von Trixie » Mi 6. Jan 2021, 16:59
Ja, er hat ein richtiges Schema, dem er folgt, angefangen mit dem Aufbau eines "Gefühls" für den Tatort, wenn er sich im Bungalow des Majors umsieht und nicht sofort die Leiche untersucht.
Und seine Ausstattung ist erste Sahne - Koffer, Lupen, Kuverts für die Spuren, Gläschen für Proben... alles zum Teil speziell für Sikander angefertigt von den Meistern ihres Faches wie Carl Zeiss u.a..
Überhaupt wird mit Markennamen ganz schön um sich geworfen in dem Buch. Mangelnde Recherche bzw. Hintergrundwissen zu der Epoche kann man Gaind nicht vorwerfen. Ausßerdem zeigt es natürlich auch, wie ernst es seinem Romanhelden mit der Kriminalistik ist, es ist keine kurzlebige Laune.
In den folgenden Kapiteln kommt Sikanders "Schulung" auf dem Gebiet durch vor allem französische Fachleute der Zeit mehrfach durch, zur großen Verärgerung von Superintendent Jardine, der für die Erkenntnisse irgendwelcher "Frogs" weder Zeit noch Sinn hat.
Jardine wird durch sein Verhalten und seine Äußerungen ganz schnell zum typischen Vertreter für die chauvinistischen britischen Kolonialherren, und ich kann mir gut vorstellen, dass sehr viele in ihrer Geisteshaltung so eingestellt waren: Man weiß natürlich alles besser als die Einheimischen (und die Franzosen!), braucht weder Beweise noch eine logische Grundlage für einen Verdacht - und vielleicht sogar für eine Verurteilung-, den "Blackies" ist ja schließlich alles zuzutrauen. Was mich beim Lesen aber dann doch gewundert hat, war, dass Jardine sich solche Entgleisungen auch gegenüber dem Maharadscha erlaubt. Der ist immerhin das Landesoberhaupt, ein gekröntes Haupt und Jardine, beim besten Willen, lediglich ein Polizeibeamter, der noch nicht einmal besonders weit oben in der Hierarchie rangiert. Dass er Sikander mehrfach nur mit "Sir" oder sogar "Mister" anspricht, finde ich dann geradezu rüpelhaft - wobei ich sogar vermute, er macht das nicht mal mit Absicht, um den Maharadscha zu brüskieren, sondern schlicht, weil ihm der nötige Schliff fehlt (heutzutage würden wir eher sagen "soziale Kompetenz").
Eine Ungereimtheit ist mir aufgefallen, als in Kapitel 7 Sikander den Magistrat Lowry über Major Russell ausfragt: Lowry erzählt zunächst, dass sie im Alter nur wenige Monate auseinander lagen und er im Sommer dreiundvierzig werden würde, dann, dass Russells Vater bei Sebastopol starb, als jener noch ein kleines Kind war. Also, wenn sich die Aussage auf die Belagerung Sebastopols während des Krimkrieges bezieht, dann haut das rechnerisch nicht hin, Russell und Lowry dürften erst gut zehn Jahre später geboren worden sein.
Sikander Singh schwankt bisher in meiner Wahrnehmung ständig zwischen einer für seinen Stand und für die Zeit absoluten Ausnahmerscheinung und andererseits einem Musterbeispiel für die klassischen Detektive in der Art eines Sherlock Holmes oder Hercule Poirot: von Logik dominierte Ermittlungsweise und persönlich eine mehr als gesunde Portion Selbstbewusstsein mit einem Anflug von Unfehlbarkeitsglauben. Trotzdem nicht unsympathisch.
Ich beginne heute Abend mit Kapitel 8.
Ich lese gerade:
Ann Myers: Cinco de MayhemViel lesen und nicht durchschauen ist viel essen und nicht verdauen.Rätselforum
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