Orhan Pamuk

Plattform zum Austausch über Bücher und Themen rund ums Buch.
Forumsregeln
Kommerzielle Einträge werden ohne Kommentar gelöscht!

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon Petra » Fr 20. Feb 2009, 09:08

Hallo Maria,

verspätet einen ganz lieben Dank für Deinen interessanten Bericht über die erste Hälfte des Artikels! Gelesen habe ich Dein Posting schon vor Tagen, komme aber erst jetzt dazu in diesem Thread wieder zu posten.

Der Gedanke, wie er in jungen Jahren seine Bibliothek mit Büchern aus dem Bestand des Vaters aufgebaut hat, finde ich sehr schön! Also nur die Bücher wanderten hinein, die ihm sehr gefallen haben. Es ist ein sehr schönes Gefühl sich nur mit den Lieblingen zu umgeben.

Interessant finde ich auch den Aspekt, dass viele Dichter damals im Gefängnis gelandet sind. Schön, dass er auch darauf eingeht. Und schön, dass Du mich auf dem Weg ein bisschen dran teilhaben lässt!

Hast Du "Das Museum der Unschuld" inzwischen durch? Die beiden Übersetzungsbeispiele sind wirklich merkwürdig. An der Stelle mit aushäusig war ich glaube ich schon, wenn ich mich jetzt recht entsinne. Jedenfalls klingelte da etwas bei mir im Hinterkopf. Oder ich war über noch ein anderes Wort gestolpert und meine es nur in "aushäusig" hier niedergeschrieben zu sehen. Auf jeden Fall ist mir die manchmal seltsame Übersetzung an einer Stelle auch ins Auge gefallen.
Liebe Grüße,
Petra


Ich lese gerade: :lesen:
Percival Everett - James (HC)
Benjamin Stevenson - Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (ebook)

Ich höre gerade: :kopfhoerer:
-

Buecher4um
Hoerbuecher4um
Seifen4um
Petras SeifenKUNST
Benutzeravatar
Petra
Administrator
 
Beiträge: 14297
Registriert: Do 27. Mär 2008, 13:34

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon JMaria » Fr 20. Feb 2009, 11:08

Hallo Petra,

Petra hat geschrieben:
Hast Du "Das Museum der Unschuld" inzwischen durch? Die beiden Übersetzungsbeispiele sind wirklich merkwürdig. An der Stelle mit aushäusig war ich glaube ich schon, wenn ich mich jetzt recht entsinne. Jedenfalls klingelte da etwas bei mir im Hinterkopf. Oder ich war über noch ein anderes Wort gestolpert und meine es nur in "aushäusig" hier niedergeschrieben zu sehen. Auf jeden Fall ist mir die manchmal seltsame Übersetzung an einer Stelle auch ins Auge gefallen.


ja, ich habe das Buch vor ein paar Tagen beendet. Der Aspekt der Liebe, der Zeit, der Erinnerung in ihrer Kombination, kommt immer mehr zu Tage. Sehr eindrücklich beschrieben. Da ich zur Zeit ja auch "Die Wiedergefundene Zeit" von Marcel Proust lese, gab es für mich einen doppelten Effekt von Erinnerungen. Der Erzähler liest sogar in seinem Leid Proust (und Montaigne). Ich fühlte mich mit dem Buch sehr verbunden und habe es genossen. Einen kleinen Defizit gab es für mich, es wurde zuviel Raki gesoffen (tschudigung für den derben Ausdruck). Ich bin gespannt auf deine weiteren Eindrücke :-)

Liebe Grüße
Maria
Schöne Grüße, Maria
Aktuell:

Christoph Hein: Glückskind mit Vater
Sigrid Nunez: Mitz. The Marmoset of Bloomsbury (ebook)


Jahresprojekt: Günter Grass + Franz Kafka
Harro Zimmermann: Günter Grass. Biographie
Franz Kafka: Briefe an Felice Bauer


Sie schaffen eine Wüste und nennen das Frieden ( Tacitus )
Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen (Johann Wolfgang v. Goethe)
Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe (Rainer Maria Rilke)
JMaria
Moderator
 
Beiträge: 16232
Registriert: Mo 31. Mär 2008, 11:07

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon Petra » Mi 18. Mär 2009, 12:26

Hallo Maria,

vielen Dank für Deine abschließenden Gedanken zu "Das Museum der Unschuld"! Dass so viel Raki getrunken wird, liegt gewiss an der Verzweiflung und Traurigkeit, die sicher in den hinteren Teilen des Buchs immer größer wird. Somit passt es gewiss. Aber ich kenne das: Zuviel Alkoholkonsum in Büchern gefällt mir auch nicht immer so sehr.

Der Aspekt mit Liebe, Zeit und Erinnerung ist sehr interessant! Und für Dich sicher noch viel mehr, da Du Proust schon gelesen hast! Das ist gewiss eine tolle Vertiefung dieser Themen für Dich! Wenn ich soweit bin, können wir uns vielleicht noch mal darüber austauschen. Ich mit meinen Eindrücken dazu ohne Proust-Kenntnis und Du mit Deinen Eindrücken mit Proust-Kenntnissen. :-)
Liebe Grüße,
Petra


Ich lese gerade: :lesen:
Percival Everett - James (HC)
Benjamin Stevenson - Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (ebook)

Ich höre gerade: :kopfhoerer:
-

Buecher4um
Hoerbuecher4um
Seifen4um
Petras SeifenKUNST
Benutzeravatar
Petra
Administrator
 
Beiträge: 14297
Registriert: Do 27. Mär 2008, 13:34

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon Petra » Fr 4. Sep 2009, 11:19

Hallo Maria,
Hallo zusammen,

vor meinem Urlaub habe ich in der Mittagspause wieder einige Tage lang regelmäßig weitergelesen in Orhan Pamuks "Das Museum der Unschuld". Es gefällt mir weiterhin. Was mich eigentlich wundert. Denn im Grunde schreibt er ja kapitellang immer dasselbe. Sein Versuch seinen Verlust Fusüns zu lindern. Seine Gefühle. Wie er gegenüber seiner Verlobten auftritt...

... und ich fürchte so wird es im Grunde mehr oder weniger auch weitergehen, oder? Wäre schön, wenn Du mich ein wenig motivieren könntest, Maria! :-)

Abbrechen ziehe ich bislang dennoch nicht in Erwägung. Denn es ist - wie gesagt zu meiner Überraschung - dennoch interessant und nie langweilig. Und es interessiert mich ja zu erfahren wie es Kemal weiter ergeht. Aber ein bisschen verwundert darüber, dass eigentlich nichts passiert bin ich schon.

Ich bin auch schon recht weit. Immerhin Seite 230. Aber eben von 565 - es ist noch ein weiter Weg. Das schlimme ist, dass ich kein Buch eines türkischen Autors lesen möchte, solange ich damit nicht durch bin. Denn es ist ja ein Parallel-Buch für mich. Und ich lese ungern was thematisch oder vom Handlungsort her ähnliches zur gleichen Zeit. Aber wenn das so weiter geht, zieht sich das lesen noch Monate hin.

Hinzu kommt, dass ich es mittags weiter lesen kann. Aber nur, wenn mein aktuelles Unterwegs-Buch ein TB ist. Denn das kann ich nicht aufgeschlagen beim Essen hinlegen (ich knicke meine Bücher ja nicht). Und nur dann kommt "Das Museum der Unschuld" zum Zuge. Im Moment aber habe ich wieder ein HC ("Totengleich") am Wickel. Und da bin ich viel zu neugierig wie es weiter geht, um mittags dennoch Pamuk weiterzulesen anstatt Tana French. Hm.

Wie gesagt, es übt schon eine eigene Faszination aus. Und ist vor allem ganz toll und eigen erzählt. So klar und doch so atmosphärisch dicht. Aber ich wünschte mir schon ein bisschen mehr Abwechslung. Sonst hätte ich es sicher schon längst zum Unterwegs-Buch umgemodelt. Aber nur noch über Kemals Gefühlszustand lesen... am Stück... nein, das wäre mir, denke ich, doch zu viel.

Wie ging es Dir damit Maria? Oder ist es gar nur eine Phase und das Buch kommt doch wieder handlungsmäßig mehr in Schwung? Ich glaube nicht, denn nachher schwelgt er nur noch in seinen Erinnerungen, die ja doch ein begrenztes Feld sind.

Und wie sind andere Bücher von Orhan Pamuk? Ist es den anderen in dem Punkt ähnlich? Oder sind die abwechslungsreicher?
Liebe Grüße,
Petra


Ich lese gerade: :lesen:
Percival Everett - James (HC)
Benjamin Stevenson - Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (ebook)

Ich höre gerade: :kopfhoerer:
-

Buecher4um
Hoerbuecher4um
Seifen4um
Petras SeifenKUNST
Benutzeravatar
Petra
Administrator
 
Beiträge: 14297
Registriert: Do 27. Mär 2008, 13:34

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon JMaria » Sa 5. Sep 2009, 10:09

Hallo Petra,

Petra hat geschrieben:
... und ich fürchte so wird es im Grunde mehr oder weniger auch weitergehen, oder? Wäre schön, wenn Du mich ein wenig motivieren könntest, Maria! :-)



ich versuchs mal !
(zuerst einmal würde ich dir raten, den Thriller von Tara French zuende zu lesen und dann versuchen dich ganz Pamuk zu widmen, denn....)

du schreibst ja:
Denn es ist - wie gesagt zu meiner Überraschung - dennoch interessant und nie langweilig


es wäre dann ja schade, wenn du zu früh aufhören würdest.

Museum der Unschuld:
Vordergründig geht es um Kemals Gefühle zu Füsun, doch dahinter steckt eigentlich der Faktor des "Augenblicks".

Schon der 1. Satz des Buches drückt das gesamte Werk aus:
Es war der glücklichste Augenblick meines Lebens, und ich wußte es nicht einmal.

Der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte; die Zeit, die Erinnerung, der Augenblick. Wie eine Endlosschleife....

das mag für manche Leser vielleicht die "Crux" des Buches sein, für andere aber gerade das Interessante daran.

der Autor gibt eigentlich selbst die Lösung, wie man das Buch/die Geschichte betrachten sollte ...

Wenn wir lernen, unser Leben nicht linear zu denken, sonden als einzelne intensive Augenblicke, dann kommt es uns schon nicht so aberwitzig vor, acht Jahre lang am Tisch einer geliebten Frau auszuharren, sondern wir sehen dann,....., dass ich bei Füsuns Familie 1593 glückliche Abende verbracht habe....

am tiefgründigsten wird das Buch zu dem Zeitpunkt, als Füsun nicht mehr Ersehntes ist, sondern Erinnerung....

hier hebelt der Autor Zeit und Raum aus und das fand ich genial gemacht.

und durch diese Endlosschleife an Erinnerung und Sehnen bekam ich beim Lesen, irgendwie ein traumartiges Gefühl.

Eigentlich passiert viel im Roman, nur passiert es "anders" als in anderen Romanen.

Deswegen ist meine Meinung, dass "Museum der Unschuld" sich nicht über eine so lange Lesezeit eignet, auch wenn es in praktischen kurze Kapiteln eingeteilt ist. Meiner Meinung nach bekommst man so nicht das Gefühl für diese Art des Erzählens. Durch die langen Unterbrechungen könnte alles langweilig und hinauszögernd wirken und die Feinheiten des Erzählens gehen unter.

Auf "Museum der Unschuld" trifft zu was Proust in "Die Verlorene Zeit" schreibt: Denn die wahren Paradiese sind die Paradiese, die man verloren hat."


Vielleicht findest du noch einen Draht zum Erzählstil des Autors; es ist schon etwas besonderes.

Und wie sind andere Bücher von Orhan Pamuk? Ist es den anderen in dem Punkt ähnlich? Oder sind die abwechslungsreicher?


abwechslungsreich - das ist so ein Begriff, den jeder anders empfindet. Ich glaube, Pamuk möchte einfach "mehr" als nur Abwechslung in seine Romane bringen; er möchte erzählen wie ein Orientalist, mit dem Werkzeug der westlichen Kultur; möchte Gefühle, Politik, Geschichte verweben. Jedes seiner Bücher, die ich bisher von ihm las, fordert den Leser heraus, aber ich finde seine Art zu schreiben sehr genußvoll, denn er bietet mehr als nur eine unterhaltsame Geschichte, der Leser kann darin graben:

in "Rot ist mein Name" - in der Geschichte des osmanischen Reiches
in "Schnee" - in der Politik und Kultur
in "Museum..." im Augenblick..

und dennoch ist nicht alles Geschichte, Politik und Kultur - sondern der Autor sucht das Verbindende in den Kulturen.

Liebe Grüße
Maria
Schöne Grüße, Maria
Aktuell:

Christoph Hein: Glückskind mit Vater
Sigrid Nunez: Mitz. The Marmoset of Bloomsbury (ebook)


Jahresprojekt: Günter Grass + Franz Kafka
Harro Zimmermann: Günter Grass. Biographie
Franz Kafka: Briefe an Felice Bauer


Sie schaffen eine Wüste und nennen das Frieden ( Tacitus )
Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen (Johann Wolfgang v. Goethe)
Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe (Rainer Maria Rilke)
JMaria
Moderator
 
Beiträge: 16232
Registriert: Mo 31. Mär 2008, 11:07

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon steffi » Sa 5. Sep 2009, 16:34

Hallo !

Auch wenn du versucht hast, Petra zu motivieren, liebe JMaria. Bei mir hast du es geschafft :mrgreen: Ich bin nämlich gerade am überlegen, was ich lesen könnte und so fiel mir beim Lesen deines postings Pamuk ein. Ich habe ja noch die weiße Festung auf dem SUB - das wird mein nächstes Buch ! Danke !!!

(Ist aber auch zu verführerisch, wenn du auch noch Proust erwähnst ... )
Gruss von Steffi

:lesen:
Wolfgang Reinhard - Die Unterwerfung der Welt ( Langzeitprojekt)
Benutzeravatar
steffi
 
Beiträge: 5092
Registriert: Mi 2. Apr 2008, 12:56

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon JMaria » Sa 5. Sep 2009, 16:48

steffi hat geschrieben:Hallo !

Auch wenn du versucht hast, Petra zu motivieren, liebe JMaria. Bei mir hast du es geschafft :mrgreen: Ich bin nämlich gerade am überlegen, was ich lesen könnte und so fiel mir beim Lesen deines postings Pamuk ein. Ich habe ja noch die weiße Festung auf dem SUB - das wird mein nächstes Buch ! Danke !!!

(Ist aber auch zu verführerisch, wenn du auch noch Proust erwähnst ... )


Hallo Steffi,

das war dann wohl Telepathie. Nachdem ich den Beitrag geschrieben habe, bekam ich derart Lust darauf etwas von ihm zu lesen, dass ich mir ebenfalls die "Weiße Festung" herausgesucht habe.

Hast du gesehen, dass das Buch mit einem Zitat von Y.K. Karasomanoglu beginnt und "Marcel Proust" erwähnt wird? Ich habe das nun nicht ganz verstanden. Doch an Marcel Proust kommen wir einfach nicht vorbei. 8-)

Liebe Grüße
Maria
Schöne Grüße, Maria
Aktuell:

Christoph Hein: Glückskind mit Vater
Sigrid Nunez: Mitz. The Marmoset of Bloomsbury (ebook)


Jahresprojekt: Günter Grass + Franz Kafka
Harro Zimmermann: Günter Grass. Biographie
Franz Kafka: Briefe an Felice Bauer


Sie schaffen eine Wüste und nennen das Frieden ( Tacitus )
Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen (Johann Wolfgang v. Goethe)
Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe (Rainer Maria Rilke)
JMaria
Moderator
 
Beiträge: 16232
Registriert: Mo 31. Mär 2008, 11:07

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon JMaria » Mo 7. Sep 2009, 08:40

[Die weiße Festung]

Hallo Steffi,

hast du Lust für einen kleinen Austausch?

ach, ich fang einfach an:

die literarischen und philosophischen Anspielungen fallen ins Auge, nicht wahr? allerdings kommt meine Wissenslücke in Philosophie mal wieder zu tage. Mir entgeht bestimmt so einiges. Vielleicht kannst du ein paar Lücken füllen bzw. vielleicht ist dir etwas aufgefallen.

ich finde den Aufbau der Geschichte bereits wieder faszinierend. Eine äußere Geschichte (1982 findet jemand ein blaues Buch, ähnlich wie in "Der Name der Rose") und eine innere Geschichte. Außerdem spielt die äußere und innere Gestalt der beiden zwillingsähnlichen Personen eine Rolle.

und bereits zu anfangs verwischt Orhan Pamuk "Sein und Nichtsein" (nenne ich jetzt mal so), durch die Erinnerungsschrift:

Für Nilgün Darvinoglu (1961 -1980) ein guter Mensch, eine gute Schwester

(wirklich Pamuks Schwester?)

und in der Einführung erleben wir einen Erzähler, dem ein Manuskript in die Hände fiel und dieser stellt sich "Faruk Darvinoglu" vor. Doch alles fiktiv?

oder wie dieser Faruk sagt:
Nun, alle Dinge in wechselseitiger Beziehung miteinander zu sehen ist wohl die Krankheit unserer Tage...

Übrigens, der Name "Faruk" ist arabisch und bedeutet "Wer die Wahrheit von der Lüge unterscheiden kann."

und "Darvinoglu" = Sohn des Darwin.

eine Reminiszenz an die Naturwissenschaft, da der Erzähler der inneren Geschichte der Naturwissenschaft kundig ist?

Pamuk hat mich wieder von der erste Seite an gepackt.

achja, gleich zu anfangs, als der Erzähler im Kerker ist und einen spanischen Soldaten dem eine Hand fehlt, trifft, gibt es eine literarische Anspielung auf Miguel de Cervantes, der in der Schlacht von Lepanto 1571 seine linke Hand verlor und von da an "der Einhändige von Lepanto" genannt wurde.

ich bin auf S. 99 und immer deutlich wird ein Spiegelbild oder auch ein Vexierbild, eine wechselseitige Entwicklung der beiden Personen zu einer Person. Hochinteressant.

Liebe Grüße
Maria
Schöne Grüße, Maria
Aktuell:

Christoph Hein: Glückskind mit Vater
Sigrid Nunez: Mitz. The Marmoset of Bloomsbury (ebook)


Jahresprojekt: Günter Grass + Franz Kafka
Harro Zimmermann: Günter Grass. Biographie
Franz Kafka: Briefe an Felice Bauer


Sie schaffen eine Wüste und nennen das Frieden ( Tacitus )
Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen (Johann Wolfgang v. Goethe)
Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe (Rainer Maria Rilke)
JMaria
Moderator
 
Beiträge: 16232
Registriert: Mo 31. Mär 2008, 11:07

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon steffi » Mo 7. Sep 2009, 09:41

Hallo JMaria,

mann, du legst ja los ;) Ich hab grade mal ein paar Seitchen hinter mir (S.20)...

Das Proust-Zitat habe ich auch nicht ganz begriffen - und das mit der Schwester und dem Namen ist mir auch aufgefallen. Ich war ganz stolz auf mich :D

Allerdings aber:
Übrigens, der Name "Faruk" ist arabisch und bedeutet "Wer die Wahrheit von der Lüge unterscheiden kann."

und "Darvinoglu" = Sohn des Darwin.


das ist ja ein Ding - darauf wäre ich nicht gekommen, mir die Bedeutungen anzusehen. Gut, dass ich dich habe !!

Das "Wechselseitige" habe ich nun auf den Ost-West Konflikt bezogen, den Pamuk ja gerne thematisiert, aber das ist ja toll, dass sich das in den Personen widerspiegelt. Eigentlich wollte ich heute mit meiner Hoffmann-Biografie weitermachen, aber jetzt bin ich neugierig !
Gruss von Steffi

:lesen:
Wolfgang Reinhard - Die Unterwerfung der Welt ( Langzeitprojekt)
Benutzeravatar
steffi
 
Beiträge: 5092
Registriert: Mi 2. Apr 2008, 12:56

Re: Orhan Pamuk

Beitragvon Petra » Di 8. Sep 2009, 10:17

Hallo Maria und Steffi,

na, das lob ich mir: Mich überzeugen wollen und in Wahrheit Steffi anfixen! :mrgreen:

Vielen Dank Maria, für Deine Erklärungen was ich von "Das Museum der Unschuld" zu erwarten habe, bzw. was Orhan Pamuk mit dem Buch sagen will - und was nicht. Und auch wie ich "Das Museum der Unschuld" im Vergleich zu den anderen Büchern des Autors zu sehen habe.

Ich vermute, dass ich besser doch mit einem anderen Buch von Pamuk angefangen hätte. Denn so interessant das sicherlich auf der einen Seite sein mag, dass er hier den Faktor des Augenblicks verdeutlichen will, so schwer tue ich mich im Moment mit der Thematik. Ich verstehe, dass Dich und Steffi das mehr fasziniert, da es Eurer Leseerlebnis mit Proust auf eine eigene Art neu aufgreift. Das Thema Erinnerungen und Augenblicke ertieft.

Wahrscheinlich hätte mir jedoch ein Startthema bei Pamuk wie der Geschichte des osmanischen Reiches oder Politik und Kultur mehr gelegen. Denn eigentlich wollte ich etwas über die Türkei lesen und nicht über die Thematik, die Pamuk in "Das Museum der Unschuld" aufgreift.

Für mich ist das aber eine wertvolle Erkenntnis. Oder besser gesagt zwei Erkenntnisse. Erstens, dass ich doch nochmal genau überdenken muss, in welcher Form ich jetzt "Das Museum der Unschuld" weiterlese. Zweitens, dass mich bei den anderen Romanen von Orhan Pamuk eher das erwartet, was ich mir davon erhofft hatte.

Zumal, das will ich hier noch mal betonen: Das merkwürdige ist ja, dass mich jeder Autor - da es eben im Moment nicht mein Thema ist - schon längst entsetzlich gelangweilt hätte. Das tut Orhan Pamuk nicht. Obwohl sich Kemals Qual ständig und ständig und ständig wiederholt. Es ist dennoch sehr viel interessantes enthalten, über die Türkei, die Einstellung der Menschen in der Zeit dort und das Miteinander. Die Probleme etc.. Und überhaupt: Er ist einfach ein magischer Erzähler! Sonst hätte ich das Buch längst abgebrochen!

JMaria hat geschrieben:abwechslungsreich - das ist so ein Begriff, den jeder anders empfindet. Ich glaube, Pamuk möchte einfach "mehr" als nur Abwechslung in seine Romane bringen; er möchte erzählen wie ein Orientalist, mit dem Werkzeug der westlichen Kultur; möchte Gefühle, Politik, Geschichte verweben. Jedes seiner Bücher, die ich bisher von ihm las, fordert den Leser heraus, aber ich finde seine Art zu schreiben sehr genußvoll, denn er bietet mehr als nur eine unterhaltsame Geschichte, der Leser kann darin graben


Das empfinde ich auch so, dass er mehr möchte als nur abwechslungsreich sein. Umso mehr irritierte mich, dass er sich ständig wiederholte in seinen Beschreibungen, wie Kemal seinen Liebesqualen zu entkommen versucht - wenigstens für ein paar Augenblicke, z. B. wenn er Gegenstände in den Mund nimmt, die ihn an Fusün erinnern. Aber was dahinter steckt, erkennt man sicher erst zum Ende hin, wenn sich dieses ständige Wiederholen in eine Endlosschleife der Erinnerung und des Sehnens - wie Du so schön sagst - verliert. Dieses traumartige Gefühl, in das Du Dich dadurch reingelesen hast, kann ich nachvollziehen. Ein bisschen was griff schon auf mich über beim lesen, obwohl ich so weit ja noch nicht bin. Aber vielleicht liegt auch hier genau ein weiterer Grund, warum es mir im Moment noch schwer fällt die Geschichte an mcih zu lassen: Pamuk beschreibt Kemals Liebesqualen ja sehr eindringlich. Und man gerät selbst in einen fieberhaften Zustand, wie der liebeskranke Kemal. Das ist wirklich richtig, richtig gut gemacht!

ABER: Ich habe diesen Zustand selbst ja noch nicht so lange hinter mir. Du (auch einige andere hier) weißt ja, wie sehr ich um meine jetztige Beziehung kämpfen musste. Wie machtlos ich in dem Kampf manchmal war. Und welche Auswirkungen das auf meinen Seelenfrieden hatte: Mir ging es hundsmieserabel, ich war für nichts anderes mehr in der Lage als für die Gedanken daran, die mir aber dann nur meine restlichen Kräfte immer mehr raubten...

... will heißen: Mir ist das ein bisschen ZU (!) gut beschrieben! *g*
Mir setzt das beim lesen zu, was ja ein Kompliment an Orhan Pamuk ist. ;-)

Auch in einem anderen Punkt:

Maria hat geschrieben:Auf "Museum der Unschuld" trifft zu was Proust in "Die Verlorene Zeit" schreibt: Denn die wahren Paradiese sind die Paradiese, die man verloren hat."


Auch das hat mir zur Zeit noch zu direkt etwas mit meinem eigenen Leben zu tun. Denn Proust hat damit verdammt recht! Das erkennt man auch oft erst dann, WENN man diese Paradiese verloren hat. Umso schmerzlicher sind diese wertvollen Erinnerungen dann... hm...

Lösen möchte ich mich dennoch nicht von der Geschichte. Denn sie übt auch eine eigene Faszination auf mich aus. Pamuk fesselt. Wie auch immer ihm das gelingt, wenn einem nicht mal das Thema liegt ;-)

Aber Deinen Rat kann ich dennoch nicht beherzigen - leider! Du hast wohl recht, dass ich mir nach "Totengleich" "Das Museum der Unschuld" dann ganz vornehmen sollte. Und am Stück lesen. Aber ich bin mir in meinem Fall nicht sicher dass das helfen oder gar das Gegenteil bewirken würde. Ich fürchte eher das Gegenteil. Ich fürchte, dass ich dann diese ständige Wiederholung des Dilemmas, in dem Kemal sich befindet noch unerträglicher finden und abbrechen würde. Und abbrechen will ich es ja auch nicht.

Ach... ich weiß, ich bin schon ein schwieriger Patient! :mrgreen:

Mir kommt aber eine Idee! Ich könnte aufs Hörbuch umsteigen. Ich habe gerade mal ermittelt: Die Lesung von Ulrich Noethen (dem traue ich das auch zu) ist ungekürzt. Das wäre vielleicht eine gute Lösung für mich. Ich überlege mal. Und warte vielleicht auch erst mal ab was ich nach "Totengleich" lesen werde. Ist es ein TB, dann würde ich ja in der Mittagspause wieder "Das Museum der Unschuld" weiter lesen.

Noch eine Lösung wäre ein Weg den mir Anja (die Unsichtbare) vorgeschlagen hat. So könnte ich z. B. nach einem beendeten Buch (z. B. nach "Totengleich") für einen Tag oder auch für zwei "Das Museum der Unschuld" zwischenschieben, bis ich mich für ein neues Buch entschieden habe. So würde ich mal ein bisschen was am Stück darin lesen. Wer weiß, vielleicht bleibe ich dann ja dran hängen. Oder aber ich bin wenigstens ein gutes Stück weiter und kann dass wieder mal in Etappen lesen. Und dann wieder wenn ich erneut ein Buch beende, wieder für ein oder zwei Tage zu Pamuk greifen.

Du siehst: Ich bin unentschlossen! Zwar denke ich schon, dass sich für mich "Das Museum der Unschuld" für ein Häppchenweise lesen anbietet (wegen der kurzen Kapitel und weil ich irgendwie das Leseerlebnis so intensiv finde, dass ich immer wieder direkt drin bin. Aber auch weil ich wirklich eher fürchte es abzubrechen, wenn ich zu viel davon an einem Stück lese, da es eben nicht ganz mein Thema ist... bzw. auch Punkte berührt, die mir im Moment noch zu nahe gehen), aber ein wenig schneller würde ich schon gern damit durchkommen. Denn erst wenn ich es beendet habe, bin ich offen für andere Bücher türkischer Autoren. Und das möchte ich gern sein, da ich ja doch einiges vielversprechendes zu Hause liegen habe.

JMaria hat geschrieben:Vielleicht findest du noch einen Draht zum Erzählstil des Autors; es ist schon etwas besonderes.


Hier möchte ich noch mal sagen: Der Erzählstil von Orhan Pamuk ist es nicht! Der liegt mir - sehr sogar!!! Sonst hätte ich längst abgebrochen. In dem Fall ist es wirklich das Thema - und das hast Du mir mit Denen Erklärungen zu "Das Museum der Unschuld" verdeutlicht.

Orhan Pamuk bleibt für mich interessant! Und wenn ich dann irgendwann ein anderes Buch von ihm greife, achte ich mehr darauf, dass es eines der Themen behandelt, über die ich gerade gern mehr lesen möchte. Politik und Kultur oder die Geschichte des osmanischen Reiches oder was Ihr gerade so über "Die weiße Festung" schreibt, Ost-West-Thematik... über eben diese Dinge würde ich mir von Pamuk mehr erzählen lassen...

Danke fürs verdeutlichen - das hat mir sehr geholfen mein Leseerlebnis mit Orhan Pamuk besser einzuschätzen! Ist Dir gut gelungen!
Liebe Grüße,
Petra


Ich lese gerade: :lesen:
Percival Everett - James (HC)
Benjamin Stevenson - Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (ebook)

Ich höre gerade: :kopfhoerer:
-

Buecher4um
Hoerbuecher4um
Seifen4um
Petras SeifenKUNST
Benutzeravatar
Petra
Administrator
 
Beiträge: 14297
Registriert: Do 27. Mär 2008, 13:34

VorherigeNächste

Zurück zu Diskussionsforum

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 258 Gäste