Hallo zusammen,
"Wir sind nicht wir" von
Matthew Thomas berührt mich auf eine ganz stille Weise. Eileen schmerzt mich als Leser mit ihrem Streben nach einem Leben in einer besseren Gegend, in einem schöneren Haus. Connell ist ein Außenseiter in der Schule, und geht so tapfer voran, weil er vermutlich (wie so viele Jugendliche die gemobbt werden) keinen anderen Weg sieht (ich als Leserin erkenne erschreckender Weise auch keinen - und es schmerzt die Erkenntnis, wie boshaft die Menschen sind, sogar schon - oder besonders - Heranwachsende), als alles über sich ergehen zu lassen. Und Eds Krankheit bricht sich Bahn, und überschattet die Zukunftsaussichten. Sehr berührend auch zu beobachten, dass Eileen und Connell (und vermutlich auch Ed selbst) die Veränderungen in seinem Wesen nicht einordnen können. Das ist brillant beobachtet! Auch Eds Methoden, die er entwickelt, seine Unzulänglichkeiten zu verschleiern, oder zu übertünchen, indem er sich verbal auf Allgemeinplätze flüchtet. Das ist eine schwer zu durchschauende Tarnung, ein Schutzmechanismus der Psyche, denn dem Betroffenen selbst sind seine Unzulänglichkeiten peinlich. Überspielen hilft da erst mal. Ich habe das leider selbst in der Familie erlebt, und weiß, wie wahr es ist! Es wird irgendwann der Moment kommen, wo die Auswirkungen von Eds Alzheimererkrankung so offensichtlich werden, dass sie es schlagartig erkennen. Dass etwas nicht mit ihm stimmt, ist ihnen schon bewusst. Aber nicht was es ist. Noch kann man das mit Überforderung erklären (eigentlich nicht, aber der Mensch neigt dazu die schlimme Wahrheit nicht erkennen zu wollen), aber das wird nicht mehr lange möglich sein. Eileen überrascht mich. Sie erscheint so oberflächlich, da sie das Glück rein im Materiellen sucht, aber sie zeigt einen hilfreichen Pragmatismus im Umgang mit den Schwächen, die Ed entwickelt. Ich bin so gespannt aufs weiterlesen!
Es liegt eine leise Traurigkeit über dem Buch. Und doch ist es ein großes Vergnügen es aufzuschlagen. Wenn ich es zur Seite lege, tue ich das immer ganz behutsam. Weil ich weiß, dass zwischen den Deckeln drei verletzliche Menschen leben, die tapfer immer vorwärts gehen. Immer weiter ihren Weg.
@Didonia: Das klingt nach einem schönen Lesevergnügen! Und genau das wünsche ich Dir auch. Ebenso freue ich mich auf Deinen weiteren Bericht über das Buch.
@Sonja: @Kessy: Ja, das stimmt. Bis "Eis" bei Dir dran wäre, wäre es vermutlich schon Frühling. Kessys Vorschlag es vorzuziehen wäre natürlich eine Idee, aber ich glaube ich würde das nicht machen, denn das hieße "Anna Karenina" unterbrechen. Und das ist schier unmöglich, nicht wahr?
Und auch "Anna Karenina" gehört irgendwie für mich in den Winter. Wenn es auch Unsinn ist, denn das Buch spielt ja zu allen Jahreszeiten. Und genauso ist es auch bei "Eis". Wenn das Verbindende bei den Dorfbewohnern, und die Schlüsselszene, auch das "Eis" ist, so spielt das Buch genauso im Sommer. Deshalb: Lies es - wenn Du dann Lust hast - ruhig im Frühling. Es wird Dich nicht stören.
Über "Sonnensturm" werde ich gern weiter berichten. Ich fühle mich weiterhin gut unterhalten. Erstaunlicher Weise habe ich schon ein viertel durch, obwohl ich meist nur abends die Werbepauschen fürs ebook nutze.