Hallo Didonia,
Didonia hat geschrieben:Komm gut in die Woche, Petra
Vielen Dank, liebe Didonia. Leider war der Start dann nur bedingt gut, denn es hat mich fast weggeweht. Der Sturm war hier so heftig! Bei Euch auch?
Somit hatte ich auch Probleme mit der Bahn zu fahren, und damit auch Probleme meine Lesezeiten zu nutzen. Aber ich bin mittlerweile mit dem zweiten von Dir eingeteilten Abschnitt durch. Doch bevor ich dazu komme, erst noch mal zum ersten Abschnitt
bis Seite 88, zu dem was Du dazu geschrieben hast:
Dass Dir das lesen schwer fällt, kann ich gut verstehen, da Du ja das Buch vor kurzem schon gelesen hattest. Ich kann schlecht ein Buch zweimal lesen. Verstehe ich somit sehr gut. Den Weg, erst „Nackt unter Wölfen“ und dann erst „Das Buchenwaldkind“ zu lesen, und anstatt dessen für abends ein neutrales Zweitbuch auszuwählen, finde ich gut. Abends kann ich es auch nicht lesen, das würde mich in den Schlaf verfolgen. So schrecklich!
Dass Häftlinge nicht als Menschen angesehen wurden, springt mich in dem Buch auch an. Mehr aber noch im nächsten Abschnitt. Deshalb komme ich da gleich noch mal drauf zu sprechen.
Die Hoffnung der Häftlinge auf die Befreiung, ist ebenfalls vorherrschend, richtig. Und das kann ich so gut verstehen. Wie muss man sich an die Hoffnung klammern, dass der Alptraum bald ein Ende hat, berechtigte Hoffnung zum Glück. Wer würde nicht ständig auf die Landkarten schauen, und jede neue Information auf der Karte veranschaulichen, um zu schauen, wie nahe die Rettung sein mag!
Die Entscheidungen, die mancher Häftling zu fällen hat, um die mögliche Befreiung durch die Widerstandsgruppe nicht zu gefährden, sind auch sehr nachvollziehbar herübergebracht, das stimmt. Auch das intensiviert sich noch im zweiten Abschnitt wie ich finde. Deshalb gehe ich jetzt über zu
Zweiter Abschnitt, Seit 88 – Seite 168:
Wie Bochow mit sich innerlich kämpft, nachdem Höfel in den Bunker gebracht wurde, Bogorski gegenüber wie ein Mensch zu sprechen, und Verständnis zu zeigen für Höfels (vom Herzen bestimmten) Vorgehen, ist sehr gut beschrieben. Er vertritt die Sache und verbietet sich, das Herz sprechen zu lassen. Ein innerer Kampf!
Und auch um noch mal auf das zurück zu kommen, dass die Häftlinge nicht als Mensch angesehen wurden, möchte ich ein Zitat anbringen, das mich sehr nachdenklich gemacht hat. Es ist eine Stelle (Seite 162), in der der Häftling Pippig versucht ist, zum SS-Mann Zweiling wie ein Mensch zu sprechen, sich aber schnell wieder besinnt:
“So wie die Zebrakleidung ein Gitter war, hinter dem der Mensch niedergehalten wurde, so war die graue Uniform des SS-Mannes ein Panzer, undurchstoßbar, und dahinter lauerte es, verschlagen, feig und gefährlich, wie eine Raubkatze im Dschungel.“Und in einer anderen Szene, etwas später, fragt sich Höfel im Bunker, dass das hier drinnen im KZ doch alles nicht real sein kann. Mir kam gleiches in den Sinn, denn wie unecht ist das ganze Theater! Da schwingen sich kleine Würstchen (in Uniformen) zu Machthabern auf, und erniedrigen Menschen die viel Rückgrat beweisen… verkehrte Welt! Und ein Schauspiel! DENN: Das sind alles Menschen! Und sie geben sich und anderen Rollen, die mit der Realität wirklich nichts zu tun haben. Ich kann verstehen, dass sich Höfel da im Bunker denkt, als er das Treiben dort beobachtet, dass das alles doch nicht real sein kann!
Und an der von mir zitierten Passage wird auch so deutlich, dass ein Sprechen von Mensch zu Mensch nicht möglich war. Und dass man der Rollenverteilung auch äußerlich Gestalt geben musste, durch Uniformen und Häftlingskleidung, um die Entmenschlichung voranzutreiben. Und wenn man sich diese Kleidung wegdenkt (die wirklich – das hat Apitz toll zum Ausdruck gebracht – zusätzlich verhindert, dass da ein Mensch mit einem Mensch sprechen kann), stehen da wirklich Mensch gegenüber Mensch. Dass es uns Menschen in begünstigenden äußeren Bedingungen tatsächlich gelingt, zu glauben, man habe es da nicht mit einem Menschen zu tun, ist zutiefst erschreckend! Und zeigt mir auch, wie primitiv und wenig intelligent der Mensch eigentlich tief in seinem Innersten ist.
Aber es zeigt auch, dass schlimme Zustände im Menschen auch das Beste zum Vorschein bringen können. Wie Du das Gespräch zwischen Krämer und Pröll zitierst, in dem Krämer anmerkt, was sie doch für eine hartgesottene Gesellschaft geworden sind, konnten sie kaum anders handeln, und haben im Gegenteil sogar viel menschliche Größe bewiesen und haben sich IHRE Menschlichkeit bewahrt! Das sehe ich genauso wie Du!
Noch etwas zu einem anderen Punkt, der mir aufgefallen ist: Bruno Apitz nennt den Mann, der das Kind mit ins Lager bringt Zacharias Jankowski. Da der Mann, der das wirklich Buchenwald-Kind (Stefan Jerzy Zweig) mit ins Lager bringt, sein Vater ist, und Zacharias Zweig heißt, erkenne ich darin eine der von Bruno Apitz in der Widmung angedeuteten Namensähnlichkeiten, die er absichtlich in seinem Roman eingebracht hat, um den realen Häftlingen des KZ-Buchenwalds, in dem Apitz ja selbst Häftling war, Respekt zu zollen. Das berührt mich. Er schafft dadurch eine kleine Verbindung zwischen den Realen Personen und Vorkommnissen in Buchenwald, und den fiktiven.
Damit wünsche ich Dir ein schönes Osterwochenende, liebe Didonia, und bin neugierig auf Deine weiteren Gedanken.