Monatsendezusammenfassungsbericht November 2008

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Re: Monatsendezusammenfassungsbericht November 2008

Beitragvon Wolf » Mi 10. Dez 2008, 19:57

Hallo Petra,

was die Buchausgaben des Spaziergangs betrifft: die eigentliche Erzählung ist in meiner Suhrkamp-Taschenbuchausgabe etwa 70 Seiten lang. Zusätzlich sind da aber noch weitere Erzählungen von Robert Walser enthalten, deshalb der größere Umfang von 288 Seiten. In der Reclam-Ausgabe wird dann sehr wahrscheinlich nur die einzelne Erzählung enthalten sein, deshalb der kleinere Umfang. Es gibt übrigens zwei leicht unterschiedliche Fassungen dieser Erzählung, denn Robert Walser hat sie für den Erzählband "Seeland" noch einmal überarbeitet. Was da genau die Unterschiede sind, weiß ich jetzt gar nicht genau, es sind aber wohl eher nur Kleinigkeiten (stilistische Überarbeitungen). Das Selberlesen lohnt sich sicherlich, aber auch beide Hörbuchfassungen sind vollständig, da versäumt man also nichts.

Wenn man mit Robert Walser noch nicht so vertraut ist, bietet sich das Hören geradezu an, denn im Spaziergang verwendet der Autor einen recht gedrechselten Stil, der Erzähler spricht in einer komischen Umständlichkeit, an den Buchhändler etwa wendet er sich mit ausgesuchter Höflichkeit und erkundigt sich in den gewähltesten Ausdrücken nach dem besten Buch im Laden. Er meint, der Buchhändler könne ihm doch sicherlich ein Meisterwerk empfehlen, das so genial und mitreißend geschrieben ist, daß er, der Kunde, ihm das Buch sofort begeistert abkaufen wird. Er foppt da den Buchhändler ein wenig, das ist wirklich sehr witzig geschrieben. Die Szene mit Frau Aebi, wo er zu Mittag eingeladen ist, ist auch klasse: sie redet freundlich auf ihn ein, ihr zuliebe noch ein kleines Stückchen von dem köstlichen Braten zu essen, obwohl er schon längst satt ist. Die Szene in der Bank oder beim Schneider ist ebenfalls sehr unterhaltsam.

Diesen "feierlichen und hochdaherstolzierenden Stil", wie der Autor selbstironisch schreibt, kann man beim Hören sehr gut genießen, beim Selberlesen liest man das vielleicht zu schnell oder findet den Rhythmus nicht.

Alles in allem gefällt mir die Lesung von Fritz Lichtenhahn etwas besser als die von Gert Westphal, was vielleicht auch daran liegt, daß ich von Lichtenhahn noch nichts kannte und ihn sozusagen als Robert-Walser-Stimme kennengelernt habe, während ich Gert Westphal eher als Gert Westphal wahrgenommen habe, weil er doch schon ein starkes Eigengewicht hat. Die melancholische Schlußpassage liest Westphal aber, wie gesagt, ganz hervorragend, alles andere liest er natürlich auch nicht schlecht, ganz im Gegenteil, mit der Gert-Westphal-Lesung macht man nichts falsch, ich habe sie mir mit großem Vergnügen angehört, aber Fritz Lichtenhahn hat zumindest bei den humorvollen Passagen die Nase vorn, er ist übrigens auch Schweizer wie R. Walser, deshalb kann er sich wohl auch in den Sprachduktus etwas besser einfühlen, obwohl das ganze natürlich in Hochdeutsch geschrieben ist und auch vorgetragen wird, aber bei Fritz Lichtenhahn klingt das eben doch ein wenig "echter" als bei Westphal, bei dem auch das Schelmische nicht so gut herauskommt.

Schöne Grüße,
Wolf
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Wolf
 
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