JMaria hat geschrieben:Im Gegensatz dazu habe ich Der alte König in seinem Exil von Arno Geiger verschlungen. Arno Geiger schreibt über die Alzheimer Erkrankung seines Vaters. Dabei geht er derart emphatisch zu Werke, dass jeder Satz wie eine Kostbarkeit wirkt. Die Sprache ist der eigentliche Gewinner, in einem Leben, bei dem es immer mehr zu verlieren gibt. Oder um es mit Marcel Proust zu sagen, die wahren Paradiese sind die, die man verloren hat. Es hat mich tief berührt und vieles klarer sehen lassen.
Das freut mich total zu lesen, Maria! Ich war genauso begeistert wie du, als ich damals das Hörbuch hörte. Ich lese gerne Bücher, die Demenz/Alzheimer zum Thema haben. "Der alte König in seinem Exil" ist das eindrucksvollste unter denen, die ich kenne (auch "Wir sind nicht wir" von Thomas Matthew hat mir sehr gefallen, aber nicht vergleichbar). Das Hörbuch war auch kongenial gelesen von Matthias Brandt. Ich verlinke mal meine
Rezension von damals mit meinen Eindrücken.
JMaria hat geschrieben:beendet habe ich von Evelyn Waugh: Gilbert Pinfolds Höllenfahrt, das ich zeitweise als langweilig empfand. Pinfold (alter ego Evelyn Waugh) leidet wegen Tablettensucht und Alkohol unter Halluzinationen, was auf der Kreuzfahrt zu schizophrene Wahrnehmungen führt. Er fühlt sich bedroht und hört Stimmen, die ihn körperlich schaden wollen. Das ganze wird etwas grotesk dargestellt und ist ermüdend zu lesen.
Schade! Evelyn Waugh möchte ich noch für mich entdecken (ich freue mich auf "Wiedersehen mit Brideshead"; du hattest es vor ein oder zwei Jahren gelesen, richtig?). Gut zu wissen, dass es nicht unbedingt mit diesem Buch passieren sollte, das du gerade gelesen hast.
JMaria hat geschrieben:Auch im Dickens - Eine Geschichte zweier Städte habe ich weiter gelesen. Es hat mich beeindruckt wie Dickens die Gleichgültigkeit des franz. Adels zum einfachen Volk beschreibt. Ein Bauernkind wird von von einem Marquis mit der Kutsche überfahren und ihm ist es ganz egal ein paar Münzen hinwerfend... das Buch entwickelt eine Traurigkeit die mich überrascht.
Ja, ich glaube auch, das ist ein etwas anderer Dickens, nicht wahr? Ich bin sehr neugierig auf das Buch.
steffi hat geschrieben:Und damit komme ich zu meinem Dickens-Fazit, denn A tale of two cities habe ich gestern beendet. Ich muss sagen, ich habe zum Schluss das Lesetempo etwas angezogen, denn ich wollte fertigwerden, weil mir auch leider der Roman nicht so gut gefallen hat wie die anderen Dickens-Romane, die ich kenne. Zum einen empfand ich die Personen, außer Mme Defarge und Sydney Carton doch sehr einseitig und etwas blass. Es gibt mir zuviel Symbolik zb die Doppelungen, Wein und Blut, Vergebung durch Opfer. Zum Schluß nahm die Geschichte dann nochmal richtig Fahrt auf, was mich ein bißchen versöhnt hat.
Schade, dass es nicht voll und ganz begeistern konnte. Ich bin sehr neugierig auf das Buch, und werde es bestimmt irgendwann lesen. Danke für dein Fazit!
Weißt du schon, was du als nächstes beginnst?
Josie hat geschrieben:@ Maria: Was du von Charles Dickens schreibst, finde ich interessant. Das Buch steht auch schon lange auf meiner Leseliste. Das Buch von Arno Geiger würde mich aus persönlichen Gründen interessieren, aber das Thema ist so hoffnungslos und ich habe die Befürchtung, dass es einen doch arg emotional mitnehmen wird. Es hat dich ja auch tief berührt.
Dann steht es auf unser beider Leselisten, Josie! Dieser Dickens reizt mich auch sehr. Aber ich lese hier auch gerade, dass dich auch "Der alte König in seinem Exil" interessiert, auch aus persönlichen Gründen. Ich habe auch persönliche Erlebnisse mit Demenz (wenn auch aus anderen Gründen als Alzheimer), und mir hat das Buch damals geholfen. Geholfen zu verstehen, auch was die eigene Machtlosigkeit angeht, und dass die Phasen von Wut (zu Anfang) normal sind. Ich fand das sehr erhellend! Deine Ängste kann ich gut verstehen. Vielleicht magst du es versuchen. Ich fühlte mich verstanden, und nicht allein.