Emile Zola - Nana

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Emile Zola - Nana

Beitragvon steffi » So 4. Sep 2011, 10:20

Heute beginnt ja unsere gemeinsame Leserunde. Ich bin sehr gespannt, wie euch Nana gefällt und auch, wie es mit nach vielen Jahren damit ergeht. Inzwischen habe ich ja mehrere andere Zola-Bücher gelesen.

Ich lese in der Übersetzung von Rita Schober, eine Ausgabe des Winkler-Verlags mit Anmerkungen und Nachwort.
Gruss von Steffi

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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon YvonneS » So 4. Sep 2011, 13:43

Ich werde die dtv-Ausgabe mit der Übersetzung von Walter Widmer lesen, die mir die Amazonen hoffentlich am Montag liefern werden. Ich bin letzte Woche in sage und schreibe 7 Buchläden gewesen. Nicht eines hatte diesen Roman vorrätig, sodass ich wieder auf amazon zurückgreifen musste. :(
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » So 4. Sep 2011, 14:42

Hallo zusammen,

ich habe zwei Ausgaben. Einmal das kostenlose Kindle-ebook (das ist ja die Version vom Gutenberg Projekt, und somit in der Übersetzung von Armin Schwarz. Ich verlinke zu :arrow: books.google.de, da sie dort die tatsächlichen Buchseiten abbilden, und man so besser eine entsprechende Stelle vergleichen kann). Und parallel habe ich die Insel-TB-Ausgabe, in der Übersetzung von Erich Marx. Ich habe schon mal ein wenig vergleichend gelesen. Interessant, wie unterschiedlich die beiden Übersetzungen die Szenen beschreiben. Es nimmt gar ein wenig Einfluss auf die Stimmung des Buches. Im Laufe der Zeit werde ich sicher mal vergleichende Zitate beisteuern. Ihr könnt vergleichend ja auch in der Armin Schwarz-Übersetzung nachschlagen. Schön, welche Möglichkeiten das Internet einem bietet.

So viel erst mal zu meinen Ausgaben.

Ich habe schon begonnen zu lesen. Denn ich wollte mir einen Einblick verschaffen, ob es in meine derzeitige Lesestimmung passt. Ich hatte da meine Zweifel. Ich sagte damals beim vereinbaren der Leserunde ja schon, dass ich es von meiner Stimmung abhängig machen möchte. Meine Zweifel rührten auch von einigen Versuchen hier, ins erste Kapitel reinzulesen. Denn so recht trifft das erste Kapitel nicht meinen Geschmack. Mir gefiel das reinlesen in andere Romane Zolas ("Germinal" z. B.) besser. Aber das vorblättern in weitere Kapitel zeigte mir, dass mir diese deutlich besser gefielen als das erste. Und so wollte ich unbedingt die ersten zwei Kapitel lesen, um entscheiden zu können, ob ich mitmache.

Das zweite Kapitel hat mich dann überzeugt, dass ich mit Euch weiter lesen werde. Da ich "Nana" aber als Zweitbuch lese, da ich noch nicht mit meinem aktuellen Buch ("Die geheime Geschichte") fertig bin, und es auch nicht unterbrechen möchte, sage ich direkt schon mal, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass ich im Lesetempo hinter Euch abfallen werde. Aber ein leicht zeitversetzter Austausch über die einzelnen Kapitel hat uns ja noch nie was ausgemacht. So denke ich, stört das nicht weiter.

Ich befinde mich jetzt im Anfang des dritten Kapitels. Über meine Eindrücke zu den ersten beiden werde ich noch später berichten.

Gespannt bin ich darauf, wie Ihr Euch einfindet. Und Dir, Yvonne, drücke ich die Daumen, dass Dein Exemplar am Montag geliefert wird. Schade, dass keine Buchhandlung im Umkreis es vorrätig hatte!

Danke an Steffi, fürs eröffnen der Leserunde! :)
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon steffi » Mo 5. Sep 2011, 09:40

@Yvonne: ich hoffe auch, dass du heute das Buch bekommst - bei 7 Buchläden Fehlanzeige, das ist schon der Hammer !

@Petra: sehr schön, dass dich das zweite Kapitel überzeugen konnte und über deine Lesegeschwindigkeit brauchst du dir keine Sorgen machen, denn wie du schreibst, auch ein bißchen später kann man noch wunderbar über seine Gedanken diskutieren.

Ich habe zum Vergleich auch die Gutenberg-Übersetzung auf mein Kindle geladen, die Abweichungen sind sehr deutlich und neben einigen anderen Wörtern sind halbe Sätze verschwunden oder die Satzstellung ist total anders und ergibt dadurch zwei verschiedene Eindrücke. Ich werde mir auch noch die französische Fassung ansehen, für einen Vergleich reicht mein Französisch hoffentlich aus !


Hier noch ein paar Fakten über "Nana":
- der 9. Band aus dem "Rougon-Macquart-Zyklus" (insg. 20 Bände)
- der Roman erschien zuerst in Fortsetzungen und aufgrund einer heftigen Werbekampagne war die erste Druckausgabe 1880 bereits vor Erscheinen ausverkauft
- zum ersten Mal erscheint Nana im 7. Band "Der Totschläger", sie ist die Tochter der alkoholabhängigen Eheleuten Gervaise Macquart und Coupeau :arrow: Der Totschläger
- der Roman beginnt im Jahr der Weltausstellung 1867, Nana ist 16 Jahre alt, wie auch aus einem Stammbaum von Zola ersichtlich, den er 1878 erstellt hat (im Roman wird ihr Alter als 18 angegeben)
- das Stück "Die blonde Venus" ist eine Parodie auf Jacques Offenbachs "La belle Hélène"
- Ludovic Halévy, erfolgreicher Bühnenautor u.a. für Offenbachs "La belle Hélène", gab Zola viele wertvolle Insiderinformationen für "Nana"
- als Model für Rose Mignon diente :arrow: Anna Judic
- der Roman endet 1870 zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges (Emser Depesche, Schlacht von Sedan, Dritte Französische Republik, Gründung des Deutschen Reichs in Versailles)

Zum Schluß möchte ich eure Aufmerksamkeit noch auf das Bild Nana von Manet richten: http://de.wikipedia.org/wiki/Nana_%28Manet%29
Gruss von Steffi

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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » Mo 5. Sep 2011, 10:30

Hallo Steffi,

die Abweichungen - nicht nur in der Art der Übersetzung, sondern besonders auch inhaltlich - habe ich auch festgestellt, da ich ja parallel in meiner Insel-TB-Ausgabe lese. Das ist schon schade.

Die Weglassungen bei der Armin Schwarz-Übersetzung scheinen Gespräche zu betreffen, die die Figuren miteinander führen, die die Handlung nicht direkt weiter bringen, sondern den Zeitgeist, die Themen von damals (Kaiser, Könige, Klatsch...) wiederzuspiegeln. Das nimmt dem Werk an Komplexität und Authentizität. Der Roman in der Erich Marx-Übersetzung wirkt lebendiger, und es entsteht eine ganz andere Atmosphäre. Auch was die Art der Übersetzung betrifft, ist die von Marx gefälliger, nicht so direkt, sondern geschmeidiger. Einen Vergleich zum Original fände ich natürlich ganz toll! Steffi, da Du schreibst, dass Dein Französisch dafür ausreichen dürfte, hoffe ich auf Erhellung, was die Übersetzungen angeht. Schon mal jetzt vielen Dank für Deine Mühe!

Dass mir das zweite Kapitel besser lag als das erste, freut mich auch. Denn eine Leserunde mit Euch möchte ich mir ungern entgehen lassen. Die Infos, die Du uns zur Verfügung gestellt hast, Steffi, geben mir darin schon jetzt recht! Wunderbar - ich danke Dir. Ich bin ganz begeistert. Und dass mein sicher absinkendes Lesetempo nicht weiter stören wird, beruhigt mich.

Das Gemälde von Manet ziert übrigens auch eine andere Insel-TB-Ausgabe:

Bild

Dass es von Manet ist, und es wirklich Zolas Nana darstellen soll, wusste ich allerdings nicht.

Auch überaus interessant, was Du über "Nana" innerhalb des Rougon-Macquart-Zyklus schreibst. Da es mein erster Roman von Zola ist, kann ich es dadurch etwas besser innerhalb des Zyklus einordnen.

Auch dass Nana einen Stammbaum hat, dass sich ihr Alter in dem Roman bemessen lässt (schade, dass es da eine Abweichung gibt, aber interessant, wie Du das belegen kannst durch die Weltausstellung), finde ich interessant.

Ebenso das Model für Rose Mignon - sehr interessant! Und die Parodie auf Jacques Offenbachs "La belle Hélène" hätte ich ohne Deine Hinweise auch nicht erkannt.

Sehr interessant, was Du uns hier beisteuerst, Steffi!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon YvonneS » Mo 5. Sep 2011, 12:38

Pünktlich zur Mittagspause ist meine dtv-Ausgabe hier eingetroffen, sodass ich da schon mal reinlesen werde. Die dtv-Ausgabe ziert übrigens auch das von Steffi verlinkte Gemälde. Steffi, dir übrigens auch meinerseits noch danke für die Zusatzinfos.

Petra, mach dir mal keine Gedanken wegen des Lesetempos. Ich werde wahrscheinlich auch etwas mehr Zeit brauchen. Die Schrift in meiner Ausgabe ist ziemlich klein und ich werde öfters Pausen machen müssen, da mich das nach einer gewissen Zeit anstrengt. Bei Tageslicht geht es immer noch, bei Kunstlicht wird das etwas schwieriger.
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon JMaria » Mo 5. Sep 2011, 13:10

Hallo ihr Lieben,

danke fürs eröffnen der Leserunde, Steffi und deine wertvollen Links. Fein, dass du auch erläutert hast, in welchem Zeitraum der Roman spielt. Das hilft mir sehr in die Epoche reinzukommen.

Ich lese ebenfalls eine Artemis-Winkler-Übersetzung und zwar die von Walter Widmer. So ganz glücklich bin ich auch nicht über diverse Wortwahl und Satzstil. Das Bildnis von Manets Nana ziert auch meine Ausgabe, allerdings nur die Büste und spiegelverkehrt. Leider hat meine Ausgabe keine Anmerkungen.

Etwas verwundert hat mich im 1. Kapitel die wütenden und barschen Kommentare der Figuren. Jeder ist auf irgendeine weise verärgert und gibt dem Ausdruck; auch die Menschenmenge insgesamt.

Sehr hilfreich auch der Hinweis, dass das Stück "Die blonde Venus" eine Parodie auf Jacques Offenbachs "La belle Hélène". Ich habe im Wikipedia unter dem Stichwort "Parodie" gelesen, dass gerade im 19. Jahrhundert viele Theatergattungen wie Opéra comique, Pantomime, Melodram und Posse entstanden.

Interessant der Hinweis, dass Nana kein schauspielerisches Talent hat und nicht singen kann, doch im Moment scheint das nicht wichtig zu sein für ihre "Karriere". Sie singt wie eine "Dampfpfeife" :mrgreen:
Schöne Grüße, Maria
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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » Mo 5. Sep 2011, 13:50

Hallo zusammen,

Yvonne, schön, dass Dein Exemplar inzwischen da ist. :-)
Dass Du nur langsam vorwärts kommen wirst, wegen der kleinen Schrift, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich kann das auch schlecht. Es bremst mich im Lesefluss. Ich brauche für eng bedruckte Bücher länger als für andere. Die Insel-TB-Ausgabe ist übrigens auch eng bedruckt. Das Lesen am Kindle ist natürlich da sehr komfortabel, da man die Schriftgröße selbst einstellen kann. Mir hilft das sehr.

Ich hatte die Übersetzung von Armin Schwarz ja verlinkt (google.books). Was mich jetzt – in Kenntnis der Streichungen in der Übersetzung – auffällt, ist die angegebene Seitenzahl. In der Vorschau wird wohl bis Seite 197 angezeigt. Die übrigen Seiten (198 bis 371) werden nicht in der Vorschau angezeigt. Aber das sagt mir doch, dass die Armin Schwarz-Übersetzung 371 Buchseiten umfasste, oder seht Ihr das anders? Falls ja, dann dürften die Streichungen gravierend werden. Denn meine eng bedruckte Insel-TB-Ausgabe umfasst 493 Seiten.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » Mo 5. Sep 2011, 14:56

Hallo zusammen,

nach den ersten drei Kapiteln kommt man nicht umhin zu erkennen, dass es sich bei „Nana“ wahrlich um ein opulentes Sittengemälde handelt.

Zu den von mir bereits gelesenen 3 Kapiteln nun im folgenden mehr.

1. Kapitel:

Wie ich bereits sagte, tat ich mich mit dem 1. Kapitel etwas schwer. Woran lag das? Ich denke, die Lebhaftigkeit (sie gehört zu diesem Abend im Varietétheater natürlich dazu, und ist ohne Frage sehr authentisch geschildert) verursachte mir zu viel Unruhe beim lesen. Dabei ist das im Grunde wirklich sehr gut gelungen: Dieses springen des Blicks von einer Figur zur anderen, ganz wie es an einem Abend im Theater so ist. Der Blick bleibt überall und nirgends hängen. Und genauso kommt diese Szene auch herüber. Verursacht damit aber auch die gleiche Unruhe, wie man die Aufregung vor der Aufführung eines Stück verspürt, und in den Pausen.

Ein zweites waren die vielen Figuren, die grob umrissen wurden. Das wurde mir zu viel, ich konnte mir die einzelnen nicht gut merken. Aber das anlesen der kommenden Kapitel zeigte mir, dass es nicht durchgängig so bleibt. Und wie gesagt: Die Unruhe passte ja auch zu der fiebrigen Aufregung, die in dem Theater herrschen musste.

Ich lese ebenfalls eine Artemis-Winkler-Übersetzung und zwar die von Walter Widmer. So ganz glücklich bin ich auch nicht über diverse Wortwahl und Satzstil.


Ich bin in dem Punkt wirklich sehr gespannt auf Steffis Vergleiche mit dem Original. Mich würde auch interessieren, wie nah die jeweiligen Übersetzungen an Zolas Vorlage sind. Was es am authentischsten trifft. Zumal man hier auch nicht ganz sicher sein kann, wo Zola absichtlich derbe war, um das Millieu authentisch zu schildern, und wo ein Übersetzer eine unglückliche Wortwahl getroffen hat.

Etwas verwundert hat mich im 1. Kapitel die wütenden und barschen Kommentare der Figuren. Jeder ist auf irgendeine weise verärgert und gibt dem Ausdruck; auch die Menschenmenge insgesamt.


Das ist sicher ein Teil dessen, was mich so unruhig gemacht hatte, beim lesen. Und mir auch nicht so behagt hat. Eine unangenehme Unruhe. Aber ich denke auch, dass es prägnant für das 1. Kapitel ist, weil es einfach das geschäftige Treiben, die gereizte Unruhe vor und zwischen einer Aufführung widerspiegelt. Und die Frage ist auch die Motivation der jeweiligen Figuren, sich die Vorstellung anzusehen. Bordenave will eine gute Kritik, und ärgert sich über die konsequente Weigerung Faucherys, dieses Theater als Bordell zu erkennen. Viele andere Herren lechzen darauf, Nana zu sehen, weil man über sie schon viel gehört hat. Wahrscheinlich sind sie innerlich bereits hochgradig erregt, und deshalb allesamt unwirsch.

Interessant der Hinweis, dass Nana kein schauspielerisches Talent hat und nicht singen kann, doch im Moment scheint das nicht wichtig zu sein für ihre "Karriere". Sie singt wie eine "Dampfpfeife"


Ja, da wird schon offenkundig, dass sie niemand wegen ihres Gesangs engagiert hat, und viele Zuschauer auch nicht wegen eines möglichen gesanglichen Talents gekommen sind, sondern um Nana zu sehen, über die man schon viel gehört hat. Und die wenigen, die noch daran glauben, dass es in dem Theater um die Aufführung, also die Kunst geht, lassen sich umstimmen. Sicher nicht zuletzt durch die beinahe durchsichtige Bekleidung.

2. Kapitel:

Im 2. Kapitel geht es zunächst ruhiger zu. Bis auf die ganzen Besucher, die an Nanas Tür klingeln. Dieses Kapitel gibt Aufschluss über die Person der Nana, und wie sie ihr Geld verdient. Selbst die Bleibe war von einem Freier für sie angemietet worden. Allerdings muss sie nun für die Miete selbst aufkommen. Die Verabredungen, die man für sie organisiert, sind Nana verhasst. Das äußert sich erfreulich nebenbei. Zola erklärt nichts. Das gefällt mir. Durch Nanas Trägheit, mit der sie der Verabredung, die sie einhalten muss, entgegensieht, die innere Abneigung gegen diese Verabredungen, ihr Wunsch einmal eine Nacht lang Ruhe zu haben, allein in ihrem Bett zu liegen. Man merkt, wie sehr es ihr im Grunde zuwider ist.

Im Verlauf des Romans soll Nana ihre Liebhaber ja zugrunde richten, in ihrem rasanten Aufstieg in der Gesellschaft. Das 2. Kapitel gibt mir ein besseres Verständnis für ihre möglichen Motive. Welchen Respekt soll sie vor diesen Herren haben?

Das zweite Kapitel hat mir sehr gefallen. Es war auch stimmungsvoll, wenn auch (passend) deftig gezeichnet.

3. Kapitel:

Bei dieser Dienstags-Gesellschaft bei Gräfin Sabine bekommt der Leser es wieder mit vielen Figuren zu tun. Die meisten sind von dem Theater-Abend schon bekannt, und erhalten nun weitere Konturen. Etwas ominös ist dieses Werben um Gäste für das kommende Souper bei Nana. Es geht offenbar um leichte Mädchen, die dort anwesend sein soll. Wahrscheinlich damit sich die feinen Herren eine auswählen können.

Fauchery hingegen scheint sich für Gräfin Sabine zu interessieren. Das schwang in der Armin Schwarz-Übersetzung etwas leiser mit. Erich Marx findet in seiner Übersetzung deutlichere Worte dafür. Merkwürdig, wie die Übersetzungen auseinander gehen. Und schade ist das auch, denn es scheint einiges verloren zu gehen. Oder wurde in den anderen etwas verdeutlicht, was bei Zola nur angedeutet wurde? Ich bin sehr auf Steffis Vergleiche mit dem Original gespannt.

Zwei der Stellen, in der Erich Marx-Übersetzung, die deutlich machen, dass Fauchery sich eine Affäre mit Gräfin Sabine wünscht:

Gerade ist von seinem Freund in Mexiko die Rede, der angedeutet haben muss, dass mit Gräfin Sabine was zu machen sei. In den unterschiedlichen Übersetzungen klingt das so:
Erich Marx: Von sinnlicher Neugier getrieben, hatte er sich seitdem gewünscht, bei den Muffats eingeführt zu werden; und da jener Freund in Mexiko geblieben war, mußte man eben selber die Augen offen halten… wer weiß? das war ja bestimmt nur dummes Geschwätz, aber der Gedanke quälte ihn, er fühlte sich zu ihr hingezogen, und ein lasterhafter Trieb war in ihm erwacht.

Armin Schwarz: Hierauf vertiefte er sich wieder in Träumereien und kam auf die vertrauliche unbestimmte Mitteilung zurück, die ihm eines Abends in dem Nebenzimmer eines Restaurants gemacht worden war. Von einer sinnlichen Neugier getrieben, hatte er danach verlangt, bei Muffat eingeführt zu werden. Da sein Freund in Mexiko geblieben war, wer konnte wissen, was kommen würde? Man mußte eben zusehen. Er beging ohne Zweifel eine Torheit; schon der Gedanke verwirrte ihn, er fühlte sich angelockt, und seine Sinnlichkeit erwachte.

Auch am Ende des 3. Kapitels finden beide Übersetzer doch recht unterschiedliche Worte:

Erich Marx: Sie plauderte bedächtig mit dem Bürochef und schien sich für die Unterhaltung dieses dicken Mannes sehr zu interessieren. Entschieden, er hatte sich geirrt, mit der war nichts zu machen. Schade!

Armin Schwarz: Fauchery blickte noch einmal nach der Gräfin Sabine und schloß darauf die Tür. Sabine unterhielt sich gemütlich mit dem Bürochef und schien sich für die Unterhaltung des dicken Herrn zu interessieren. Entschieden mußte Fauchery sich getäuscht haben, denn es war durchaus nichts von einem Bruch zwischen dem Grafen und seiner Gattin zu bemerken.

Was im 3. Kapitel auch sehr auffällig ist, sind die Streichungen in der Armin Schwarz-Übersetzung. Gesprächsfetzen der Figuren untereinander, die die eigentliche Handlung nicht voran bringen, sind weggelassen. Das nimmt natürlich einiges der Lebendigkeit und der Opulenz des Sittengemäldes. Denn gerade diese feinen Details entführen uns ja in die Zeit von damals. Die Gespräche, die man miteinander führte, die Themen (Klatsch), der kursierte. So richtig glücklich kann man mit der Übersetzung Armin Schwarz‘ nicht sein.
Liebe Grüße,
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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon JMaria » Mo 5. Sep 2011, 16:31

Hallo zusammen,

nochmals zu "unglückliche Wortwahl". In meiner Ausgabe (Übersetzung von Walter Widmer) heißt es Nana singe wie eine Dampfpfeife. Auf Zeno-Org heißt es:

sie sang wie eine Klistierspritze

da weiß man nicht soll man weinen oder lachen ;-)

Edit:

hier gibt es "Nana" als Lesung (kostenfrei):
http://www5.stuttgart.de/stadtbibliothek/
Schöne Grüße, Maria
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