Donovan, Gerard: Winter in Maine

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Donovan, Gerard: Winter in Maine

Beitragvon Petra » Fr 29. Jan 2010, 12:27

Donovan, Gerard
Winter in Maine

Bild

Genre: Erzählung
Seitenzahl: 207
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
Preis: 17,95 €
ISBN: 9783630872728
Bewertung: 10 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt:

Julius Winsome hört einen Schuss. Noch beunruhigt ihn das nicht. Kurz vor Winteranbruch beginnt die Jagdsaison und in seiner Hütte, fünf Meilen vom nächsten Nachbarn entfernt, lässt sich der Hall so manchen Schusses vernehmen. Als sein geliebter Pitbullterrier Hobbes jedoch nicht wie gewohnt heimkommt, beschleicht ihn ein ungutes Gefühl. Als er seinen Weggefährten kurz drauf auf einer Weglichtung nahe der Hütte findet, breitet sich das Entsetzen aus: Er wurde aus nächster Nähe erschossen. Mit einer Schrotflinte.

Er begräbt seinen treuen Freund und richtet sich in seiner Hütte auf den Winter ein. Die Hütte, in der er mit seinem Vater gelebt hat, bis dieser starb. Fortan teilt er die Hütte nur noch mit den 3.282 Büchern seines Vaters. Und bis zu diesem Tage mit Hobbes. Jemand hat ihm alles genommen, was ihm noch blieb. Julius holt das Gewehr seines Großvaters aus der Scheune, mit der im ersten Weltkrieg 28 Soldaten getötet wurden und macht sich auf die Jagd nach den Jägern und Mördern Hobbes…

Meine Meinung:

Wie die Bücherregale rings um die Wände, die die Hütte ein wenig vor der Winterkälte isolieren, so halten liebenswerte Geschöpfe – wie die Blumen in seinem Beet und sein Hund Hobbes – Julius Winsome eine Handbreit vom kalten Griff der Einsamkeit fern.

Doch was geschieht, wenn der Winter Einzug hält, die Blumen dem ersten Frost zum Opfer fallen und kurz drauf mit dem ersten Schnee bedeckt werden, der sich 6 Monate lang halten wird in einer Gegend wie Maine. Was geschieht, wenn es jemandem einfällt einfach seinen Weggefährten, seinen Freund Hobbes abzuknallen?

Dann ist die handbreite Dämmung beschädigt, und ein liebendes gutes Herz der eisigen Witterung der Einsamkeit ausgesetzt.

Als Julius seinen Hund begraben muss und in die Hütte zurückkehrt, hat er das Gefühl, das etwas mit ihm hineingekommen ist. Es muss die Rache sein, die sich Zutritt verschafft hat in die Hütte – und in Julius Herz. Und der Leser bekommt nach und nach eine Idee davon, was im Leben diesem Gefühl den Boden bereitet hat und Julius nun mit kalter Grausamkeit scheinbar wahllos Rache nehmen lässt.

Es spielen ungezählte Gedanken hinein, die sich um Verluste, auch eine verlorene Liebe drehen. Um Einsamkeit und wieviel davon ein Mensch unbeschadet überhaupt ertragen kann – auch wenn er sie gewohnt ist. Einsamkeit, die einen Menschen unfähig macht eine normale Beziehung zu einem anderen Menschen aufzubauen (und noch nicht einmal reflektieren zu können, welchen Anteil man selbst am Scheitern hat). Einsamkeit, die umschlagen kann in Wahn.

Aber auch das Töten ist Thema in diesem Buch. Das Töten im Krieg. Das Töten bei der Jagd. Das Töten von wehrlosen Geschöpfen: Die Menschen fügen anderen Geschöpfen Schmerzen zu weil sie selber Schmerzen haben. Hiermit erklärte damals der Vater Julius warum Menschen wehrlose Tiere töten. Und diese Erklärung könnte auch auf Julius zutreffen. Denn unweigerlich fragt sich der fassungslose Leser, wie ein mitfühlender Mensch wie Julius es fertig bringt, unschuldige und wehrlose Menschen abzuknallen. Es ist für Julius anscheinend eine Art Antwort. Antwort auf die Grausamkeit und Eiseskälte der Menschen. Antwort auf den Winter, der Einzug gehalten hat, in Maine – und in Julius Herzen, das gefroren ist, als sein Hund Hobbes umgebracht wurde.

Anmerken möchte ich noch, dass Julius vor dem Akt des Tötens Worte aus Stücken von Shakespeare liest. Elisabethanische Worte, die er als Kind durch seinen Literaturbegeisterten Vater gelernt hat. Ich denke dass es kein Zufall ist, dass es Worte Shakespeares sind, die er später beim Töten dann auch in (an seine Opfer gerichteten) Sätze einbaut. Er schafft sich eine „Kulisse aus Worten“ (zu diesen Wortspielen, derer sich Shakespeare auch gern bediente um eine Szene darzustellen, findet sich auch bei Wikipedia etwas). Das passt – war doch Shakespeare Meister der Tragödie – und der menschlichen Abgründe. Das aber nur nebenher, weil ich es während des Lesens interessant fand, dass er sich Worten Shakespeares bedient um etwas zum Ausdruck zu bringen, was er mit eigenen Worten nicht (mehr) kann. Weil er einfach sprachlos ist über das was ihm angetan wurde und was er selbst anderen antut. Und weil die Menschen einander nicht verstehen, als würden sie unterschiedliche Sprachen sprechen.

Auf dieses Buch muss man sich einlassen – sich ihm ganz und gar hingeben. Es macht etwas mit einem. Was, lässt sich nicht in einen Text pressen. Man muss es selbst erleben und spüren. Es gibt zahllose Sätze darin, die nicht nur wunderschön und poetisch sind, sondern auch messerscharf unter die Haut fahren. Sie berühren den Leser auf eine eigentümliche und intensive Weise. Für solch eine Sprache muss man die beiden einfach loben – den Autor und den Übersetzer! Es ist ein Hochgenuss! (Petra)

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Liebe Grüße,
Petra


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