Hallo zusammen,
"Toter geht's nicht" macht mir großen Spaß. Manch einen mag stören, dass es mehr um Kriminalhauptkommissar Bröhmanns kriselndes Privatleben geht, als um den Krimi, mich aber stört das gar nicht. Auch mag manch einer sich etwas mehr Humor erwartet haben. Auch das stört mich gar nicht, denn die Dosis ist für mich angenehm. Es wird weniger verulkt als ich angenommen hatte, als vielmehr augenzwinkernd erzählt. Auch dass es eine Autorenlesung ist, begrüße ich inzwischen sehr. Denn
Dietrich Faber macht das ausgezeichnet. Einigen Figuren verleiht er den dazugehörigen hessischen Akzent, und ansonsten spricht er sehr lebhaft und wirklich gut.
Einen Hauptteil der Geschichte nimmt somit also Bröhmanns Leben ein. Und das hat man sich so vorzustellen: Er ist mit Franziska verheiratet, und sie haben eine zickige Tochter, die in der Pubertät ist, und einen noch sehr kleinen Jungen, der etwas weinerlich ist. Bröhmann macht es sich, wie so viele Männer, leicht. Er geht arbeiten, und hält sich aus dem Familienleben weitestgehend heraus. Dass seine Ehe darunter leidet, und sich Franziska mehr und mehr überfordert fühlt, bemerkt er nicht. Als Franziska nicht mehr kann, und sich eine Auszeit nimmt, um über ihre Ehe nachzudenken, und um Veränderungen anzustoßen, ist Bröhmann ins kalte Wasser geworfen. Plötzlich obliegt ihm die gesamte Organisation und Verantwortung für die Kinder und den Haushalt. Das wirkt sich nicht gerade entspannend auf seine berufliche Situation aus. Aber, wie sich zeigt, auffrischend. Denn auch im Dienst mogelt er sich gern durch, und hat nicht den rechten Biss. Das scheint sich nun langsam und allmählich zu ändern.
Schön ist, dass diese Entwicklung nicht erzwungen wirkt. Sie vollzieht sich in ganz kleinen Schritten, und entwickelt sich aus der Situation heraus, in der sich Bröhmann nun befindet. Das finde ich gut gemacht. Und in Bröhmanns Ehefrau hat sich Dietrich Faber auch erstaunlich gut eingefühlt. Die Passagen, wo sie ihre Gedanken niederschreibt, die ihr während ihrer Auszeit kommen, werden von Britta Steffenhagen gesprochen. Das hat der Verlag gut entschieden, hier die Stimme zu wechseln.
Der Kriminalfall nimmt jetzt langsam aber auch Fahrt auf. Und die Ermittlungen finden im Schlager-Metier statt. In den Mittelpunkt der Ermittlungen rückt der Stimmungs-Musiker Herr Bärt. Witzig ist, dass erzählt wird, dass er eine ganz große Nummer herausgebracht hat, die auf allen Veranstaltungen (Karneval etc.) rauf und runtergeleiert wird. "Lass uns fummenl Pummel" heißt das Lied. Doch bei dieser Fiktion belässt es Dietrich Faber nicht. Dieses Lied gibt es tatsächlich, und es ist auf dem Hörbuch auch eingespielt. Das fand ich klasse. Macht die Sache rund und authentisch, und verschafft dem Hörbuch gegenüber dem Buch einen Vorteil. So hat Dietrich Faber seine Talente voll einfließen lassen (bzw. auch die von seinem Kabarett-Partner Martin Guth, der das Lied komponiert hat), der ja eigentlich Kabarettist ist. Den Song von Herr Bärt gibt es auch zum
Download bei Amazon. Originell finde ich auch, dass Dietrich Faber somit seinen Kabarett-Partner Martin Guth in seiner Rolle als Herr Bärt zum Verdächtigen in seinem Krimi macht.
Sehr schön. Ich freue mich aufs weiterhören.
@Sandra: Dann habe ich richtig geraten, dass Du die Thackery-Lesung von Radio-Texte hast. Das ist echt schön, dass die eine Lesung zum Download anbieten, da es sonst keine in deutscher Sprache gibt. Ich werde mich zwar trotzdem für das Buch entscheiden (wann auch immer ich es lesen werde), aber ich finde auch gut, dass es somit endlich auch die Möglichkeit gibt, "Jahrmarkt der Eitelkeiten" (wenn auch gekürzt) zu hören. Wenn es bei Dir an der Reihe ist, werde ich interessiert Deine Eindrücke verfolgen.
Schön zu wissen, dass man mit Dorothy Sayers eigentlich nichts falsch machen kann. Irgendwann möchte ich die Hörbücher auch hören.
@NatiFine: Nochmal zurück zu den Klassikern. Ich finde es im Übrigen viel besser, wenn man auch Klassikern gegenüber kritisch ist, und nicht vor lauter Ehrfurcht meint, es müsse einem alles gefallen.
Übrigens ging es mir auch mit einem Klassiker mal so, dass ich ihn abgelehnt habe. Das war "Die Kreutzersonate" von Tolstoi. Ich fand das darin vermittelte Gedankengut scheußlich und es strahlte für mich Wahn aus, und war für mich in keinster Weise bereichernd. Betrachtet man sich Tolstois Leben, so wird schnell klar, dass man mit dem Verdacht, dass er sich zum Zeitpunkt der Entstehung des Werks in einem wahnhaften Zustand befand, gar nicht falsch liegt. Seine Kreutzersonate wird für mich derzeit ja wieder interessant, so dass ich sie demnächst noch mal auffrischen möchte. Aber lesen möchte ich diese Novelle nicht noch mal. Ich bin somit froh, dass ich auf eine ungekürzte Lesung ausweichen kann, die mir diese Hass-Tirade sicher leichter erträglich macht. Auffrischen möchte ich sie unbedingt, da mich die Gegennovelle seiner Frau derzeit so stark interessiert. Überhaupt die Tatsache, dass vor einigen Jahren, so lange Zeit nach der Entstehung der Gegennovelle bekannt wurde, dass Tolstois Frau seine Kreutzersonate (zu Recht) sehr aufregte, und sie ihre Sichtweise auf das Thema niedergeschrieben hat.
Ich fand damals schon, dass "Die Kreutzersonate" heute wahrscheinlich nur noch gedruckt wird, weil sie im Rahmen seines Gesamtwerks natürlich mit hineingehört. Hätte er jedoch einzig diese Novelle geschrieben, wäre sie sicher längst vergessen. So meine Meinung.
Ein weiterer Grund, warum mich seine Kreutzersonate heute noch mal interessiert, ist der wunderbare Roman "Anna Karenina", den ich ja derzeit sehr begeistert lese. Es geht um die gleichen Themen. Aber der junge Tolstoi hatte einen großartigen Weitblick auf die Themen Ehe, Familie, (Un-)Treue, Liebe, körperliche Anziehungskraft. Seinen wahnhaften Blick darauf entwickelte er erst später. Und diese Wandlung im Vergleich nachzuvollziehen, anhand seiner Werke, finde ich gerade sehr spannend.
Für mich ist interessant, dass ich gar nicht so falsch damit lag, diesen Klassiker nicht vor lauter Ehrfurcht vorbehaltlos gut zu finden, sondern mich kritisch damit auseinanderzusetzen.
Klar, auf Günter Grass' "Die Blechtrommel" trifft es nicht zu, dass dieser Roman nur im Rahmen seines Gesamtwerks erwähnenswert ist. Ganz im Gegenteil, er ist ein zentraler Punkt seines Werks. Aber gefallen muss das trotzdem nicht jedem. Schön, wenn man seine eigene Meinung behält, und nicht alles abnickt, nur weil es allgemein anerkannt ist. Kunst liegt ja immer auch im Auge des Betrachters. Und die Empfindungen, die Kunst (egal ob in der Musik, in der Malerei, in der Literatur etc.) in uns auslöst, sollten wir uns nicht vorschreiben lassen.
Noch ein interessantes Gespräch hatte ich kürzlich über Camus. Ein blitzgescheiter Literaturliebhaber schrieb mir, dass er mit Camus nichts anfangen kann und will. Denn Camus' Einstellung ist ihm fremd. Damit spricht er Camus nicht ab, große Literatur geschrieben zu haben. Zeigt aber, dass der Existenzialismus ihm fremd ist. Und auch das können ja Gründe sein, warum man ein Werk ablehnt. Man muss mit den Weltanschauungen eines Schriftstellers nicht einverstanden sein. Einige möchten sich trotzdem mit dieser fremden Ansicht auseinandersetzen, andere nicht. Beides ist vollkommen in Ordnung.
Ich finde das Thema sehr interessant, wie Du sicher merkst.
Wie "Die Blechtrommel" auf mich wirkt, darauf bin ich sehr gespannt. Auch ich bin mir nicht sicher, ob sie mir liegt. Hingegen habe ich gestern in "Grimms Wörter" von Günter Grass reingelesen, und war entzückt. Vielleicht versuchst Du es irgendwann noch mal mit einem anderen Buch von ihm, um Dir sicher sein zu können, ob er Dir nicht liegt, oder ob es sich auf "Die Blechtrommel" beschränkt. Für mich selbst ist Günter Grass noch unbekanntes Terrain. Aber ich möchte lange schon etwas von ihm lesen und/oder hören.