Hallo zusammen,
ich habe mir antiquarisch den Erzählband
Knabenjagd der Autorin
Taeko Kōno gekauft. Der Band enthält insgesamt fünf Erzählungen, eine wurde in den 70er Jahren geschrieben, die restlichen stammen aus den 60er Jahren. Die Autorin hat mehrere Literaturpreise erhalten und sie ist auch mit zwei ihrer Werken in Kindlers Literaturlexikon vertreten: mit dem Roman
Riskante Begierden und eben der Erzählung
Knabenjagd, die dem Erzählband, den ich jetzt gerade lese, den Titel gab.
Knabenjagd ist die erste Erzählung in diesem Band, die etwa dreißigjährige weibliche Hauptfigur "verabscheute nichts so sehr wie kleine Mädchen im Alter zwischen drei und zehn Jahren", wie es gleich zu Beginn heißt. Auch sich selbst konnte sie nicht leiden, als sie noch ein junges Mädchen war. Im Gegensatz dazu ist sie in Knaben dieses Alters geradezu vernarrt, sie genießen ihre ganze Bewunderung und Hochachtung. Sie kauft öfter Kleidung für kleine Jungen, die sie dann an die Kinder von Bekannten verschenkt. Diese Geringschätzung des Weiblichen spiegelt sich auch in der sadomasochistischen Beziehung zu dem Mann wieder, mit dem sie zusammenlebt. Zum Thema Sadomasochismus, das ja auch im weiter oben erwähnten Roman
Hotel Iris eine wichtige Rolle spielt, schreibt die Übersetzerin von
Knabenjagd, Irmela Hijiya-Kirschnereit, in ihrem Nachwort folgendes:
Im Sadomasochismus sieht Kōno eine besondere, in gewissem Sinne typische Ausformung der weiblichen Sexualität, die für sie im Grunde genommen nur die physische Entsprechung einer geistigen Haltung darstellt. Eine weibliche Überlebensstrategie, ja »Lebensklugheit« besteht für sie darin, gegebene Zwänge als freiwillige Selbstbeschränkung aufzufassen, um daraus Vergnügen zu schöpfen.
Das erinnert mich an
Die Klavierspielerin von Elfriede Jelinek, wo es ähnlich wie in
Knabenjagd so ist, daß sich eine (zumindest nach außen hin so erscheinende) selbständige und selbstbewußte Frau von ihrem Liebespartner sexuell erniedrigen läßt, wobei sie ihm das gleichsam befiehlt und ihn auch rügt, wenn er sich dabei ungeschickt anstellt.
Das tatsächliche Geschehen ist in der Erzählung
Knabenjagd eigentlich gar nicht so besonders spektakulär, das Bedrückende ist der Einblick in das Seelenleben der Protagonistin, da tun sich Abgründe auf, die von ihrer Umgebung nicht wahrgenommen werden oder die vielleicht auch nur als unbedeutend angesehen werden. Das ganze wirkt vielleicht gerade deshalb umso schockierender, weil der Erzählstil überhaupt nicht auf Schockeffekte angelegt ist: Taeko Kōno wirft keinen bitter-sarkastischen oder anklagenden Blick auf die Welt, sondern sie erzählt ruhig, mit leiser melancholischer Ironie und mit einen gutem Sinn für Detailschilderungen.
Schöne Grüße,
Wolf