Liebe Barbara,
manches springt einen an (symbolisch gesprochen) und anderes (auch wenn es für viele offensichtlich ist) springt einen nicht an. Bei mir war es beim lesen von "Stolz und Vorurteil" so, dass ich ohne Sekundärliteratur herauserkannt habe, was alles hinter dieser locker leichten Geschichte steckt. Was ich alles daraus erkennen kann, über die Zeit damals, die Probleme von damals - besonders für die Frauen. Und wie wichtig (und warum) die Ehe war. Und wie logisch es ist, dass man sich dann darüber von morgens bis abends den Kopf zerbrochen hat (zumal Frauen der Gesellschaftsschicht von der hier erzählt wird, gar nicht viel anderes zu tun hatten, hier hat mir dann Sekundärliteratur aber dann doch sehr geholfen).
ABER ich habe durchaus auch Leseerlebnisse, wo andere etwas anspringt, mich aber nicht (mir ging es kürzlich beim Hörbuch - ungekürzte Lesung - von Cormac McCarthys "Die Straße" so. Da haben mir anschließende Diskussionen dann sehr geholfen. Und ich war erstaunt, was ich alles "verschnarcht" habe, was andere beim lesen direkt rausempfunden haben. Oder Gedanken, die sie abgeleitet haben.). Und da sind Diskussionen in Foren gut (so wie diese hier) oder aber die Sekundärliteratur.
Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass es ganz sinnvoll ist, wenn Du die Biographie von Jane Austen dazwischen schiebst. Es kann sein, dass es dann immer noch nicht zündet. Aber ich sehe dann doch größere Chancen, dass Dein Augenmerk von den romantischen Aspekten mehr abkommt und hin zur Problematik, die sich den Frauen dieser Gesellschaftsschicht damals stellte. Welchen Druck sie hatten (z. B. von Familienmitgliedern, aber auch von der Gesellschaft. Oder von sich selbst aus, weil eine "gute" Heirat so wichtig war - für die finanzielle Sicherheit) und wie wenig frei sie in ihrer Entscheidung für oder gegen einen Mann waren. Und welchen inneren Kampf das für viele, viele Frauen bedeutet haben muss.
Hierzu sind sicher sowohl die Biographie von Elsemarie Maletzke als auch die von Christian Grawe gut geeignet, denke (!) ich. Ich habe sie beide noch nicht gelesen, sie sollen aber beide gut sein!
Inwieweit auch das Buch "Jane Austen und ihre Zeit" interessant hierzu sein könnte, müsste ich nachschauen. Aber bestimmt kann hier jemand was dazu sagen, der das Buch schon gelesen hat.
Ansonsten hat mir auch der Film "Miss Austen regrets" wieder deutlich gezeigt, wie sehr das Thema "Heirat" in das Leben der Frauen damals eingegriffen hat. So spielte es auch im Leben der unverheirateten Jane Austen eine große Rolle. Es erklärt sich daraus sehr viel. Für mich zumindest.
Was ich auch sehr geschätzt habe, war in meiner Ausgabe zu "Stolz und Vorurteil" das Nachwort (und die Anmerkungen) von Christian Grawe, die sich an den Roman anschlossen. Wie gesagt: Mich hatten diese Dinge beim lesen schon angesprungen. Aber das Nachwort griff noch mal das Thema ein wenig auf und bestärkte mich in meinen Eindrücken.
Barbara hat geschrieben:Von daher bin ich durchaus nicht abgeneigt, mehr über Jane Austen, aber vor allem über ihre Zeit zu erfahren um dann aus entsprechenden Berichten und Vergleichen mit ihrem Leben und ihren Büchern herauslesen zu können, wie viel Realität, Fiktion oder subjektive Sichtweise ist.
Genau! Egal ob Dir die Bücher dann besser gefallen oder nicht, über die Zeit wirst Du mehr erfahren. Und eine Einschätzung was Fiktion ist und was die Wirklichkeit wiederspiegelt wird einfacher. M. E. gehen ihre Romane nur besser aus als die Wirklichkeit meistens. Ansonsten hat sie ihre Zeit, die Probleme, die Gesellschaft und den einzelnen Menschen wohl sehr genau skizziert und mit ihrer feinen Ironie aufs Korn genommen.