Markus Walther: Buchland
Vorab schon mal: Ich habe das Buch schon einmal gelesen. Da ich mit dem zweiten Teil - Beatrice - Rückkehr ins Buchland - an einer Leserunde teilnehme, habe ich es mir noch einmal vorgenommen.
Und wie schon beim ersten Mal, hat mich der erste Satz wieder voll erwischt.
Die Bücher um mich herum, die sich unter einem staubigen Mantel zu verbergen suchten, schienen leise zu wispern.
Und irgendwie kann ich diesen ersten Satz nicht alleine stehen lassen, denn die folgenden gehören unbedingt dazu:
Sie erzählten sich ihre Geschichten, während sie darauf warteten, einen unschuldigen Leser zu finden, in den sie ihre Saat pflanzen konnten.
Sie offenbarten Welten, die für kommende Generationen eingefangen und ihnen zwischen die Seiten gepresst worden waren. Sie verschenkten gerne die Gedanken, die bedeutungsschwer mit Tinte aus der Feder geflossen waren.
Ich selbst saß an meinem Sekretär, hatte einen großen Folianten aufgeschlagen und folgte den handgeschriebenen Zeilen mit meinem Zeigefinger. Der weiße Stoff des Handschuhs trennte meine Haut von dem Pergament.
Buchstaben, Worte, Zeilen. Sie entführten mich in eine andere Zeit, lange vergangen.
(Markus Walther möge mir bitte verzeihen, aber wenn er wüsste, wie sehr ich solche Bücher liebe, lässt er mich mal gewähren.)
So beginnt der verstaubt wirkende Antiquariatsbuchhändler Herr Plana zu erzählen. Er hat gleich einen Termin mit einer jungen Frau. Beatrice Liber kommt wegen eines Bewerbungsgesprächs. Nachdem sie ihm einige Seiten aus "Die 1,000,000 Pfundnote und andere humoristische Erzählungen und Skizzen von Mark Twain" vorgelesen hat, hat sie den Job und soll am kommenden Tag pünktlich eintreffen.
In der Umgebung von Planas Antiquariat sieht es trostlos aus. Wegen der Discountläden in den Industriegebieten schließen die kleinen Geschäfte eins nach dem anderen. Bäcker und Metzger sind schon verschwunden. Heute verlässt Frank, der Friseur, die Gegend.
Als Beatrice pünktlich eintraf, wollte Plana mit ihr das Schaufenster neu dekorieren. Doch seine Beine machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Und so ließ er sich ein Stündchen von Beatrice vorlesen.
So ganz hatte Beatrice ihre Nervosität noch nicht abgelegt. Und mit ihrem schwarzen Rock und der grauen Bluse glich sie eher einer grauen Maus. Doch als Plana sie fragte, wie sie das Schaufenster neu dekorieren würde, kam sie aus sich heraus.
Einen Tag lang brauchte sie, um ein kleines Sortiment zusammenzustellen. Mithilfe eines Maschinentelegraphen fand sie Titel und Autoren. Die Bücher sollte sie laut Herrn Plana alle im Keller finden. Er wollte derweil in seinem Ohrensessel auf sie warten. Er ließ seine Gedanken wandern, bis er plötzlich aufschrak. Beatrice stieß die Tür auf und kam keuchend hinein. Sie stolperte und die Bücher fielen auf den Boden und gingen teilweise kaputt. Was sie so erschreckt hat? Ein Manuskript, das sie im Keller auf einem Tisch liegen sah. Sie hat es selbst geschrieben. In ihrer Buchhandlung, die sie schließen musste. Niemand wusste davon. Und nun lag es hier. Oder hat sie sich geirrt? Sie hat sich so erschrocken, dass sie gegen ein Regal stieß, was einen Dominoeffekt auslöste.
Plana gab ihr die Bücher zurück, die plötzlich wieder wie neu aussahen und machte sich auf in den Keller.
Dort blieb er bis zum Abend und konnte seinen Gedanken nachhängen.
Die ich hier am liebsten zitieren möchte, aber das wäre dann wohl doch zu viel des Guten.
Im Prinzip geht es darum, was für Müll sich heute viele Leser vorsetzen lassen. Obwohl ein sogenannter Bestseller nicht automatisch ein gutes Werk sein muss. Und dass es schwierig ist, unter der Masse die wirklich guten Perlen zu entdecken.
Recht hat Herr Plana. Jeder Hans und Franz kann doch heute ein E-Book ins Internet laden. Und ich kann mir vorstellen, dass die meisten Ergüsse nicht mal lektoriert oder zumindest die Rechtschreibung geprüft wurde. Ich habe da schon so meine Stichproben gemacht.