehr gelegen. Denn eigentlich wollte ich etwas über die Türkei lesen und nicht über die Thematik, die Pamuk in "Das Museum der Unschuld" aufgreift.
Für mich ist das aber eine wertvolle Erkenntnis. Oder besser gesagt zwei Erkenntnisse. Erstens, dass ich doch nochmal genau überdenken muss, in welcher Form ich jetzt "Das Museum der Unschuld" weiterlese. Zweitens, dass mich bei den anderen Romanen von Orhan Pamuk eher das erwartet, was ich mir davon erhofft hatte.
Zumal, das will ich hier noch mal betonen: Das merkwürdige ist ja, dass mich jeder Autor - da es eben im Moment nicht mein Thema ist - schon längst entsetzlich gelangweilt hätte. Das tut Orhan Pamuk nicht. Obwohl sich Kemals Qual ständig und ständig und ständig wiederholt. Es ist dennoch sehr viel interessantes enthalten, über die Türkei, die Einstellung der Menschen in der Zeit dort und das Miteinander. Die Probleme etc.. Und überhaupt: Er ist einfach ein magischer Erzähler! Sonst hätte ich das Buch längst abgebrochen!
JMaria hat geschrieben:abwechslungsreich - das ist so ein Begriff, den jeder anders empfindet. Ich glaube, Pamuk möchte einfach "mehr" als nur Abwechslung in seine Romane bringen; er möchte erzählen wie ein Orientalist, mit dem Werkzeug der westlichen Kultur; möchte Gefühle, Politik, Geschichte verweben. Jedes seiner Bücher, die ich bisher von ihm las, fordert den Leser heraus, aber ich finde seine Art zu schreiben sehr genußvoll, denn er bietet mehr als nur eine unterhaltsame Geschichte, der Leser kann darin graben
Das empfinde ich auch so, dass er mehr möchte als nur abwechslungsreich sein. Umso mehr irritierte mich, dass er sich ständig wiederholte in seinen Beschreibungen, wie Kemal seinen Liebesqualen zu entkommen versucht - wenigstens für ein paar Augenblicke, z. B. wenn er Gegenstände in den Mund nimmt, die ihn an Fusün erinnern. Aber was dahinter steckt, erkennt man sicher erst zum Ende hin, wenn sich dieses ständige Wiederholen in eine Endlosschleife der Erinnerung und des Sehnens - wie Du so schön sagst - verliert. Dieses traumartige Gefühl, in das Du Dich dadurch reingelesen hast, kann ich nachvollziehen. Ein bisschen was griff schon auf mich über beim lesen, obwohl ich so weit ja noch nicht bin. Aber vielleicht liegt auch hier genau ein weiterer Grund, warum es mir im Moment noch schwer fällt die Geschichte an mcih zu lassen: Pamuk beschreibt Kemals Liebesqualen ja sehr eindringlich. Und man gerät selbst in einen fieberhaften Zustand, wie der liebeskranke Kemal. Das ist wirklich richtig, richtig gut gemacht!
ABER: Ich habe diesen Zustand selbst ja noch nicht so lange hinter mir. Du (auch einige andere hier) weißt ja, wie sehr ich um meine jetztige Beziehung kämpfen musste. Wie machtlos ich in dem Kampf manchmal war. Und welche Auswirkungen das auf meinen Seelenfrieden hatte: Mir ging es hundsmieserabel, ich war für nichts anderes mehr in der Lage als für die Gedanken daran, die mir aber dann nur meine restlichen Kräfte immer mehr raubten...
... will heißen: Mir ist das ein bisschen ZU (!) gut beschrieben! *g*
Mir setzt das beim lesen zu, was ja ein Kompliment an Orhan Pamuk ist.
Auch in einem anderen Punkt:
Maria hat geschrieben:Auf "Museum der Unschuld" trifft zu was Proust in "Die Verlorene Zeit" schreibt: Denn die wahren Paradiese sind die Paradiese, die man verloren hat."
Auch das hat mir zur Zeit noch zu direkt etwas mit meinem eigenen Leben zu tun. Denn Proust hat damit verdammt recht! Das erkennt man auch oft erst dann, WENN man diese Paradiese verloren hat. Umso schmerzlicher sind diese wertvollen Erinnerungen dann... hm...
Lösen möchte ich mich dennoch nicht von der Geschichte. Denn sie übt auch eine eigene Faszination auf mich aus. Pamuk fesselt. Wie auch immer ihm das gelingt, wenn einem nicht mal das Thema liegt
Aber Deinen Rat kann ich dennoch nicht beherzigen - leider! Du hast wohl recht, dass ich mir nach "Totengleich" "Das Museum der Unschuld" dann ganz vornehmen sollte. Und am Stück lesen. Aber ich bin mir in meinem Fall nicht sicher dass das helfen oder gar das Gegenteil bewirken würde. Ich fürchte eher das Gegenteil. Ich fürchte, dass ich dann diese ständige Wiederholung des Dilemmas, in dem Kemal sich befindet noch unerträglicher finden und abbrechen würde. Und abbrechen will ich es ja auch nicht.
Ach... ich weiß, ich bin schon ein schwieriger Patient!
Mir kommt aber eine Idee! Ich könnte aufs Hörbuch umsteigen. Ich habe gerade mal ermittelt: Die Lesung von Ulrich Noethen (dem traue ich das auch zu) ist ungekürzt. Das wäre vielleicht eine gute Lösung für mich. Ich überlege mal. Und warte vielleicht auch erst mal ab was ich nach "Totengleich" lesen werde. Ist es ein TB, dann würde ich ja in der Mittagspause wieder "Das Museum der Unschuld" weiter lesen.
Noch eine Lösung wäre ein Weg den mir Anja (die Unsichtbare) vorgeschlagen hat. So könnte ich z. B. nach einem beendeten Buch (z. B. nach "Totengleich") für einen Tag oder auch für zwei "Das Museum der Unschuld" zwischenschieben, bis ich mich für ein neues Buch entschieden habe. So würde ich mal ein bisschen was am Stück darin lesen. Wer weiß, vielleicht bleibe ich dann ja dran hängen. Oder aber ich bin wenigstens ein gutes Stück weiter und kann dass wieder mal in Etappen lesen. Und dann wieder wenn ich erneut ein Buch beende, wieder für ein oder zwei Tage zu Pamuk greifen.
Du siehst: Ich bin unentschlossen! Zwar denke ich schon, dass sich für mich "Das Museum der Unschuld" für ein Häppchenweise lesen anbietet (wegen der kurzen Kapitel und weil ich irgendwie das Leseerlebnis so intensiv finde, dass ich immer wieder direkt drin bin. Aber auch weil ich wirklich eher fürchte es abzubrechen, wenn ich zu viel davon an einem Stück lese, da es eben nicht ganz mein Thema ist... bzw. auch Punkte berührt, die mir im Moment noch zu nahe gehen), aber ein wenig schneller würde ich schon gern damit durchkommen. Denn erst wenn ich es beendet habe, bin ich offen für andere Bücher türkischer Autoren. Und das möchte ich gern sein, da ich ja doch einiges vielversprechendes zu Hause liegen habe.
JMaria hat geschrieben:Vielleicht findest du noch einen Draht zum Erzählstil des Autors; es ist schon etwas besonderes.
Hier möchte ich noch mal sagen: Der Erzählstil von Orhan Pamuk ist es nicht! Der liegt mir - sehr sogar!!! Sonst hätte ich längst abgebrochen. In dem Fall ist es wirklich das Thema - und das hast Du mir mit Denen Erklärungen zu "Das Museum der Unschuld" verdeutlicht.
Orhan Pamuk bleibt für mich interessant! Und wenn ich dann irgendwann ein anderes Buch von ihm greife, achte ich mehr darauf, dass es eines der Themen behandelt, über die ich gerade gern mehr lesen möchte. Politik und Kultur oder die Geschichte des osmanischen Reiches oder was Ihr gerade so über "Die weiße Festung" schreibt, Ost-West-Thematik... über eben diese Dinge würde ich mir von Pamuk mehr erzählen lassen...
Danke fürs verdeutlichen - das hat mir sehr geholfen mein Leseerlebnis mit Orhan Pamuk besser einzuschätzen! Ist Dir gut gelungen!