Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon mira » Mo 8. Mai 2017, 18:01

:lesen: Ich lese gerade Wolf hetzt die Meute von Martin Schöne als Buch. :buch: Und als Ebook lese ich der Bücherwurm von Wolfgang Doll, in diesem Buch handelt es sich um eine Gedichte Sammlung. Ein paar Gedichte habe ich schon gelesen und fand sie sehr witzig.
Liebe grüsse von Mira
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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon JMaria » Mi 10. Mai 2017, 08:09

Den seltsamsten, aber ganz wunderbaren, märchenhaft-realistischen Roman den ich in diesem Jahr gelesen habe:

Vladimir Sorokin: Der Schneesturm

Die Geschichte spielt in einem Russland das eine Mischung zwischen Zukunft und 19. Jahrhundert ist. Es gibt "Groß- und Kleinmenschen" (Riesen und Zwerge), neuartige Drogen, eine geheimnisvolle Epidemie und ein Arzt der es eilig hat mit seinem Impfstoff zu diesem Ort zu kommen. Nur macht die Natur und seine menschliche Schwächen ihm einen Strich durch das Unternehmen, auch haben es alle überhaupt nicht eilig, nur er selbst und er wird regelrecht entschleunigt. Natürlich spielt ein Schneesturm eine Rolle.

Wunderbar erzählt !
Schöne Grüße, Maria
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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon YvonneS » Mi 10. Mai 2017, 10:44

Beendet habe ich den Roman „Eine englische Ehe“ von Claire Fuller. Der Roman erzählt zum einen vom gescheiterten Lebensmodell von Ingrid, die eigentlich unabhängig leben wollte, jedoch mehr oder weniger unfreiwillig in ein Leben als Ehefrau und Mutter geschubst wird. Ihr Ehemann ist ein um einige Jahre älterer Literaturprofessor, der sich schnell als treu- und verantwortungslos entpuppt. Außerdem sammelt er Bücher, die mit Anmerkungen oder sonstigen Hinterlassenschaften der jeweiligen Leser versehen sind, eine kostspielige und platzraubende Manie. Ingrid verschwindet irgendwann und was bleibt, sind ihre Briefe, die sie an ihren notorisch abwesenden Ehemann geschrieben und in diversen thematisch passenden Büchern seiner umfangreichen Sammlung versteckt hat. Diese Bücher werden auch namentlich genannt und am Ende des Buches nochmals in einer Liste zusammengefasst.

Erzählt wird die Geschichte in zwei Handlungssträngen, der eine Strang sind Ingrids Briefe, die sie im Jahr 1992 schreibt, der andere Handlungsstrang spielt Jahre später und dreht sich um die mittlerweile erwachsenen Töchter Flora und Nan und den nun todkranken Vater. Hier wird deutlich, wie das Verschwinden der Mutter, das nie aufgeklärt wurde, das Leben der Töchter beeinflusst hat.

Mir hat dieser nachdenkliche, sehr ruhig erzählte und von einer leisen Melancholie durchzogene Roman sehr gut gefallen. An einem Ranking als TOP-Buch ist er knapp vorbeigeschrammt, da er doch die eine oder andere Länge hatte und ich mir gerade bei den Töchtern etwas mehr psychologische Tiefe in der Figurenzeichnung gewünscht hätte.
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon Petra » Do 11. Mai 2017, 13:50

Hallo zusammen,

atemlos habe ich „Das kalte Blut“ zu Ende gelesen. Ich trenne mich nur ungern von den Figuren, haben sie mich doch durch eine lange Zeit begleitet auf den 1200 Seiten. Ich werde mich gewiss noch lange an sie erinnern. Und an diese unglaublichen Ereignisse, die sie in dem Roman durchlebt haben. Umso unglaublicher, weil all das Unglaubliche darin Tatsachen sind. Nicht das Leben von Koja, Hub und Ev, die sind frei erfunden. Nicht aber die Ereignisse, die ihr Leben streifen (verwüsten, das trifft es eher!), die sind traurige Wahrheit.

Sind einem die vielen historischen Einzelheiten auch unterschwellig bewusst (man liest hier einen Artikel, sieht dort eine Dokumentation), so erfassen sie einen beim Lesen des Romans in ihrer ganzen gesamten Wucht. Eine Wucht die sich aus den Zusammenhängen dieser historischen Einzelteile zusammenbraut, und einen schier umhaut.

Besonders nun auch der vierte und letzte Teil Schwarzrotgold, der sich mit der Zeit der Gründung der BRD auseinandersetzt, raubt jede Illusion. Das Wegschauen hört nicht auf, die Lügen gehen weiter – auf nahezu allen Ebenen! Und an Kojas Beispiel gelingt es zu verstehen, warum selbst die, die es womöglich erkannt haben, es haben geschehen lassen. Die eigene Haut will geschützt sein. Wer Koja begleitet hat, versteht das umso mehr.

Das dem Buch vorangestellte Zitat („Es gibt kein Geheimnis, das die Zeit nicht enthüllt“) von Jean Racine bewahrheitet sich in vollem Umfang. Sowohl was die dreckigen Lügen und Vertuschungen der Regierung und der Machtinhaber (alter wie neuer – und wie das Buch zeigt, ist alt und neu oft auch gar nicht zu trennen) angeht, als auch die Lügen und Täuschungen in die sich Koja verstrickt.

Parallel habe ich vieles nachgeschlagen. Z. B. einen Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1969, den Chris Kraus in seinem Roman sogar etwas später erwähnt, in dem es um die Ungeheuerlichkeit der Gesetzesänderung geht, die die Verurteilung der meisten (Mit-)Täter unmöglich machte. Doch so anschaulich, wie es in Chris Kraus‘ Roman erzählt wird, kann ein sachlicher Artikel es nicht schildern.

Neben der Fülle (so prall!) der historischen Ereignisse und Hintergründe (aus 80 Jahren deutscher/europäischer Geschichte), die hier offengelegt werden, hat mir die ausgesprochen unterhaltsame und intelligente Art gefallen, in der sie dem Leser offenbart wird.

Und noch etwas hat mir sehr imponiert: Chris Kraus spielt gern mit seinen Figuren, lässt sie manchmal ein absurdes Verhalten an den Tag legen. Man erkennt darin eine schelmische Überspitztheit. Diese macht jedoch noch deutlicher, wie wahrhaft absurd die realen Ereignisse sind, von denen hier berichtet wird. Die Machthaber (zu allen Zeiten) machen was sie wollen, und geben sich nicht mal große Mühe dabei. Täuschungen wie in billigen Zaubertricks. Dass sie aufgedeckt werden könnten ist Nebensache, solange die verfolgten Ziele erreicht werden. Dagegen ist alles andere, was Chris Kraus in seinem Roman hinzu fabuliert, nahezu glaubhaft! Und unterstreicht all die wirklich geschehenen Ungeheuerlichkeiten nur noch deutlicher.

Tolles Buch! :bravo:

Nun habe ich "Warten" von Ha Jin begonnen. Ein Buch, das ich schon so lange lesen wollte, es interessiert mich stark. Und ich liebe das Cover!

@Yvonne: Deinen Bericht habe ich gerne gelesen, Yvonne! Und Du hast mich gleich dazu verleitet, mal einen Blick ins Buch bei Amazon zu werfen. Besonders die angehängte Bücherliste interessiert mich, ich hatte Glück, sie ist in der Leseprobe enthalten.

Hast Du Dich schon für einen neuen Lesestoff entschieden?

@Maria: Das klingt wirklich seltsam und anziehend zugleich, Maria. Vermerke ich mir mal zum lesen, aber für den Winter.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon steffi » Do 11. Mai 2017, 17:11

JMaria: das klingt sehr verlockend, was du über Vladimir Sorokin: Der Schneesturm erzählst. Könnte was für mich sein, allerdings wäre mir auch erst wieder im Herbst nach Schneesturm :breit_grins:

Yvonne: dein Bericht macht mich auch sehr neugierig auf Eine englische Ehe von Claire Fuller. Normalerweise ist das ja so gar nicht mein Beuteschema, aber als ich beim Stichwort Melancholie angekommen bin ... Ich werde es auf meine Wunschliste setzen.

Petra: Auf Das kalte Blut hast du mich jetzt aber endgültig neugierig gemacht. Bisher dachte ich, ich muss es nicht unbedingt lesen, aber deine Begeisterung steckt an ! Danke für den ausführlichen Bericht, es kommt ebenfalls auf meine Wunschliste !

Ich habe heute Die Frau aus Alexandria (Thomas Pitt) von Anne Perry beendet. Neben dem, ich nenne es mal "harten Stoff" von Der schmale Pfad durchs Hinterland, musste ich etwas leichtes lesen. Wie gewohnt eine schöne Atmosphäre und ein überraschendes Ende.

Jetzt habe ich Kinder der Nacht von Dan Simmons begonnen, es soll ein Vampirthriller der anderen Art sein.
Gruss von Steffi

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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon Petra » Fr 12. Mai 2017, 14:48

In “Warten“ schildert Ha Jin die Geschichte dreier Menschen. Die des Militärarztes Lin Kong, seiner Ehefrau Shuyu und die seiner Geliebten Manna Wu. Lin hat auf Drängen seiner Eltern hin Shuyu aus Zweckgründen geheiratet, liebt diese aber nicht. Sie pflegt Lins Mutter im Dorf, während er in der Stadt als Militärarzt arbeitet. Dort lernt er Manna Wu kennen und die beiden verlieben sich ineinander. Lin will ich Scheidung, um mit Manna Wu zusammen leben zu können, was in China in der Zeit kurz nach der Kulturrevolution (die Handlung beginnt in den 60er Jahren) nur möglich ist, wenn man verlobt oder verheiratet ist. Scheidung ist in China in dieser Zeit keine bloße Formalität, sondern die Grundlage die vonnöten ist, um ein neues freies Leben führen zu können (selbst Treffen sind untersagt). Doch jedes Jahr, wenn Lin in seinem kurzen Urlaub ins Dorf fährt, um die Scheidung zu erwirken, scheitert der Versuch, da seine Frau nicht einwilligt.

Alle drei stehen vor einem Dilemma, das ist von Beginn an klar, und wird mit fortschreiten der Handlung noch deutlicher. Die willkürlichen Vorschriften und Gesetzgebungen im China dieser Zeit legen den Menschen ein ganz enges Korsett an. Die Menschen fügen sich in die von oben vorgeschriebenen Gegebenheiten, weil sie es müssen. Dem schaut der Leser hilflos zu. Und wird mit den Figuren gemeinsam immer trauriger.

Ha Jin lässt den Leser die Handlung als stillen Beobachter verfolgen. Es geht nur um ein zuschauen, wie die drei sich dem System fügen (müssen). Ha Jin erklärt die Hintergründe der Vorschriften nicht, was gut ist! Denn die Sinnlosigkeit dieser Vorschriften offenbart sich am besten im bloßen Handeln der Figuren, innerhalb der ihnen von oben gesteckten Grenzen. Und wie unfrei und unglücklich diese Willkür das Volk, die Menschen macht, wird spürbar.

Ich bin gespannt aufs weiterlesen. Bin jetzt schon gefangen von der Situation, in der die drei im wahrsten Sinne des Wortes feststecken. Ich frage mich: wer hat etwas davon, dass sich diese drei (die ja nur ein Beispiel sind für so viele) so quälen? Welchen Nutzen bringt das? Eine spürbare Sinnlosigkeit, von den Machthabern verordnet.

@Steffi: Dass ich Dich mit meinem abschließenden Bericht auf „Das kalte Blut“ neugierig machen konnte, freut mich sehr! Sagen kann ich auch: es wird an keiner Stelle langweilig, trotz des gewaltigen Umfangs des Buches. Man mag am liebsten nicht aufhören zu lesen. So bietet es beides: Viele Informationen und viel Lesespaß!

Dass Du nach „Der schmale Pfad durchs Hinterland“ erst mal etwas leichtes lesen musstest, kann ich gut verstehen! Und ein Krimi in gemütlicher Atmosphäre ist da genau das richtige!

Auch Dan Simmons ist ein toller Lesestoff; da erinnerst Du mich daran, dass ich von ihm längst schon mal was lesen wollte. Außer „Drood“, das ich als Hörbuch hörte, kenne ich von ihm noch nichts, aber es interessiert mich einiges.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon Barbara » So 14. Mai 2017, 14:02

Liebe Petra,

ein sehr interessantes Buch, dass Du Dir da gewählt hast. Die Thematik, die oberflächlich gesehen eher an einen trivialeren Hintergrund erinnern könnte und bei tieferem Blick jedoch die Abgründe der menschlichen Emotionen und Seelen offenbaren wird. Die Liebe, die Menschen durchaus für den Rest ihres Lebens zerstören kann. Wie schlimm, wenn äußere Umstände es verhindern können, dass zwei Herzen zusammenfinden dürfen. Und wie bitter, wenn man es nicht schafft, sich aus einem, von außen auferlegten, Korsett befreien zu können.

Ich bin gespannt, was Du weiter darüber berichten wirst.

Ein sehr trauriges Thema. Ich hoffe das Buch ist hoffnungsvoll in seiner Entwicklung des Plotts.
"Das Lesen eines Buches ist die Zwiesprache mit der eigenen Seele!"
B.H.

Liebe Grüße
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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon Barbara » So 14. Mai 2017, 15:10

Momentan lese ich Becks letzter Sommer von Benedict Wells.

Das Buch wird bei uns im Rahmen der literarischen Aktion: Eine Stadt liest ein Buch gelesen. Hierzu gibt es in einem bestimmten Zeitraum an verschiedenen Tagen und verschiedenen Orten ganz unterschiedliche Veranstaltungen. Das können Lesungen, Diskussionen oder Darbietungen sein.

Der Inhalt wird bei Amazon wie folgt beschrieben:
Ein liebeskranker Lehrer, ein ausgeflippter Deutschafrikaner und ein musikalisches Wunderkind aus Litauen auf dem Trip ihres Lebens, von München durch Osteuropa nach Istanbul. Unter den Fittichen eines alternden Folkstars und seiner unsterblichen Songs. ›Becks letzter Sommer‹ ist Künstlerroman, Roadmovie und Odyssee durch die Anfechtungen von Genialität und Mittelmaß.


Diese Beschreibung wird dem Buch nicht gerecht. Sie lässt das Buch ins eher Triviale abdriften. Auch wenn sich die Geschichte leicht und schnell liest, so ist sie durchaus tiefgründig. Wells durchleuchtet die menschlichen Persönlichkeiten bis ins Innerste. Und in der einen oder anderen Person, kann sich der Leser selbst wiederfinden und sich selbst mit Blick auf sein eigenes Leben hinterfragen.

De Frage nach der eigenen Mittelmäßigkeit oder die Frage danach, was man aus seinem Leben gemacht hat oder sogar hätte machen können, hat sicherlich jeden schon einmal beschäftigt.
"Das Lesen eines Buches ist die Zwiesprache mit der eigenen Seele!"
B.H.

Liebe Grüße
Barbara
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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon Petra » So 14. Mai 2017, 17:20

Liebe Barbara,

da Ha Jin in seinem Roman “Warten“ aufzeigen möchte, welches Leid die Ideologie Mao Zedongs über China gebracht hat, und wie unfrei und traurig die Menschen unter seiner Diktatur wurden, erwarte ich keinen guten Ausgang der Geschichte zwischen Lin Kong und Manna Wu.

Ein Zitat aus dem Buch drückt ihre bizarre Situation gut aus: „Sie hatte gewartet, gewartet, nur auf einen Anfang oder ein Ende zwischen ihnen.“ Es ist alles klar zwischen den beiden: Lin ist unglücklich und unfreiwillig verheiratet, und wünscht sich Manna Wu an seine Seite. Manna Wu wünscht das gleiche. Doch sie dürfen keinerlei Beziehung außer einer freundschaftlichen eingehen, und selbst die bringt Probleme (Misstrauen und Auswirkungen im Beruf) mit sich. Dürfen sich außerhalb des Militärkrankenhauses nicht treffen. Würden sie erwischt, wäre ihr Leben ruiniert. Arbeitsstelle weg, finanzieller Ruin, und Versetzung an einen entlegenen Ort, so dass ein Wiedersehen (geschweige denn eine gemeinsame) Zukunft nicht möglich wäre. Widersetzen hat keinerlei Aussichten auf Erfolg, in einem solchen Regime.

Ein interessantes Buch! Ha Jin lädt mich damit ein, mehr wissen zu wollen über die Hintergründe (hier habe ich einen interessanten Artikel entdeckt – kurz und aufschlussreich). Was Mao seinerzeit dazu bewegt hat, solch eine Ideologie zu entwickeln. Und wieder stoße ich dabei auf die Oktoberrevolution in Russland, auf den Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Und welches Leid damit über die Menschen gebracht wird. In Europa (mein vorheriges Buch „Das kalte Blut“ beschäftigte sich mit dem Thema), in China (wie „Warten“ eindringlich zeigt). Dieses Buch fügt sich somit thematisch an mein vorheriges, das war gar nicht beabsichtigt. Aber so ist es oft mit den Bücher, sie suchen und finden einen zur rechten Zeit.

Die Geschichte von Lin Kong und Manna Wu folgt einer Logik, die sich einzig aus der politischen Ideologie heraus erklären lässt. Nicht aber aus der natürlichen Logik heraus nachvollziehbar ist. Die natürliche Logik würde es so vorsehen, dass die beiden Liebenden zueinander finden, ihre Liebe ausleben. Die Logik der politischen Ideologie verhindert das auf absurde Weise. Das allein zeigt schon, wie falsch und fatal solche Ideologien sind.

Über Deinen Bericht über “Becks letzter Sommer“ habe ich mich sehr gefreut! Du weckst Neugierde auf das Buch, die Figuren und die Themen. Über den Autor habe ich schon einiges gutes gehört. Besonders toll finde ich die Aktion „Eine Stadt liest ein Buch“. Ich stelle mir das sehr inspirierend vor, die verschiedenen Orte aufzusuchen um gemeinschaftlich dem Buch zu folgen und mich darüber mit anderen auszutauschen. Toll, dass Du teilnimmst, Barbara!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Leseerlebnisse 2017.... Ich lese gerade...

Beitragvon Barbara » So 14. Mai 2017, 17:37

Liebe Petra,

nicht nur das Buch ist interessant, sondern auch die gesamte Thematik darum, wie mir scheint. Es erinnerte mich an ein Buch, welches ich vor Jahren mal las.

Kennst Du Wilde Schwäne. Es ist ein autobiographisches Werk, in dessen Mittelpunkt die Familie der Schriftstellerin Jung Chang steht.

Dieses Buch hatte damals sehr lange gebraucht, bis ich es zu lesen begann. Es kam auf den unterschiedlichsten Wegen immer wieder zu mir, so als sollte ich es unbedingt lesen. Irgendwie dachte ich allerdings immer, dass mir die Thematik nicht läge, obwohl ich schon einige Bücher chinesischer Schriftsteller gelesen hatte. Also las ich es! Es war unglaublich, all die Dinge zu lesen. Ich konnte es kaum aus der Hand legen. Unglaublich auch deshalb, weil es wahre Dinge waren, die dort beschrieben wurden und nicht bloße Fiktion eines Autors.

Solltest Du dieses Buch noch nicht kennen, dann empfehle ich es Dir unbedingt als Ergänzung Deines jetztigen Buches. In ihm wirst Du noch mehr geschichtliche und politische Hintergründe erfahren.
"Das Lesen eines Buches ist die Zwiesprache mit der eigenen Seele!"
B.H.

Liebe Grüße
Barbara
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