William Somerset Maugham

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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon JMaria » Fr 22. Jan 2010, 20:37

Hallo Petra,

das nenn ich Recherche. Klasse!
Ich dachte mir schon, dass dir dieser Satz "Der Hund war's der dran starb" auffällt bzw. dass du nicht einfach darüber hinweg liest.

Ich habe ja den "Landprediger von Wakefield" in meinem Bücherregal stehen und habe dir die Übersetzung mal herausgeschrieben. Ist zwar jetzt nicht mehr notwendig, da dir Arno bei der Übersetzung half, doch dann hat man es auf einen Blick:

Elegie

Auf den Tod eines tollen Hundes

Ihr guten Leute kommt herbei,
Horcht alle meinem Gang!
Und findet ihr, daß kurz er sei,
Währt er euch nicht zu lang.

In Islington war einst ein Mann,
Geliebt von Jung und Alt,
Der wandelte des Himmels Bahn,
Wenn er zum Beten wollt' !

Für Feind' und Freunde allezeit
Sein Herz mitleidig schlug;
Oft gab er Nackten schon sein Kleid,
Eh' er's noch selber trug.

Auch war in jener Stadt ein Hund;
Denn wie an jedem Ort
Gab's Pudel, Möpse, Hühnerhund'
Und Windspiele auch dort.

Erst waren Freunde Hund und Mann,
Als plötzlich ohne Grund
Sich zwischen beiden Streit entspann;
Da biß den Mann der Hund !

Sogleich verbreitet sich die Kund',
Es strömt das Volk heran;
Da hieß es: Toll ist dieser Hund,
zu beißen solchen Mann!

Die Wunde eiterte und schwoll,
Wie sie mit Aug'n sah'n;
Sie schwuren all', der Hund sei toll,
Und sterben müßt' der Mann.

Doch welches Wunder schaute man !
Es schwieg der Lügner Mund;
Von seiner Wund' genas der Mann,
Dagegen starb der Hund.


Petra hat geschrieben:Maugham schrieb im Vorwort ja, dass ihn Dantes „Inferno“ zu diesem Buch inspiriert habe. Ich wäre sehr neugierig darauf, was Kenner von Dantes „Inferno“ dazu zu sagen haben. Maria, Du schriebst schon mal was von einer Umkehrfunktion. Maugham schreibt über Dantes „Inferno“, dass dort der Mann seine Frau in den Tod lockt, richtig? Sie also umbringt. Walter macht hier ja einen Rückzieher als er sie wegschickt, als sie schwanger ist (auch wenn sie freiwillig dann nicht mehr gehen mag) und stirbt selbst. Das ist ja eigentlich schon die Umkehrfunktion. Aber vielleicht hast Du dazu noch mehr Gedanken, die ich ansonsten verpasse, weil mir Dantes „Inferno“ nicht geläufig ist – nur in dem kurzen Abriss aus Maughams Vorwort. Deine Gedanken dazu würden mich interessieren!



Walter gab ja Kitty keine direkte Antwort, als sie ihn fragte, warum er sich verachtete, er der treue Mensch mit edler Gesinnung. Der Punkt ist, dass er Kitty eigentlich eine Buße für ihre Sünde aufzwang. Sie hat sich dem gestellt, hat sich weiter entwickelt. Er dagegen ist am Ende immer noch treu und anhänglich wie ein Hund, aber er konnte ihr nicht verzeihen oder vielleicht konnte er sich selbst nicht verzeihen. Er bleibt so unbeweglich in seinen Ansichten. Somit ist der Tod die einzige Antwort, die er ihr geben kann.

Das habe ich mir aus der Geschichte herausgeholt.

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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon steffi » Sa 23. Jan 2010, 18:59

Ui, Petra, da hast du aber eine tolle Recherche und Interpretation hingelegt !! Das ist das Vergnügen bei Klassikern ;) Leider kann ich nicht sehr viel dazu beitragen, weil ich ja das Buch noch nicht kenne.

So wie ihr es schildert, kann sich Walter nicht weiterentwickeln, so wie es wohl ein Hund auch nicht kann. Er lebt evtl. in seinen starren Grundsätzen, die sich nicht an die Gegebenheiten anpassen. Hier könnte auch auf den Viktorianismus eine Spitze versteckt sein, denn esüberleben die Menschen, die sich vom Alten lossagen. Im Prinzip war der Wandel zwischen Alt und Neu ein sehr großes Thema im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Maugham thematisiert das ja immer wieder.
Gruss von Steffi

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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon Rachel » So 24. Jan 2010, 13:22

Hallo Petra,

klingt wirklich sehr gut, was Du über Maugham und den bunten Schleier schreibst, auch wenn ich vieles wegen der Spoiler nur überflogen habe.

Ich möchte von Maugham in diesem Jahr ja unbedingt noch "Mrs. Craddock" lesen. Und "Der bunte Schleier" habe ich mir gestern als englisches, ungekürztes Hörbuch von meinem Audible-Abo gegönnt. Darauf freue ich mich ebenfalls schon sehr. Die Hörprobe hat mir zumindest schon einmal sehr gut gefallen. :)
Liebe Grüße,
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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon JMaria » So 24. Jan 2010, 17:54

steffi hat geschrieben:So wie ihr es schildert, kann sich Walter nicht weiterentwickeln, so wie es wohl ein Hund auch nicht kann. Er lebt evtl. in seinen starren Grundsätzen, die sich nicht an die Gegebenheiten anpassen. Hier könnte auch auf den Viktorianismus eine Spitze versteckt sein, denn esüberleben die Menschen, die sich vom Alten lossagen. Im Prinzip war der Wandel zwischen Alt und Neu ein sehr großes Thema im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Maugham thematisiert das ja immer wieder.


Hallo Steffi
lossagen vom Viktorianismus - ein toller Gedanke! Darauf wäre ich nicht gekommen, jetzt im Nachhinein kann ich das nachvollziehen.

@Rachel,
viel Freude beim Hören. :-)

Liebe Grüße
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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon steffi » So 24. Jan 2010, 19:13

Rachel hat geschrieben: Und "Der bunte Schleier" habe ich mir gestern als englisches, ungekürztes Hörbuch von meinem Audible-Abo gegönnt. Darauf freue ich mich ebenfalls schon sehr. Die Hörprobe hat mir zumindest schon einmal sehr gut gefallen. :)

Super !! Ich wünsche dir ebenfalls viel Spaß !
Gruss von Steffi

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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon Petra » So 24. Jan 2010, 23:08

Hallo zusammen,

inzwischen habe ich "Der bunte Schleier" beendet und bin davon nach wie vor wirklich begeistert! Hier meine :arrow: Rezension zu dem Buch, die aber bei Weitem nicht all meine Empfindungen widerspiegeln kann.

Rachel, das ist ja toll, dass Du Dir diesen Maugham als ungekürzte (englische) Lesung gegönnt hast! Ich bin auf Deine Eindrücke dazu sehr gespannt und ich hoffe, dass all das was Maugham in diesen Roman gelegt hat, im Hörbuch transportiert werden kann. Es hat mich wirklich hingerissen - auf ganz vielen Ebenen.

Euch, Maria und Steffi, vielen Dank für Eure Worte zu meiner Recherche und Interpretation. Daran sieht man sicherlich, wie sehr mich Maugham gepackt hat. Ganz besonders mit diesen einen Satz. Maria, Du hattest ganz recht vermutet, dass der mir auffallen würde - schön, dass Du das so richtig eingeschätzt hast.

steffi hat geschrieben:Hier könnte auch auf den Viktorianismus eine Spitze versteckt sein, denn esüberleben die Menschen, die sich vom Alten lossagen. Im Prinzip war der Wandel zwischen Alt und Neu ein sehr großes Thema im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Maugham thematisiert das ja immer wieder.


Hiermit lieferst Du einen sehr interessanten und - wie mir scheint - richtigen Aspekt. Danke für diesen Gedanken - sehr wertvoll!

Maria hat geschrieben:Walter gab ja Kitty keine direkte Antwort, als sie ihn fragte, warum er sich verachtete, er der treue Mensch mit edler Gesinnung. Der Punkt ist, dass er Kitty eigentlich eine Buße für ihre Sünde aufzwang. Sie hat sich dem gestellt, hat sich weiter entwickelt. Er dagegen ist am Ende immer noch treu und anhänglich wie ein Hund, aber er konnte ihr nicht verzeihen oder vielleicht konnte er sich selbst nicht verzeihen. Er bleibt so unbeweglich in seinen Ansichten. Somit ist der Tod die einzige Antwort, die er ihr geben kann.

Das habe ich mir aus der Geschichte herausgeholt.


Auch das ist eine sehr schöne und stimmige Zusammenfassung, die ich voll und ganz unterschreiben kann. Besonders gefällt mir Dein daraus gezogener Schluss, dass diesem unbeweglichen Charakter nur der Tod als Antwort auf Kittys Bitte blieb.

steffi hat geschrieben:Ui, Petra, da hast du aber eine tolle Recherche und Interpretation hingelegt !! Das ist das Vergnügen bei Klassikern


Ja, wobei ich das gar nicht auf Klassiker beschränken möchte. Bedenke z. B. was Ihr (Du und Maria) alles bei Uwe Tellkamps "Der Turm" gefunden habt. Mir kommt sowas auch bei zeitgenössischer Literatur vor. So z. B. bei Jacques Chessex' Der Vampir von Ropraz, da drängte es mich zur Recherche wegen einer dichterischen Freiheit die sich der Autor herausnahm.

Maria, dass Du "Landprediger von Wakefield" in Deinem Regal stehen hast und Dir die Mühe gemacht hast, die Elegie in deutscher Übersetzung hier zu zitieren, finde ich ganz große klasse! Zumal mich die nie mehr ganz verlassen wird, da mich der Satz bei Maugham so unsagbar angerührt und angesprochen hat. Eine tolle Ergänzung hier zu unserem Thread und dem Diskussionsfaden zu "Der bunte Schleier".

Ich stehe immer noch unter dem Einfluss der Geschichte. Sie wird mich noch eine Weile verfolgen. Maugham hat großen Eindruck auf mich gemacht!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon steffi » Mo 25. Jan 2010, 10:47

Petra hat geschrieben:
steffi hat geschrieben:Ui, Petra, da hast du aber eine tolle Recherche und Interpretation hingelegt !! Das ist das Vergnügen bei Klassikern


Ja, wobei ich das gar nicht auf Klassiker beschränken möchte. Bedenke z. B. was Ihr (Du und Maria) alles bei Uwe Tellkamps "Der Turm" gefunden habt. Mir kommt sowas auch bei zeitgenössischer Literatur vor. So z. B. bei Jacques Chessex' Der Vampir von Ropraz, da drängte es mich zur Recherche wegen einer dichterischen Freiheit die sich der Autor herausnahm.


Ja, liebe Petra, da hast du vollkommen Recht ! Ich glaube, weil ich nur selten an solche guten zeitgenössischen Romane komme, fielen mir bloß die Klassiker ein.
Gruss von Steffi

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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon Petra » Mo 25. Jan 2010, 11:23

Hallo Steffi,

das ging mir auch so durch den Kopf. Bei Klassikern ist es ja einfacher auf was Gehaltvolles zu stoßen, da eine Selektion ja längst stattgefunden hat. Bei zeitgenössischer Literatur ist es schwer das herausragendes zu entdecken, da diese kleinen Juwelen noch in der Masse untergehen und die Zeit erst zeigen wird, was Bestand haben wird. Aber ich selbst habe inzwischen ein gutes Händchen für wirklich gute zeitgenössische Literatur entwickelt. Und da bin ich auch froh drüber, denn darunter gibt es auch ganz enorme Schätze.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon Petra » Mo 25. Jan 2010, 14:48

Abermals Hallo zusammen,

ich habe beim Diogenes Verlag angefragt wann der Nachdruck von "Der Menschen Hörigkeit" wohl voraussichtlich erhältlich sein wird. Geplant sei er für Herbst/Winter 2010/2011. Aber unter Vorbehalt.

Ganz liebenswerter Weise bekomme ich ein noch übriges Exemplar des Buchs von Diogenes zugesandt. Ihr glaubt mich, wie ich mich freue - auf den Nachdruck brauche ich somit nicht warten! :D
Liebe Grüße,
Petra


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Re: William Somerset Maugham

Beitragvon steffi » Mo 25. Jan 2010, 17:55

Superservice, Petra !! Ich freu mich mit :D
Gruss von Steffi

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