Péter Nádas: Parallelgeschichten

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Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon steffi » So 14. Apr 2013, 20:06

Ich eröffne mal den Leserunden-thread !

Ich bin schon sehr gespannt, was uns erwartet. Zumindest sind die Seiten sehr dünn, ich bin neugierig, wann ich die erste einreiße ...

Zum Buch verlinke ich mal einen FAZ-Artikel:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b ... 76088.html
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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon JMaria » Mo 15. Apr 2013, 10:45

Hallo steffi,

danke fürs Eröffnen des Threads, ich freu mich sehr auf die Leserunde !

auch ich habe einen Link gefunden, darin finden sich Gesprächsaufnahmen mit Peter Nadas, der übrigens sehr gut deutsch spricht, auf Studio LCB

http://www.lesungen.net/lesungen/studio-lcb-1754/

Wir dürfen uns darauf freuen, daß die Natur eine zentrale Rolle in seinem Werk spielt; Natur und Mensch, Raum und Zeit, ist ihm immer ein Anliegen und sie werden in seinem neuesten Werk im Auflösen begriffen sein, wenn ich das richtig verstanden habe.
Schöne Grüße, Maria
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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon steffi » Di 16. Apr 2013, 09:11

Die ersten zwei Kapitel habe ich nun gelesen. Im ersten Eindruck empfinde ich den Stil sehr kraftvoll und intensiv, gleichzeitig sehr flüssig zu lesen. Schön, die Atmosphäre.

Ein bißchen Gänsehautfeeling hatte ich, da die Personen, die vorkommen, schon alle sehr seltsam agieren. Dr. Kienast mit dem Geruch, der ihn an der Leiche so anzieht und Döhring (klingt wie Göhring ?), der irgendwie sehr seltsam ist. Er trägt die gleichen Unterhosen wie der Tote, oder ? In den zwei Kapiteln ist vieles sexualisiert, da bin ich gespannt, wie weit Nádas das noch ausbaut.

Was ich bis jetzt in den Rezensionen gelesen habe, erinnert mich doch sehr Doderer, nämlich handelnde Personen im Unklaren des Zusammenhangs zu lassen, keine oder kaum erkennbare Protagonisten, alles auf einen Zeitpunkt aufzubauen (hier: Fall der Mauer ?), plötzlicher Wechsel der Erzählperspektive, unzusammenhängende Geschehnisse bzw. die Zusammenhänge werden erst hunderte von Seiten später erläutert etc.
Gruss von Steffi

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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon JMaria » Di 16. Apr 2013, 18:33

Hallo Steffi

mir haben die ersten zwei Kapitel außerordentlich gut gefallen. Mit einem Toten im Park zu beginnen, fand ich eher unerwartet Mainstream. Doch die Spannung kommt eigentlich aus dem Verhalten der Lebenden. Du hast recht, die agieren seltsam und lösen bei mir ein Prickeln aus, diese unterschwelligen Andeutungen, die man ins nächste Kapitel trägt, finde ich raffiniert konzipiert.

Nicht nur ähnliche Unterhosen tragen Toter und Döhring, sondern beide tragen teure Schuhe, die man in London bekommt. Siehe S. 23 und S. 52

Radfahren erscheint mir auch wichtig, obwohl ich nicht wüßte warum. Doch der Hauswart drängt Döhring zum Radfahren; die Leiche hat eine Beinmuskulatur wie ein Radler. Könnte der Hauswart die Leiche sein? Doch trägt ein Hauswart teure Kleider? Paßt glaube ich noch nicht zusammen.

Warum lacht der Kommissar als er erfährt, daß Döhring in der Fasanenstraße lebt?

Sowohl auf den Kommissar wie auch auf Döhring reagieren die Leute so, daß sie sich nicht in etwas hineinziehen lassen wollen. Siehe S. 28 und S. 48

Ob solche Gemeinsamkeiten irgendwann etwas zu bedeuten haben wird sich wohl erst später herausstellen, wenn überhaupt.

[Was ich bis jetzt in den Rezensionen gelesen habe, erinnert mich doch sehr Doderer, nämlich handelnde Personen im Unklaren des Zusammenhangs zu lassen, keine oder kaum erkennbare Protagonisten, alles auf einen Zeitpunkt aufzubauen (hier: Fall der Mauer ?), plötzlicher Wechsel der Erzählperspektive, unzusammenhängende Geschehnisse bzw. die Zusammenhänge werden erst hunderte von Seiten später erläutert etc.



Dein Vergleich mit Doderer gefällt mir!

Ich glaube wir dürfen auch eine Psychologische Komponente erwarten, denn das 1. Kapitel hat den bedeutsamen Titel Vatermord und gleich zweimal fiel dieser Begriff bzw. die Umschreibung. Döhring dachte an einen Mord an seinen Vater als er die Leiche fand und war verwirrt weil ihn der Gedanke kam und der Kommissar hat einen Fall von Vatermord.

Mir fällt dazu "Totem und Tabu" von Freud ein, das ich zwar nicht gelesen habe, aber daß sich Freud mit "Vatermord" beschäftigte in Form von einer Distanzierung von einem Vorbild ist mir vage bekannt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Totem_und_Tabu

Besonders gut gefällt mir, daß vieles an Düften ausgemacht wird. Ich habe das Gefühl ich lese nicht nur, sondern der Roman fordert meine Sinne.

Döhring ist eine seltsame Figur, total überreizt, was kann man ihm glauben, wieviel ist ein Fieber oder sind es die Nerven, wenn er denkt, daß er Gottes treuester Spürhund ist. Was für ein seltsamer Begriff! erinnert mich an Goethes Spottvers um den Namensgeber der "Sturm und Drang" nämlich Christoph Kaufmann.


Ich hab als Gottes Spürhund frei
Mein Schelmenleben stets getrieben;
Die Gottesspur ist nun vorbei,
Und nur der Hund ist übrigblieben.


http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Kaufmann


Und der Kommissar hat seine Doktorarbeit über die magische, mythische und rationale Epoche in der Geschichte der Beweisführung geschrieben!

Ich glaube, auch der Autor wird uns in magische, mythische und rationale Gefilde führen und der Gedanke ist aufregend!
Schöne Grüße, Maria
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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon steffi » Do 18. Apr 2013, 09:04

Döhring ist eine seltsame Figur, total überreizt, was kann man ihm glauben, wieviel ist ein Fieber oder sind es die Nerven, wenn er denkt, daß er Gottes treuester Spürhund ist.


Interessant, deine Gedanken zu Goethe. Döhring will ja ein Geständnis machen, es bleibt aber unklar, ob es im Zusammenhang mit der entdeckten Leiche steht, der Tote war offensichtlich noch nicht tot, als er ihn fand, oder ob es um eine ältere Geschichte geht, vielleicht ein Grund, warum er seiner Familie entflieht (Vatermord?).

Auch ein guter Gedanke mit Freud und dem Inzest-Thema, das da auch vorkommt. Die Tante und ihr Gabelfrühstück (ich liebe dieses Wort) fallern mir dazu spontan ein - die beiden scheinen zumindest eine seltsame Beziehung zu haben.

Es gibt wirklich sehr viele Anspielungen und mich erinnert die Komposition sehr an Doderer - vor allem an Die Dämonen. Z.B. werden die Namen erst später genannt, der Fanatismus, den Döhring und Kienast haben. Auch im 3. Kapitel die Wohnung als gemeinsamer Ort, von dem aus zuerst die Personen im Stil des roman muet erläutert werden. Finde ich sehr raffiniert gemacht, fast wie eine Kamerafahrt von einem zum anderen.
Gruss von Steffi

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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon JMaria » Do 18. Apr 2013, 19:14

Das 3. Kapitel - ein herrschaftliches Haus habe ich noch nicht ganz durch.

Der Leser wird zurück versetzt ins Jahr 1961 nach Budapest. Die bildhafte Sprache über das Haus und die Einrichtung, die Bewohner und der Verfall, hat mir sehr gut gefallen, gefällt mir eigentlich immer besser.

Mir fielen Parallelen auf:

Wir befinden uns in der Ringstraße, Budapest.
In den vorigen Kapitel erfuhren wir, daß der Student Döhring in der Fasanenstraße in Berlin wohnt, früher hieß sie ebenfalls mal Ringstraße. Zufall?

Noch eine resolute Tante und ein Neffe, Kristof, der rebelliert.

Der Architekt Samu Demen, der den Häuserkomplex gebaut hat, war wie der Kommissar und der Student, ein Mensch, von dem es heißt, daß Leute ihn mieden.


vielleicht gibt es noch ein paar Parallelen, die ich übersehen habe.

Wie hat dir die Naturbeschreibung am Anfang diesen Kapitels gefallen?
Ich fands faustisch düster an diesem Tag der Tagundnachtgleiche ! Und wie oft auf Teufel, Satan, Hölle geflucht wird ist schon auffallend oder?

Finden sich Anspielungen auf Goethes Werken in den Parallelgeschichten? Vielleicht den Faust?

Das 1. Buch heißt bezeichnend "in stummen Gefilden" ( stumm - ein Hinweis auf einen roman muet?)

Immerhin kommt in Faust I "Gefilden" vor:

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
die eine will sich von der andern trennen:
Die eine hält in derber Liebeslust
sich an die Welt mit klammernden Organen;
die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
zu den Gefilden hoher Ahnen.
(Faust I, Vor dem Tor)


Ganz schön aufregend diese eventuellen Zusammenhänge (die ich mir aber auch einbilden könnte, noch sind wir ja noch nicht sehr weit im Buch fortgeschritten )


Es gibt wirklich sehr viele Anspielungen und mich erinnert die Komposition sehr an Doderer - vor allem an Die Dämonen. Z.B. werden die Namen erst später genannt, der Fanatismus, den Döhring und Kienast haben. Auch im 3. Kapitel die Wohnung als gemeinsamer Ort, von dem aus zuerst die Personen im Stil des roman muet erläutert werden. Finde ich sehr raffiniert gemacht, fast wie eine Kamerafahrt von einem zum anderen.



ein toller Gedanke. Du hast recht, der roman muet klingt hier durch, wäre mir aber nicht aufgefallen. Und wie du auch in einem vorigen Beitrag erwähnst, gibt der Autor keine genaue Zeitangaben, sondern umschreibt sie mit historischen Ereignissen:

Zuerst der Hinweis auf den Mauerfall. Im 3. Kapitel der ungarische Nationalfeiertag und die Tagundnachtgleiche, oder die Geburt Samu Demen einige Jahre nach der Niederschlagung des Freiheitskampfes. Du hast recht das erinnert auch an Doderers Dämonen in Stil und Personen. Historie prägt den Menschen.
Schöne Grüße, Maria
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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon steffi » Fr 19. Apr 2013, 10:25

JMaria hat geschrieben:Mir fielen Parallelen auf:

Wir befinden uns in der Ringstraße, Budapest.
In den vorigen Kapitel erfuhren wir, daß der Student Döhring in der Fasanenstraße in Berlin wohnt, früher hieß sie ebenfalls mal Ringstraße. Zufall?

Noch eine resolute Tante und ein Neffe, Kristof, der rebelliert.

Der Architekt Samu Demen, der den Häuserkomplex gebaut hat, war wie der Kommissar und der Student, ein Mensch, von dem es heißt, daß Leute ihn mieden.


vielleicht gibt es noch ein paar Parallelen, die ich übersehen habe.


Oh meine Güte - ohne dich bin ich hoffnungslos verloren ;) Mir ist da gar nix aufgefallen *hüstel* ich hab das Kapitel einfach ratzfatz durchgelesen, mich hat die Konstellation, die vier Menschen in der Wohnung, das Telefon klingelt und es entfaltet sich in nicht mal einer Minute deren Charakter, Leben, historische Einordnung samt Vorfahre und Hauswart aus. Es hat mich sehr fasziniert und einen richtigen Sog entwickelt.

Faustisch - ja, das Unwetter war sehr höllenmäßig und mit richtig starken Bildern geschildert.

JMaria hat geschrieben:Finden sich Anspielungen auf Goethes Werken in den Parallelgeschichten? Vielleicht den Faust?

Gute Idee - werde ich im Auge behalten und ist sehr gut vorstellbar !

Den Namen Gyöngyver = Blutperle hat ein ungarischer Schriftsteller erfunden: http://de.wikipedia.org/wiki/Gy%C3%B6ngyv%C3%A9r

Es scheint, dass jede der Personen des 3. Kapitels ein Geheimnis hat:
Erna - der Tod ihrer Tochter, ihre Herzkrankheit (eingebildet oder nicht?) und der heimliche Kaufvertrag
Kristof - verliebt in ein unbekanntes Mädchen, das er nicht einmal sehen kann
Ilona - ein Verhältnis mit dem sterbenden Professor, vielleicht ist der Sohn von ihm ?
Agost - warum ist er schon so früh verschwunden
Gyöngyver - ist mir überhaupt rätselhaft
Hauswart Balter - ermordet Katzen, ist stark körperbehindert (Geburt oder später?)
Gruss von Steffi

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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon JMaria » Fr 19. Apr 2013, 20:12

[Den Namen Gyöngyver = Blutperle hat ein ungarischer Schriftsteller erfunden: http://de.wikipedia.org/wiki/Gy%C3%B6ngyv%C3%A9r

Interessant, danke!
Ich finde den Namen ähnlich wie Guinevere, Walisisch Gwenhwyfar, aus der Artussage.

Wagst du dich an eine Erklärung zum nächsten Kapitel?
Isoldes Liebestodlied

Wer träumt hier?
Von wie vielen Zwillingen spricht das Kapitel?

Der Erzähler wechselt laufend, es gibt Zeiten die Parallel ablaufen.
Es gibt Bilder die wieder aufgenommen wurden, wie z.B. ermordete Katzen, Fahrräder...

Es befinden sich Traumfrequenzen des jungen Döhrings in dem Kapitel? Z. B. träumt er von seinem Großvater, von drei Ungarn und den zurückgelassenen Fahrräder...

Das ist das bisher verwirrendste Kapitel.

In der Familie Döhring gibt es in der zurückliegenden Generation Zwillingsbrüder. Zwei Aufseher, die gegen des Krieges das Zwangsarbeiterlager in Brand steckten, einer von ihnen nimmt einen Karton (mit Gold?) aus der Hand seines Bruders und versteckt es und wird von drei Ungarn (?) erschlagen? War das einer der Döhring Brüder?
Auch Der junge Student Döhring ist ein Zwilling, er hat eine Zwillingsschwester.


Das Kapitel, das im Februar 1945 spielt, ist harter Tobak. An die explizit geschilderten Sexualpraktiken müssen wir uns wohl gewöhnen.

Jetzt haben wir bereits drei Zeitsprünge erlebt (1989/ 1961/ 1945) und haben gerade mal 130 Seiten hinter uns.
Schöne Grüße, Maria
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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon steffi » Mo 22. Apr 2013, 09:13

JMaria hat geschrieben:
Wagst du dich an eine Erklärung zum nächsten Kapitel?
Isoldes Liebestodlied

Wer träumt hier?
Von wie vielen Zwillingen spricht das Kapitel?


Auf jeden Fall die 2 Döhring-Brüder, Aufseher im Lager. Der Vater steht oben auf dem Kirchturm. Ich denke auch, dass es sich in der Schachtel um Gold, evtl. Zahngold der Toten, handelt. Ich finde es auch schwer, zu unterscheiden, was Traum und was Wirklichkeit ist.

Feuer ist ein wichtiges Thema in dem Kapitel, und natürlich Tod. Ein bißchen ratlos bin ich wegen der Kapitelüberschrift, aber Isoldes Liebestod ist doch eigentlich eine Befreiung, ein Tod, weil die Liebe in diesem Leben unmöglich ist. Hier werden die Insassen des Lagers getötet, weil die Aufseher die Zeugen vernichten wollen ? Ich hab mir übrigens die Arie angehört, wunderschön !

Bei der Szene mit dem Zwilling im Lager und dem Kurzschluß fällt es mir sehr schwer, zwischen Traum und Realität zu unterscheiden. Er (wer? Döhring mit dem Gold?) spricht mit dem Jungen, der den Kurzschluß plant, dann träumt er von diesem, am nächsten Morgen tauchen die drei Ungarn auf. Und die Erinnerung an die Fahrräder - das könnte dann durchaus der junge Döhring denken. Dann wieder der Döhring-Zwilling mit dem Gold, was hat es mit der Nummer in der Achselhöhle auf sich ? Ah, lt. google wurde bei der SS dort die Blutgruppe eintätowiert.

Später träumt der Zwilling aus dem Lager, dass sich sein Bruder in das Kloster rettet. Oder träumt das wieder Döhring ? Oder ist es Wirklichkeit ?

Zusammenfassend vermute ich also die 2 Döhring-Zwillinge, die Lageraufseher, und ein Zwillingspaar, das im Lager inhaftiert war. Zwischendurch der junge Döhring.

JMaria hat geschrieben:Das Kapitel, das im Februar 1945 spielt, ist harter Tobak. An die explizit geschilderten Sexualpraktiken müssen wir uns wohl gewöhnen.

Ja, so genau hätte ich es nicht wissen wollen ;) Aber auch die Mordszene ist nicht ohne. Geschickt, wie Nádas das mit dem Fruchtfleisch der süßen Pflaumen verknüpft.
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Re: Péter Nádas: Parallelgeschichten

Beitragvon steffi » Mo 22. Apr 2013, 09:52

Das nächste Kapitel Jeder in seinem eigenen Dunkel spielt wieder in Budapest, 1961.

Hier treffen wir drei Ungarn, die eine seltsame, homoerotische Beziehung haben. GHans Wolkenstein aka Janos Kovach, André Rott und Agost Lippay. Alle drei beim Geheimdienst und die Beziehungen untereinander sind nicht einfach zu deuten. Alle haben 'ihr eigenes Dunkel', Agost leidet an Depressionen, André ist alkoholabhängig und Hans war in einem nationalsozialitischen Internat, wahrscheinlich eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt.

Außerdem geht es um Politik, der Harriman-Report war die Grundlage für den Marshallplan, der natürlich auch den kommunistischen Einfluss auf Europa zurückdrängen sollte.

Die Frage ist, wem von den dreien man überhaupt trauen kann.

Dann der Kabinenaufseher, auch er hat sein eigenes Dunkel, er leidet an Epilepsie, was wieder eine unappetitliche Szene heraufbeschwört.

Der Schauplatz Schwimmbad ist wieder ein abgeschlossener Raum, mit dem jeder sogleich bestimmte Gerüche, Assoziationen verbindet. Ich finde, Nádas macht das immer sehr raffiniert !
Gruss von Steffi

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