Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon JMaria » Do 29. Jul 2010, 15:11

Hallo Steffi,

wie weit bist du ?

ich fürchte, der Roman zieht einen so hinein, dass man kaum daran denkt, etwas darüber zu schreiben. Auffallend sind die Stimmungswechsel, von unaufgeregt bis zu den Gewaltentladungen, die mich überrascht haben (den Anschlag auf den Taxifahrer)...

Trotzdem kommt mir bisher alles so tragikomisch vor; wenn ich da an dieses Dreiecksverhältnis Pelletier-Norton-Espinoza denke.

dann diese Träume! Sehr ausführlich wird der Traum von Pelletier erzählt auf S. 103-105. Am Ende des Traum findet sich mMn eine versteckte Andeutung auf die Zahl 666:

Und dann sah er, wie es im Meer vibrierte, als würde auch das Wasser schwitzen, da heißt, als würde das Wasser zu sieden beginnen....Und dann begann Pelletier zu weinen und sah, wie vom Grund des metallisierten Meeres die Überreste einer Statue emporstiegen..... Und die Statue stieg aus dem Meer, erhob sich auf den Strand und war fürchterlich und zugleich wunderschön.

hier der Text aus der Offenbarung des Johannes, auszugsweise:

Und ich trat an den Sand des Meeres und sah ein Tier aus dem Meer steigen, das hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Häuptern Namen der Lästerung.......
Hier ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tiers; denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.
Offenbarung 13, Vers 1, 18

die Zahl 666 soll für das Böse stehen, oder auch für den Antichristen. auch ist es eine Zahl, die in der Zahlenmystik eine große Rolle spielt.

irgendwo las ich, dass es in dem Roman um die Bösartigkeit des Menschen im 21. Jahrhundert geht. So ähnlich wird die Zahl 2666 interpretiert.

Ich bin auf S. 106.
London wird als ein Labyrinth beschrieben, so ist auch der Roman angelegt, ein Labyrinth von Wirklichkeiten und Träumen.

Gruß
Maria
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon steffi » Fr 30. Jul 2010, 14:43

JMaria hat geschrieben:irgendwo las ich, dass es in dem Roman um die Bösartigkeit des Menschen im 21. Jahrhundert geht. So ähnlich wird die Zahl 2666 interpretiert.

Ich bin auf S. 106.
London wird als ein Labyrinth beschrieben, so ist auch der Roman angelegt, ein Labyrinth von Wirklichkeiten und Träumen.



Hallo JMaria,

leider bin ich noch nicht so weit gekommen (Zahnarzt !) und habe heute bis S. 75 gelesen.

Interessant das über die Zahlen und die Bibelstelle, darauf wäre ich nicht gekommen. Das Wassermotiv in den Träumen scheint häufiger vorzukommen - auch der Traum von Morini hat mit Wasser zu tun.

Ein Labyrinth von Wirklichkeit und Träumen - das hast du schön ausgedrückt.

Ich bin auch erstaunt, über die Fährten, die Bolano auslegt. Literaturwissenschaftler, die einem speziellen Autor huldigen , ja, Anspielungen auf tatsächliches Verhalten von Literaturwissenschaftler ? Dann die privaten Beziehungen, wobei scheinbar der Intellekt über die Triebe herrscht.

Die Sache mit der verdorrten Hand auf dem Kunstwerk - der Maler wird erst berühmt, als er ein Teil seiner selbst (und zwar das wichtigste, nämlich seine Hand, mit der er das Kunstwerk schafft) hergibt, gleichzeitig wird er nie mehr ein Bild schaffen können. Mit fiel das Märchen von Hauff "Die Geschichte von der abgehauenen Hand" ein, eines meiner Lieblingsmärchen.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon JMaria » Fr 30. Jul 2010, 17:07

Hallo Steffi,

aua - Zahnarzt. Ich hoffe nur eine Nachkontrolle und nichts Schlimmeres :|

Du erwähnst den Intellekt der über den Trieb steht. Das hat mir nun geholfen, den Gewaltausbruch am Taxifahrer zu begreifen. Ich schätze, hier entluden sich Triebe, die unbewußt unterdrückt wurden, anders kann ich mir diese Szene nicht vorstellen. Ich bin neugierig was du davon hältst.


steffi hat geschrieben:
JMaria hat geschrieben: Die Sache mit der verdorrten Hand auf dem Kunstwerk - der Maler wird erst berühmt, als er ein Teil seiner selbst (und zwar das wichtigste, nämlich seine Hand, mit der er das Kunstwerk schafft) hergibt, gleichzeitig wird er nie mehr ein Bild schaffen können. Mit fiel das Märchen von Hauff "Die Geschichte von der abgehauenen Hand" ein, eines meiner Lieblingsmärchen.



danke für den Hinweis. Ich werde gleich mal meinen Märchen-Almanach herausholen und die Geschichte nachlesen.


Gute Besserung.

Grüße von
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon JMaria » Sa 31. Jul 2010, 14:53

JMaria hat geschrieben:
steffi hat geschrieben:
JMaria hat geschrieben: Die Sache mit der verdorrten Hand auf dem Kunstwerk - der Maler wird erst berühmt, als er ein Teil seiner selbst (und zwar das wichtigste, nämlich seine Hand, mit der er das Kunstwerk schafft) hergibt, gleichzeitig wird er nie mehr ein Bild schaffen können. Mit fiel das Märchen von Hauff "Die Geschichte von der abgehauenen Hand" ein, eines meiner Lieblingsmärchen.



danke für den Hinweis. Ich werde gleich mal meinen Märchen-Almanach herausholen und die Geschichte nachlesen.



hallo Steffi,

ich habe das Hauffsche Märchen nachgelesen. Hat der Autor bewußt einen Bezug zu dem Märchen der abgehauenen Hand gesucht oder ist es Zufall?

eine abgehauene Hand (Hauff), ein Schwabe (Gotthelf Jeremias Schwarze Spinne)... mmmh :?:


Ich könnte mir vorstellen, dass die Träume noch an Bedeutung gewinnen. Wieviele Träume gabs denn bisher? Man müßte sie mal herausfiltern.


Viele Grüße
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon JMaria » So 1. Aug 2010, 09:54

steffi hat geschrieben:
Ich bin auch erstaunt, über die Fährten, die Bolano auslegt. Literaturwissenschaftler, die einem speziellen Autor huldigen , ja, Anspielungen auf tatsächliches Verhalten von Literaturwissenschaftler ?



Auch der Name des Schriftstellers Arno Schmidt (noch ein vokalisch endender deutscher Männername, S. 22, wie Benno) taucht im Buch auf. Das erinnerte mich an den "Bargfelder Boten" der gegründet wurde um "Zettels Traum" zu decheffrieren. Klingt doch sehr nach unseren Literaturwissenschaftler in 2666.

http://de.wikipedia.org/wiki/Bargfelder_Bote

Auch der Name des verstorbenen Verlegers 'Bubis' ist doch zu auffällig um zufällig zu sein? (Ignaz Bubis)

das herausfordernde an dem Roman ist, dass man noch nicht weiß, wohin er den Leser führt.

Übrigens, die S. 24 hat immer noch mein Augenmerk, wo Pelletrier, Molini, Espinoza auf drei Kontrahenten treffen, nämlich Pohl, Schwarz und Borchmeyer. Im Diskurs fallen Namen wie Uwe Johnson, Heinrich Böll, Günter Grass, Friedrich Dürrenmatt. Erst als Liz Norton Grimmelshausen, Gryphius und Paracelsus einbringt, gewinnt unsere Quartett die Oberhand.

Die Nennung der Namen lässt mir noch keine Ruhe.

Gruß,
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon steffi » So 1. Aug 2010, 11:29

JMaria hat geschrieben: Das erinnerte mich an den "Bargfelder Boten" der gegründet wurde um "Zettels Traum" zu decheffrieren. Klingt doch sehr nach unseren Literaturwissenschaftler in 2666.


Oh, das ist ja interessant - eine Dechiffrier-Werkstatt ! Doch, doch, ich könnte mir das sehr gut auch bei 2666 vorstellen.

Die Namen lassen mir auch keine Ruhe - irgendwas ist da versteckt ;)

Nach dem Schwabe kommt dann der Marokkaner vor ... auch merkwürdig. Die Namen der beiden Mexikaner beginnen mit A, ebenso wie Archimboldi. Dann das Schweizer Sanatorium - da denkt man doch gleich an Thomas Mann !

Während des Lesens ist mir ein deutlicher Unterschied zum "Turm" aufgefallen - während Tellkamp immer versucht, den Leser auf einer intellektuellen Ebene zu halten, zieht Bolano den Leser von dieser Ebene immer wieder herunter in das Triebhafte - er stellt beides nebeneinander und entblößt so sicher auch den Kulturbetrieb.
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon JMaria » Mo 2. Aug 2010, 11:55

Hallo Steffi,

ich bin nun auf S. 167 und man weiß garnicht, was man alles erwähnen sollte, es stürmt jetzt doch eine Menge an subtiler Drohung auf den Leser ein.

steffi hat geschrieben: Nach dem Schwabe kommt dann der Marokkaner vor ... auch merkwürdig. Die Namen der beiden Mexikaner beginnen mit A, ebenso wie Archimboldi. Dann das Schweizer Sanatorium - da denkt man doch gleich an Thomas Mann !



nicht nur die beiden Mexikaner, sondern auch der chilenische Professor, der in Santa Teresa die Führungen macht. Somit hätten wir folgende Namen:

Alatorre
Alemendro
Amalfitano

Während des Lesens ist mir ein deutlicher Unterschied zum "Turm" aufgefallen - während Tellkamp immer versucht, den Leser auf einer intellektuellen Ebene zu halten, zieht Bolano den Leser von dieser Ebene immer wieder herunter in das Triebhafte - er stellt beides nebeneinander und entblößt so sicher auch den Kulturbetrieb.



das hast du ja treffend herauskristallisiert. Du hast recht. Das Triebhafte ist ein fester Bestandteil in dem Roman. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die ansonsten in geordneten, logischen Bahnen gelenkte Suche nach Archimboldi, durch das Triebhaft in eine Unordnung gerät, die bedrohlich wirkt.


Da wären z.B. der Traum von der Mexikanischen Hure, die Espinoza hatte (S. 112), die eine Wand anstarrte und etwas entzifferte, das nur sie sah. Für mich strahlte dies eine subtile Bedrohung aus, ein Menetekel an der Wand.

In Santa Teresa wirkt die Bedrohung besonders auf Liz, die einen sehr beängstigenden Traum hat (alle drei hatten Träume, kaputter Toilettensitz !...)

Der Abendhimmel erinnerte an eine fleischfressende Pflanze S. 166

und erst in Mexiko ergibt sich ein ménage à trois ! Auch nicht die "normale" Ordnung in Liebesdingen.

im Grunde alles sehr bolañoesk! Ich finde, man kann diesen Stil so benennen!

und da wären noch die vermehrten Hinweise die Mexiko betreffen, alles führt uns dorthin:

S. 61 Morini liest zum ersten mal über die Morde in Sonora
S. 111 die mexikanische Hure
S. ?? Morini liest Rezepte einer mexikanischen Nonne

erst dann erscheint dieser konkretere Hinweis, dass sich Archimboldi in Mexiko aufhalten könnte. Eine Rabe taucht plötzlich auf !

Nebenbei erfahren wir etwas mehr über Archimboldis Roman "Die Ledermaske" (für mich ist der Titel schon bedrohlich), etwas über eine menschliche Haut aus der die Ledermaske gemacht wurde. S. 138.

und wir erfahren einen neuen Namen: Archimboldi = Hans Reiter.

Eine Frage bleibt für mich:
Warum haben Espinoza und Pelletrier nicht gefragt was dieser Edwin Johns Morini ins Ohr flüsterte? Warum mußte Morini diesen Maler besuchen? Den Katalog bekam er ja von Liz Norton. Das waren jetzt zwei Fragen. *g*

Viele Grüße
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon JMaria » Do 5. Aug 2010, 10:44

Hallo Steffi,

ich habe den "Teil der Kritiker" nun beendet. :-)

da ich noch ein paar Nachforschungen mache, mehr dazu später bzw. wenn du soweit bist.

Liebe Grüße
Maria
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon steffi » Do 5. Aug 2010, 12:05

Hallo JMaria,

ich bin noch nicht soweit. Gerade eben reist Norton aus Mexiko ab -Sonora Wüste kenne ich ja selber und auch Nogales, ein Grenzstädtchen. Die Atmosphäre ist gut beschrieben, etwas unheimlich war mir irgendwie damals auch, weil man den Gegensatz zum reichen Amerika so deutlich in den Grenzstädtchen spürt.

Die Beziehung der drei, oder vielmehr der vier, hat sich geändert. Das Vertrauen ist weniger geworden auch die Faszination Archimboldis scheint sich verflüchtigt zu haben, sobald sie sich auf die Suche nach dem wahren Archimboldi gemacht haben.

Erinnert es dich nicht auch ein bißchen an Don Quijote ? Was Bücher bewirken, welchen Wahnsinn sie hervorrufen können ?
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño - 2666

Beitragvon JMaria » Do 5. Aug 2010, 12:39

steffi hat geschrieben: Erinnert es dich nicht auch ein bißchen an Don Quijote ? Was Bücher bewirken, welchen Wahnsinn sie hervorrufen können ?



absolut !
und ich denke, es geht noch tiefer, dieser Wahnsinn. Denn ich las kürzlich in einem Link:

Denn wenn 2666 einen Verwandten im Geiste hat, dann ist es Miguel de Cervantes’ Don Quijote – der Roman als solcher, nicht die närrisch-lustige Hauptfigur. Im Don Quijote nämlich ist der Wahnsinn, ist die Verrücktheit noch ein ganz natürlicher Teil der Welt. Der Ritter von der traurigen Gestalt repräsentiert die Unvernunft, die in den folgenden Jahrhunderten von der Vernunft ausgegrenzt und stigmatisiert werden wird. Hier, in der Mancha, lebt sie noch als gleichberechtigter, ungefährlicher Teil des Ganzen. Wenig später sollte das nicht mehr möglich sein.

Michel Foucault war es, der Anfang der 1960er Jahre die Geschichte dieser Teilung geschrieben hat. In seinem Werk Wahnsinn und Gesellschaft zeigt er, wie seit Descartes, also wenige Jahre nach Erscheinen des Don Quijote, der Wahnsinn plötzlich allgemein als »Krankheit« angesehen wurde, als etwas, das es auszurotten galt.
http://www.roberto-bolano.de/2666/die-f ... boldi.html

wir sind jetzt noch nicht im 5. Teil, doch gibt mir das alles sehr zu denken. Wie gefährlich wird "Wahnsinn" wenn er nicht mehr als Teil der Gesellschaft betrachtet wird? Ich glaube, in 2666 wird sich uns noch erschreckende Perspektiven öffnen. Man sagt "2666" ja nach, dass er der erste globale Roman ist (oder ähnlich ausgedrückt).

Hast du schon mal etwas von Michel Foucault gelesen? Würde mich reizen.

Gruß,
Maria
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