Adler-Olsen, Jussi: Erbarmen

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Adler-Olsen, Jussi: Erbarmen

Beitragvon Petra » Fr 8. Okt 2010, 12:52

Adler-Olsen, Jussi
Erbarmen

Bild

Genre: Krimi / Thriller
Seitenzahl: 416
Verlag: dtv
Preis: 14,90 €
ISBN: 9783423247511
Bewertung: 9,5 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt:

Seit einem fatalen Polizei-Einsatz ist Carl Mørck nicht mehr der Mensch, der er vorher war. Er selbst hatte Glück, zwei seiner Kollegen jedoch nicht. Das setzt Mørck so zu, dass alles darunter leidet – auch seine Arbeit. Da kommt die Aufforderung von politischer Seite Carl Mørcks Vorgesetzten gerade Recht. Es wird ein Budget dafür erteilt, dass sich die Kriminalpolizei ungeklärter heikler Fälle annimmt, die zu den Akten gelegt wurden. Um das zu realisieren, errichten sie das Sonderdezernat Q, dessen (alleiniger) Mitarbeiter Carl Mørck ist. So hat man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Carl Mørck kann seine schlechte Laune nicht mehr an seinen Kollegen auslassen und die Arbeit behindern. Und dem Ruf der Politiker ist Rechnung getragen – zumal Carl Mørck die nötige Ranghöhe für solch einen Posten hat.

Carl Mørck ist auch nicht unglücklich darüber. So kann er in aller Seelenruhe die Zeit verstreichen lassen und muss sich nicht um unliebsame Fälle kümmern. Denn seit dem Vorfall, der sein Leben so grundlegend verändert hat, kann er nicht mehr die recht Motivation für seinen Job aufbringen.

Mit der Ruhe ist es jedoch bald aus. Denn raffiniert konfrontriert Mørck seine Vorgesetzten mit einer Forderung für personelle Unterstützung. Damit hat er sich jedoch selbst ausgetrickst. Der syrische Gehilfe (eigentlich als Handlanger und Mädchen für alles eingestellt) Hafez el-Assad stellt sich tüchtiger heraus als gedacht. Carl möchte da nicht ins Hintertreffen geraten – gegen einen Gehilfen! So erweckt Assad unbewusst Mørcks kriminalistisches Gespür zu neuem Leben.

Ihr erster Fall: Eine vor fünf Jahren spurlos verschwundene junge Politikerin. Mørck und Assad versuchen, die letzten Tage vor Merete Lynggaards Verschwinden zu rekonstruieren und stoßen auf allerhand Ungereimtheiten bei den damaligen Ermittlungen. Sie ahnen nicht, dass sie sich im Wettlauf mit der Zeit befinden – denn sie glauben Merete längst tot. Doch in Wahrheit wird sie gefangen gehalten. Und nicht mal sie selbst weiß, warum – ihre Peiniger wollen, dass sie von selbst darauf kommt. Und sie wollen Rache und haben für Meretes Ende einen bestimmten Zeitpunkt ausgewählt…

Meine Meinung:

Die Inhaltsangabe nimmt ausnahmsweise mehr Zeilen in Anspruch, als ich ihr normalerweise widme. Um diesem Thriller gerecht zu werden, wollte ich aber genauer erklären, was die Faszination dieses Buchs ausmacht. Es sind zwei Dinge, die mir diese Geschichte unvergessen machen:

Erstens Carl Mørck, Assad und ihr Umfeld. Diese Figuren haben Potential zur Serie! Ich bin froh, dass ein zweiter Band bereits ins Deutsche übersetzt wurde. Denn nach diesem Buch, will ich unbedingt mehr von diesen Menschen erfahren. Carl Mørck hat es nicht nur beruflich schwer, sondern auch privat ist vieles im Argen bei ihm. Das setzt seiner Stimmung schon sehr zu. Trotzdem ist er nicht einer dieser vollkommen depressiven, kaputten Ermittler. Er weiß sich immer irgendwie zusammen zu reißen. Er nimmt am Leben teil, auch wenn es ihm manchmal sichtlich schwer fällt. Und Assad ist ein ganz eigenes Kaliber! Der Syrer gibt Rätsel auf. Er hat – nicht zu übersehen – eine arabische Seele… mit zwei Seiten. Einerseits ist er konfus und nimmt einiges nicht so genau. Auch ist ihm sein regelmäßiges Gebet sehr wichtig. Anderseits macht er Angst: Viel zu gut kennt er sich mit Dokumentenfälschung und ähnlichen kriminellen Dingen aus. Für die Ermittlungen ist sein Wissen manchmal sehr hilfreich. Manchmal bringt er Carl Mørck aber auch mit seiner zu lockeren Sicht auf einige Dinge zur Weißglut. Vor allem aber weckt er Mørcks Interesse. An seiner Herkunft und seinem Hintergrund. Und nicht nur seine Neugier ist geweckt – die des Lesers auch!

Darüber hinaus sind diese beiden Figuren ebenso wie die Nebenfiguren (Auch da gibt es interessante – z.B. Mørcks querschnittsgelähmter Ex-Kollege Hardy. Oder Mørcks Stiefsohn, der bei ihm lebt, obwohl die dazugehörige Mutter – Carls Ex – längst ausgezogen ist.) facettenreich und vielversprechend angelegt. Sie wirken glaubhaft, erfüllen so manches Klischee, um dann an einer anderen Stelle wiederum zu überraschen. Für mich eine ausgesprochen gelungene Mischung!

Eine Brise Humor weht dem Leser auch hier und da um die Nase. Wohldosiert und perfekt sitzend! Doch – das zaubert einem hin und wieder ein breites Grinsen ins Gesicht, wenn Mørck mal wieder frech durch die Blume die Wahrheit sagt. Diese Szenen sprechen für seine Intelligenz.

Zweitens: Ich fürchtete mich ein wenig vor dem zweiten Erzählstrang. Die Passagen um Merete. Der Klappentext trägt Schuld daran. Reißerisch und wenig originell wirkte er auf mich. Nein, seitenlange Beschreibungen über ein Martyrium brauchte ich nicht. Auch nicht den dazugehörigen Angst- oder gar Ekel-Faktor, den Thriller-Autoren nur allzu gern bis zum Letzten ausreizen. Doch da führt der Klappentext den Leser in die Irre. Sicher damit sich das Buch besser verkauft. Möglichst reißerisch auf einen spannenden Thriller aufmerksam machen. Zum Glück wird diese Inhaltsbeschreibung Jussi Adler-Olsen in keinster Weise gerecht. Die Szenen um Merete mochte ich mehr und mehr. Man kann sich als Leser voll und ganz in sie einfühlen. Erlebt hautnah alles mit. Da es aber eben nicht übertrieben, sondern nüchtern erzählt wird, geht dem Leser Meretes Schicksal umso mehr unter die Haut. Ja, so würde es wohl sein, in einer (unvorstellbaren) Situation wie der ihren! Dafür ein ganz großes Kompliment an den Autor, der meine Erwartungen übertroffen und meine Befürchtungen zunichte gemacht hat!

Den Plot hatte ich recht schnell durchschaut. Es blieb für mich dennoch sehr spannend. Zum einen, weil man sich natürlich nicht sicher sein kann, ob man richtig liegt. Zum anderen, weil die Zeit für Mørck und Assad immer enger wird, ohne dass sie es ahnen. Da weiß der Leser mehr! Außerdem finde ich ein durchschaubares Ende manchmal besser als ein gar zu abwegiges. Auch hier erfreut mich Jussi Adler-Olsen. Nicht noch eins oben drauf, und noch eins, und noch eins… sondern eine runde Geschichte.

Erfreut habe ich nicht nur gelesen, dass Jussi Adler-Olsen noch viele Bände mit Mørck und Assad plant. Sondern auch, dass er eine ungefähre Vorstellung von dem Umfang der Serie hat. Also nicht wieder eine dieser Endlos-Serien, die irgendwann allzu belanglos werden. Sondern ein klarer Umriss über die Entwicklung der Figuren. Das macht Mut, dass die Qualität bleibt. Band zwei soll jedenfalls ganz mühelos mit Band eins mithalten können. Ich freue mich sehr auf ein baldiges Wiedersehen mit Carl Mørck und dem eigenartigen Assad. (Petra)

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Liebe Grüße,
Petra


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