Emile Zola - Nana

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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon steffi » Di 6. Sep 2011, 09:46

Petra hat geschrieben:Dass es von Manet ist, und es wirklich Zolas Nana darstellen soll, wusste ich allerdings nicht.

Das Gemälde ist ja schon vor dem Roman entstanden, allerdings sei Manet wohl vom Auftreten der Nana im Totschläger inspiriert worden.

Petra hat geschrieben:Auch dass Nana einen Stammbaum hat, dass sich ihr Alter in dem Roman bemessen lässt (schade, dass es da eine Abweichung gibt, aber interessant, wie Du das belegen kannst durch die Weltausstellung), finde ich interessant.

Anscheinend ist das von Zola durchaus kein Irrtum gewesen, denn er schrieb den Stammbaum kurz vor dem Beginn von Nana. Allerdings soll das höhere Alter ein Zugeständnis für die Leser gewesen sein.

Petra, deine Zusammenfassung vom ersten Kapitel gefällt mir sehr. Du hast die Stimmung ganz gut erfasst, diese Unruhe, aber auch die Sensationsgier.

Das Stück spielt keine Rolle, die Kunst der Schauspieler ebenfalls nicht, einzig zählt, dass Nana so gut wie nackt auftritt. Auch damals wohl nicht gang und gäbe. Auch die Faben, die Zola wählt - granatrot, gold, dazu die Schäbigkeit des Theaters unter dem Glanz, das sind schon deutliche Anspielungen an diese Gesellschaft. Man sollte auch immer daran denken, das Zola Naturalist ist, d.h. er will die Realität schildern und schmückt nichts aus. Man kann also davon ausgehen, dass die Atmosphäre tatsächlich so war und nicht viel übertrieben oder hinzugedichtet ist.

Insgesamt fand ich das erste Kapitel auch etwas sperriger zu lesen als das 2. Kapitel. Hier sieht man schon den Charakter von Nana, die unbekümmert das schwerverdiente Geld gleich wieder spendet. Diese Naivität macht sicher auch ihren Reiz aus, ebenso diese laszive Faulheit. Trotzdem ist sie, oder gerade deshalb, gleich sympathisch und wirkt so auch auf die zahlreichen Verehrer. Auch die zwei Freundinnen und das Hausmädchen konnte ich mir gleich vorstellen. Aber alles wird doch von Nana überstrahlt, gleichzeitig mit den drei Frauen wartete ich ungeduldig auf Nanas Wiederkommen.
Gruss von Steffi

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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » Di 6. Sep 2011, 11:56

Hallo zusammen,

Steffi hat geschrieben:Das Gemälde ist ja schon vor dem Roman entstanden, allerdings sei Manet wohl vom Auftreten der Nana im Totschläger inspiriert worden.


Ah, ok. Und auch interessant, dass Zola wohl durchaus beabsichtigt hatte, Nana 2 Jahre älter zu machen (abweichend vom Stammbaum). Und der wahrscheinliche Grund dafür. Danke für die wissenswerten Details.

Maria hat geschrieben:nochmals zu "unglückliche Wortwahl". In meiner Ausgabe (Übersetzung von Walter Widmer) heißt es Nana singe wie eine Dampfpfeife. Auf Zeno-Org heißt es:

sie sang wie eine Klistierspritze

da weiß man nicht soll man weinen oder lachen ;)


Schade, ich habe in der Armin Schwarz-Übersetzung die entsprechende Stelle nicht gefunden. Ich würde ja weiter suchen, wenn ich mir sicher wäre, dass es sie gibt. Denn einiges ist offenbar ja komplett entfallen. Aber auch bei Erich Marx werde ich noch mal nachschauen. Die Stellen sind in den von Dir genannten Übersetzungen ja wirklich grausig. Ich fürchte, es ist – zumindest bei Armin Schwarz – nicht besser. ;-)

Dass es eine kostenfreie Lesung gibt, ist ja interessant. Danke für den Link!

Nochmal zu Kapitel 1: Schön, dass Du mit meiner Zusammenfassung des 1. Kapitels etwas anfangen konntest, Steffi, und mir die Nachzeichnung der Stimmung dort gelungen ist.

Ich finde es auch wichtig, in Anbetracht Zolas Beschreibungen des Milieus zu bedenken, dass er Naturalist war. So kann man davon ausgehen, dass die Beschreibungen schon sehr genau sind, und keine Übertreibungen enthalten. Ich habe im Internet auch mehrfach gelesen, dass Zola für „Nana“ großangelegte Studien des Milieus betrieben hat, um die Welt der Nana – die ja doch eine etwas andere ist – möglichst genau darzustellen.

Das mit den Farben hast Du schön beobachtet. Verruchtes rot, oder schwarzer Samt, gold, und – genau Steffi – dazu die Schäbigkeit des Theaters. Dieser Kontrast zeigt schon genau, in welchem Milieu man sich hier befindet. Das ist ihm toll gelungen. Übrigens auch überhaupt das Gewimmel im 1. Kapitel. Auch wenn es mir den Einstieg in diesen Roman erschwert hat, aber es passt! So fühlt sich die Stimmung an vor einer Aufführung und in den Pausen. Dieser unruhige Blick auf alles, weil jede Sekunde sich ein neuer Eindruck in den Blickwinkel schiebt. Und richtig: Auch die Sensationsgier kommt gut rüber. Somit auch die unterschwellig gereizte Stimmung, die Maria vernommen hat. Denn jeder ist nur auf das Ziel (Nana) gerichtet, und erwartet ihr Erscheinen unruhig und erregt.

Für mich war interessant, dass auch Du Steffi, das 1. Kapitel etwas sperriger zu lesen fandst als das 2..

Was Du über die Figur der Nana schreibst, finde ich sehr gut getroffen. Ihre Naivität macht sie sympathisch, bzw. man sieht ihr alles mögliche nach, weil sie sich gar nichts böses dabei denkt. Und die laszive Faulheit hast Du auch sehr schön beobachtet. Ich denke auch, dass das ihren Reiz ausmacht, dem alle erliegen. Und auch mir ging es so, dass ich Nanas Rückkehr im 2. Kapitel mit der Anstandsdame und der Tante ungeduldig erwartete. Aber auch die Stimmung beim Kartenspiel, während des Wartens auf Nana, war gut getroffen.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon YvonneS » Di 6. Sep 2011, 15:18

Hallo zusammen,

auch ich habe mittlerweile das 1. Kapitel gelesen und bin mittendrin im 2. Ich hatte anfangs so meine Probleme, in den Roman reinzukommen. Die Sprunghaftigkeit und Unruhe im 1. Kapitel hatten für mich etwas Gehetztes an sich, das sich auch irgendwie auf mich übertragen hat. Dass dies aber letztendlich die Atmosphäre im Theater und die gespannte Erwartungshaltung des Publikums widerspiegelt - soweit hab ich gar nicht gedacht. Das erklärt für mich dann aber diese Sperrigkeit des 1. Kapitels.

Ich hatte auch Probleme mit den vielen Personen, die Zola gleich im 1. Kapitel ins Rennen schickt. Den Überblick hatte ich schnell verloren, da es wenig Merkmale gab, an denen man diese Personen festmachen konnte, um sie auseinanderzuhalten. Da hilft bei mir dann aber immer der gute alte Trick, sich die Namen zusammen mit ein paar Eckdaten zur Person aufzuschreiben.

Die größten Probleme bereitet mir allerdings die Sprache. Dass bei den Übersetzungen hier einiges im Argen liegt, haben wir ja schon festgestellt. Ich lese wie Maria die Widmer-Übersetzung und die ist teilweise wirklich ziemlich unglücklich. Da sind solche Worte wie „im Handkehrum“ statt „im Handumdrehen“ ja noch das kleinere Übel, sorgen manchmal auch für unfreiwillige Komik. Zu schaffen machen mir da eher vereinzelte Sätze, deren abstruse Formulierungen mich manchmal arg ins Grübeln bringen, wie z. B. dieser Satz:

Er hatte Angst, man könnte ihn über die Achsel ansehen, wenn er seine tollpatschige Fassungslosigkeit gar zu offen zeigte“. :?:

Letztendlich ist wahrscheinlich gemeint, dass er Angst hatte, man würde ihm die kalte Schulter zeigen.

Das 2. Kapitel liest sich weitaus angenehmer und langsam gewöhne ich mich auch an die „verquere“ Sprache. ;)
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » Di 6. Sep 2011, 16:00

Hallo Yvonne,

ich finde das ausgesprochen interessant. Denn am 1. Kapitel hätte ich ja beinahe ausgemacht, das Buch nicht mitzulesen. Denn es hat mich so unruhig gemacht, in seiner Sprunghaftigkeit, und den vielen Personen, die kurz namentlich genannt werden, aber bei denen der Blick nie lange verweilt. Dass der Schauplatz diese Unruhe mit sich bringt, und es sich nicht durchs ganze Buch so zieht, erkannte ich dann in Kapitel 2 (und weiteren, die ich kurz angelesen hatte, um zu entscheiden, ob ich mitlese oder nicht). Dass es gar nicht nur mir alleine so ging, ist beruhigend.

Im 3. Kapitel sind abermals viele Figuren anwesend. Aber da man den meisten schon ein zweites mal begegnet, fiel es mir schon leichter. Dein Tipp mit den kurzen Notizen zu den einzelnen Figuren, um die Übersicht nicht zu verlieren, finde ich gut.

Die Beispiele für die doch recht denkwürdige Übersetzung von Widmer sind hilfreich, um die Übersetzung (auch im Vergleich zu den anderen) einzuschätzen. Bei Armin Schwarz muss ich auch manchmal etwas überlegen. Z. B. es heißt „Ein Durchfall! Ein Durchfall!“ anstatt Reinfall oder ähnliches.

Erich Marx löst einige Stellen eleganter und geschmeidiger. Die Frage ist natürlich, was näher an Zola ist.

Bei meinem Vergleich vor einigen Wochen, hatte ich mich jedenfalls bewusst für die Erich Marx-Übersetzung entschieden, da mir der beim Vergleich noch am meisten lag. Hätte ich jetzt keinen Kindle, und somit die kostenlose Armin Schwarz-Übersetzung, würde ich ausschließlich diese lesen. So hilft sie mir aber zum Vergleich, und zum auffangen der gestrichenen Stellen. Denn bei Armin Schwarz fehlen ja einige Sätze. Merkwürdig.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon steffi » Mi 7. Sep 2011, 09:24

Ich habe jetzt mal einen kleinen Vergleich der Übersetzungen angestellt. Die Abweichungen sind enorm ! Ja, auch ich habe die Walter Widmer - Übersetzung, Rita Schober ist nur die Herausgeberin.

Anfang 2. Kapitel:

Armin Schwarz (Projekt Gutenberg):
Aber in der dumpfen Luft dieses verschlafen daliegenden Gemachs fuhr jetzt Nana jäh aus ihrem Schlummer auf: sie schien erstaunt zu sein, den Platz neben sich leer zu finden. Sie betrachtete das zweite Kissen, das neben dem ihrigen lag und noch die laue Höhlung eines Kopfes inmitten des Spitzenbesatzes zeigte.

Walter Widmer (Winkler Verlag):
In der schwülen Wärme dieses verschlafenen Zimmers fuhr Nana plötzlich aus ihrem Schlummer auf, als hätte sie das Gefühl geweckt, der Platz neben ihr sei leer. Sie warf einen Blick auf das zweite Kissen, das neben dem ihren ausgebreitet lag - es zeichnete sich, noch fast warm, die Einbuchtung eines Kopfes mitten in den Gipürstickereien ab.

Emile Zola:
Mais, dans la moiteur de cette chambre ensommeillée, Nana s'éveilla en sursaut, comme surprise de sentir un vide près d'elle. Elle regarda le second oreiller qui s'étalait à côté du sien, avec le trou encore tiède d'une tête, au milieu des guipures.

Ich weiß nicht, beide Übersetzungen kommen mir schrecklich vor. "Schwüle Wärme" oder "dumpfe Luft", la moiteuer heißt Feuchtigkeit. Im nächsten Halbsatz "...sie schien erstaunt zu sein, den Platz neben sich leer zu finden." ist Armin Schwarz dichter am Original. Von "...Gefühl geweckt..." steht da nämlich nichts. Dann wieder am Ende des Satzes ist es Walter Widmer, der näher am Original ist.

Etwas später:

Armin Schwarz (Projekt Gutenberg):
Nana, die sich mit dem Ellbogen auf das Kissen stützte, antwortete nur durch ein Wiegen ihres Kopfes. Ihr Hemd war herabgeglitten, die aufgelösten wirren Haare rollten über ihre nackten Schultern.

Walter Widmer (Winkler Verlag):
Nana hatte den Ellbogen auf ihr Kissen aufgestützt und gab ihre Zustimmung lediglich hie und da durch ein Kopfnicken zu erkennen. Ihr Hemd war heruntergerutscht, wirr hing ihr das aufgelöste Haar auf die Schultern herab.

Emile Zola:
Nana, le coude dans l'oreiller, ne répondait que par des hochements de tête. Sa chemise avait glissé, ses cheveux dénoués, embroussaillés, roulaient sur ses épaules.

Hier ist im Original nicht von aufstützen die Rede, einfach nur "den Ellbogen auf dem Kissen", danach tendiere ich mehr zu Armin Schwarz, ich würde übersetzen: ... antwortete nur durch ein Kopfnicken. Beim nächsten Satz herrscht Gleichstand - ich würde übersetzen: Ihr Hemd war herabgeglitten, die Haare hingen aufgelöst, wirr, auf ihre Schultern herab.

Aus den paar Beispielen, die ich gelesen habe, denke ich, dass zwar Armin Schwarz näher am Original übersetzt, aber dabei viele unglückliche Formulierungen in Kauf nimmt. Da schüttelt es einen ja manchmal regelrecht. Walter Widmer interpretiert aber doch zu viel, bei ihm gibt es öfter ein ganz anderes Bild ab. Zolas Stil scheint längst nicht so verschnörkelt und gewunden zu sein, wie Walter Widmer es erscheinen lässt, eher direkt und präziser. Man sieht auch schon an den Beispielsätzen, dass Widmer immer deutlich längere Sätze hat. Ich muss sagen, ich bin von keinem begeistert. :?
Gruss von Steffi

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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » Mi 7. Sep 2011, 10:05

Hallo zusammen,

Steffi, das ist ja großartig, dass Du diese Vergleiche angestellt hast. Ich danke Dir, besonders auch für die Mühe eine eigene Einschätzung vorzunehmen. Denn mein Französisch würde nicht ausreichen.

Die Stelle mit der "Schwülen Wärme" oder "dumpfen Luft" ist schon bezeichnend. Denn (zumindest in der Armin Schwarz Übersetzung) Zola erklärt ja, dass Nana diese Wohnung trocken wohnt. Zitat: “Sie bewohnte auf dem Boulevard Haussmann die zweite Etage eines großen neuen Gebäudes, dessen Eigentümer an ledige Damen vermietete, um seine Zimmer »trocken wohnen« zu lassen.“

So glaube ich auch, dass Zola lediglich die Luftfeuchtigkeit meint, die gewiss in den noch feuchten Räumen herrscht.

Generell auch sehr interessant für mich, dass Zola eher schnörkellos schreibt. Armin Schwarz wirkt so auf mich: meistenteils schnörkellos. Zumindest schnörkelloser als Erich Marx, den ich zum Vergleich ja herbeiziehen kann.

Ich werde in den nächsten Tagen diese beiden von Dir zitierten Stellen auch heraussuchen, und hier die Übersetzung von Erich Marx zitieren. Sicherlich auch interessant, zum weiteren Vergleich.

Schade, dass es anscheinend keine der Übersetzungen schafft, wirklich authentisch Zolas Roman wiederzugeben.

Edit: Armin Schwarz’ teils unglücklichen Formulierungen beruhen vielleicht auch auf der Tatsache, dass die Übersetzung schon alt ist (sie müsste aus den 20er Jahren stammen), und sein Sprachgebrauch heute so umständlich wirkt? Ich kann das schlecht einschätzen. Wollte den Gedanken aber einwerfen. Weiß jemand, von wann die Übersetzung von Walter Widmer ist?
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon JMaria » Mi 7. Sep 2011, 10:55

Hallo zusammen,

wie man es dreht und wendet, die verfügbaren Übersetzungen von "Nana" liegen allesamt sehr im argen. Widmer interpretiert schon sehr und stellenweise habe ich nicht das Gefühl einen Zola zu lesen.


Petra hat geschrieben: Edit: Armin Schwarz’ teils unglücklichen Formulierungen beruhen vielleicht auch auf der Tatsache, dass die Übersetzung schon alt ist (sie müsste aus den 20er Jahren stammen), und sein Sprachgebrauch heute so umständlich wirkt? Ich kann das schlecht einschätzen. Wollte den Gedanken aber einwerfen. Weiß jemand, von wann die Übersetzung von Walter Widmer ist?



Walter Widmers Übersetzung stammt von 1959!


zum Inhalt:

Petra hat geschrieben:Fauchery hingegen scheint sich für Gräfin Sabine zu interessieren. Das schwang in der Armin Schwarz-Übersetzung etwas leiser mit. Erich Marx findet in seiner Übersetzung deutlichere Worte dafür.



ich frage mich, ob die Gräfin Sabine als eine Art Gegenpol zu Nana konzipiert ist. Ausschlaggebend war für mich diese Stelle im 3. Kapitel:


...Doch da fiel ihm (Fauchery) ein Muttermal in die Augen, das die Gräfin auf der linken Wange dicht beim Munde hatte, und das überraschte ihn. Nana hatte genau das gleiche Mal. Komisch war das ja. Auf dem Mal kräuselten sich kleine Härchen; nur waren sie bei Nana blond, und hier bei der anderen kohlschwarz. Gleichviel, diese Frau schlief mit keinem Liebhaber.


oder wird es gar am Ende zu einem Zusammenbruch hinauslaufen, so dass die "Heiligen" nicht mehr von den "Sündern" zu unterscheiden sind? Ein Krieg würde dies evtl. auch herbeiführen; denn die Geschichte spielt ja sozusagen am Vorabend des Krieges von 1870/71 und dem Untergang des zweiten Kaiserreichs. Der Untergang eines fragwürdig gewordenen Bürgertums.
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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » Mi 7. Sep 2011, 11:24

Hallo zusammen,

dass Gräfin Sabine das gleiche Muttermal wie Nana aufweist, ist mir auch aufgefallen. Mein flüchtiger Gedanke dazu war, ob es wohl eine verwandtschaftliche Verbindung zwischen den beiden Damen geben kann. Ich finde Deinen Gedankengang aber plausibler und reizvoller, Maria. Auch im Hinblick auf den Zeitpunkt (Vorabend des Krieges), zu dem der Roman enden soll. Der Verfall einer Gesellschaft, in der Heilige von Sündern nicht mehr zu unterscheiden sind, scheint mir hier ein nachvollziehbarer Gedanke. Schön beobachtet, Maria!

Auch Danke für das Jahr der Übersetzung Widmers.

Da ich noch keinen Vergleich zu anderen Romanen Zolas habe, bin ich umso offener für Eure. Gut zu wissen, dass Du, Maria, z. B. nicht den Eindruck hast, mit der Widmer-Übersetzung einen Zola vor Dir zu haben.

Eine Frage an alle, die schon mehr von Zola kennen: Welchen Roman (in welcher Übersetzung) würdet Ihr als typisch Zola bezeichnen? Das würde ich ggf. in meine nächste Auswahl mitnehmen. Denn generell scheint mir Zola wirklich interessant. Gerade wegen des Naturalismus.
Liebe Grüße,
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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon steffi » Do 8. Sep 2011, 08:53

Ich bin immer noch hin- und hergerissen von den beiden Üersetzungen. Gerade habe ich den Anfang des 4. Kapitels bei beiden gelesen und die eine ist so schlecht wie die andere ... Armin Schwarz lässt einfach ganze Sätze und Beschreibungen aus, während er in anderen Formulierungen viel treffender ist; Walter Widmer schmückt aus und entstellt so manchmal leicht den Sinn. Dann wieder Fehler - Marie Blond ist 15, wie auch bei Widmer, während sie bei Schwarz 17 ist. Ich sollte mich jetzt endlich mal für eine Übersetzung entscheiden !

@Petra: Ich habe bisher keine Vergleiche zu den anderen Zola-Übersetzungen gemacht, es waren u.a. Hilde Westphal /Paradies der Damen, Gerhard Krüger/Der Totschläger, Hans Balzer/Das Werk. Mir ist dabei nicht wirklich gravierendes aufgefallen, allerdings lese ich auch nicht unbedingt immer sehr aufmerksam.

Inhaltlich schließe ich mich JMarias Meinung an (ich kann mich nicht mehr wirklich an den Inhalt erinnern) - ich denke, dass die Gräfin Sabine als Gegenentwurf gemeint ist und auch, dass sich die beiden "Gegensätze" aufeinander zu bewegen, bzw. im Grunde gar keine Gegensätze sind. Denn es gibt von Fauchery so kleine Andeutungen, dass sie keinen Liebhaber hätte, dass ihre Beziehung zu ihrem Mann keinen Riss habe. Also, da könnte sich etwas anbahnen.
Gruss von Steffi

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Re: Emile Zola - Nana

Beitragvon Petra » Do 8. Sep 2011, 09:18

Hallo zusammen,

mag es sein, dass Armin Schwarz diese Beschreibungen nicht ausgelassen hat, sondern dass der Verlag damals diese Streichungen vorgenommen hat? Weil man diese Sätze für nebensächlich hielt z. B.? Mir fällt da auch ein, dass selbst ohne eine Übersetzung, bei Fallada damals Streichungen vorgenommen wurden. Vielleicht verhält es sich hier – wenn auch aus anderen Gründen – ähnlich.

Das könnte auch die unterschiedliche Altersangabe von Marie Blond betreffen. So mag es sein, dass der Verlag, der die Schwarz-Übersetzung herausbrachte, nicht zulassen wollte, dass in dem Roman ein Mädchen von 15 Jahren schon so verworfen ist, und änderte das Alter in 17 um?

Es ändert natürlich nichts daran, dass die Schwarz-Übersetzung somit die Vorlage verändert hat. Aber wie ich sehe, macht Widmer das auf andere Art. In dem er ausschmückt und interpretiert.

Somit ist es wirklich schwierig, sich für eine von den beiden Übersetzungen zu entscheiden. Und ein vergleichsweises lesen macht zwar ständig auf diese Fehler oder absichtlichen Änderungen aufmerksam, aber es gibt auch vielleicht insgesamt einen runderen Eindruck von Zolas Vorlage.

Danke Steffi, für die Nennungen der anderen Zola-Romane (und die jeweiligen Übersetzungen), die Du bereits gelesen hast.

Ich befinde mich übrigens auch zu Anfang des 4. Kapitels. Wieder viele Namen, wieder viel Gewimmel. Einerseits authentisch, andererseits auch schwierig, die vielen Figuren auseinander zu halten. Bei einigen gelingt es inzwischen, bei anderen dauert es sicher noch etwas. Und neue sind auch schon hinzugekommen.
Liebe Grüße,
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