von Petra » Di 19. Apr 2011, 14:31
Hallo zusammen,
Kapitel 17:
Dem Kapitel 17 möchte ich gern besondere Aufmerksamkeit schenken, da es ja das Kapitel ist, das gestrichen worden war. Aus heutiger Sicht ist kaum mehr vorstellbar, dass man hier eine Streichung für nötig befunden hat, weil Anna Quangel dort in einem nicht so guten Licht erscheint. Für Dich, Maria, müssen wir sicher erst mal ein bisschen ausholen, was in dem Kapitel denn überhaupt beschrieben steht, da das Kapitel bei Dir ja fehlt, und nur ein kleiner Teil davon dem eigentlichen Kapitel 18 angehangen wurde.
In Kapitel 17 meint Otto zu Anna Quangel, dass es besser sei, wenn auch sie aus der Frauenschaft austritt, so wie er von seinem Amt bei der Arbeiterfront. Otto Quangel meint, dass sie es am besten auch so anstellen solle, dass man ihr keine Parteiuntreue nachsagen könne. Anna Quangel fragt sich, wie sie das wohl zu Wege bringen soll. Sie entscheidet sich für den umgekehrten Weg, wie ihr Mann. Otto Quangel hat sich als Trottel dargestellt, dem man nicht misstraut. Anna hingegen entscheidet sich für den Weg einer gar nicht dummen, sondern ganz genauen, übereifrigen Anhängerin der Frauenschaft. Goebbels hat aufgerufen, dass auch Damen mit rotlackierten Fingernägeln ihre Pflichten tun sollten, und sich nicht vor der Arbeit für das Volk zu drücken haben. Wer noch keine Arbeit habe, solle die Rüstung mit seiner Arbeitskraft unterstützen. Zwar wären rot lackierte Fingernägel nicht als einziger Grund haltbar, um jemanden anzuschwärzen. Aber jeder eingehende Fall würde von der Partei gründlich geprüft. Dies kam fast einem Aufruf zur Denunziation gleich. Und Anna macht sich das zunutze. Sie klingelt bei einer feinen Dame, und stellt ihr im Namen der Frauenschaft einige gezielte (unverschämte) Fragen, warum sie nicht arbeite. Und dass niemand sich zu drücken habe, wer noch keiner Arbeit nachgehe, solle die Rüstung mit seiner Arbeitskraft unterstützen. Der Dame reicht es schließlich, und sie macht Anna Quangel darauf aufmerksam, wer sie ist: Die Frau eines Sturmbannführers.
Nachdem Anna geht, beschwert sich die Dame bei ihrem Mann und der sorgt dafür, dass Anna sich bei der Dame entschuldigen solle, und dass sie aus der Frauenschaft ausgeschlossen wird. Zwei Frauen von der Frauenschaft suchen Anna Quangel auf, konfrontrieren sie mit den Vorwürfen und geben ihr zu verstehen, dass sie sich ausruhen (also nicht mehr zur Frauenschaft kommen) solle. Anna gibt sich empört, beugt sich aber natürlich, da sie damit ja genau das erreicht hat, was sie erreichen wollte. Und die beiden Frauen von der Frauenschaft, schickt sie an ihrer Stelle zu der Frau des Sturmbannführers wegen der Entschuldigung. Die ist in ihrem gesellschaftlichem Leben (ihr Mann hat ihr zur Beruhigung einen schönen Abend in der Oper mit Freunden versprochen) schon wieder so aufgegangen, dass sie die Entschuldigung nur ihren Mann entgegen nehmen lässt. Und dieser weiß nicht einmal, dass die beiden Frauen, die von der Frauenschaft gekommen sind, selbst gar nichts für die Angelegenheit können. Somit hat Anna ihr Ziel erreicht.
Aus heutiger Sicht erscheint Anna Quangel dadurch gar nicht in schlechtem Licht. Für die Verhältnisse kurz nach dem Krieg galt aber wohl, dass man so etwas wie dieses Führergetreue Verhalten der Anna Quangel nicht gern sah. Dass sie es nur spielt, und der eigentliche Zweck ja genau gegenteilig gemeint war (eben gegen den Führer und sein Gefolge), war bei der Beurteilung offenbar unwichtig.
Interessant finde ich somit, wie solch ein Verhalten damals bewertet wurde, und wie man es heute wahrnimmt.
Wie seht Ihr das?
Und Maria, was von alle dem erfährst Du in Deinem Kapitel 17 (also unser Kapitel 18)?
Bei uns geht es in Kapitel 18 darum, dass Otto sich nach langem Schweigen nun endlich Anna anvertraut. Auch das ist von Fallada sehr schön herausgearbeitet. Wie Anna erst geschockt ist, dass Otto damit quasi gar nichts tut. Karten schreiben. Wie im wahren Leben auch. Ganz still und gefahrlos. Aber als sie Otto das sagt, sagt seine Reaktion so viel aus. Selbst Anna denkt damit um. Denn jeder soll auf seine Art Widerstand leisten. So Otto auch auf seine. Und so klein der Widerstand auch sein mag, der Preis dafür, wenn sie auffliegen, ist nicht geringer als der Tod. Besser kann man die Größe des kleinen Widerstands kaum zeigen. Toll gemacht.