Boyden, Joseph: Durch dunkle Wälder

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Boyden, Joseph: Durch dunkle Wälder

Beitragvon Petra » Fr 26. Nov 2010, 15:13

Boyden, Joseph
Durch dunkle Wälder

Bild

Genre: Erzählung
Seitenzahl: 448
Verlag: Albrecht Knaus Verlag
Format: Hardcover
Preis: 22,99 €
ISBN: 9783813502718
Bewertung: 9 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt:

Aus dem Dunkel der Wälder in das Dickicht der Städte

Mit Joseph Boyden hat die kanadische Literatur eine kraftvolle Stimme, die weit über die Landesgrenzen hinaus gehört wird. Sein neuer Roman erzählt davon, dass das Leben nach Indianersitte Vergangenheit ist, Neues aber nicht gefunden wurde. Denn in der Wildnis der Städte sind die Regeln der Wälder vergessen; Gier und Verachtung gefährden eine Ordnung, die über Jahrtausende Geben und Nehmen ausbalanciert hat. Der Cree-Indianer Will lernte die Kunst des Jagens von seinem Vater. Doch die Lebensweise der Alten ist den Stürmen der neuen Zeit nicht gewachsen. In der modernen Welt wird der Alkohol für viele ein gefährlicher Tröster. Als Will in einen alten Konflikt zwischen rivalisierenden Clans gerät, flieht er in die Wildnis. Der einbrechende Winter treibt ihn zurück in die Siedlung, wo er Opfer eines brutalen Überfalls wird. Nun liegt er im Koma, und seine Nichte Annie versucht, ihn durch Geschichten in die Realität zurückzuholen. Sie berichtet ihm von der Wildnis der großen Städte, in der sie nach ihrer schönen verschwundenen Schwester Suzanne gesucht hat. Annie ist ohne sie zurückgekehrt. Sie hat erkannt, dass ihre Zukunft bei ihren Wurzeln und in den Wäldern liegt.

Ausgezeichnet mit dem Scotiabank Giller Prize.

Meine Meinung:

Diese etwas merkwürdige Kurzbeschreibung lasse ich so stehen. Denn dieses sehr eigenwillige Buch lässt sich nicht so leicht greifen. Somit passen die Worte sehr gut zu dem, was der Leser zu erwarten hat.

Dieses Buch ist der zweite Teil einer Trilogie über die „First Nations“, die Nachkommen der indianischen Ureinwohner Kanadas. Das Buch hat jedoch nur einen losen Zusammenhang zu Band eins der Trilogie („Der lange Weg“), der von Wills Vater erzählt, der hier nur einige Male Erwähnung findet. Man kann die Bände somit bedenkenlos unabhängig voneinander lesen.

Joseph Boyden selbst hat indianische Vorfahren. Das könnte der Grund sein, warum das Leben der Cree-Indianer hier erfreulicher Weise so gar nicht plakativ beschrieben wird. Vielmehr merkt man, dass hier jemand von innen heraus erzählt. Jemand, der einfach von seinesgleichen schreibt. Von den Problemen seines Volkes, das seines Landes beraubt wurde, und deren Kultur stirbt. Neben diesen Problemen sind sie aber in erster Linie Menschen. Einfach Menschen.

Und auf diesen Menschen fußt diese Erzählung. Eine einfache Familie. Aber halt eine des Stammes der Cree-Indianer. Der Leser begleitet diese Personen in deren ganz normalen Leben und bekommt somit vieles mit, was rein menschlich ist. Aber auch vieles, was von dem Leben dieser übrig gebliebenen Ureinwohner erzählt. Ihrer Suche, ihren Traditionen, die sich von Generation zu Generation immer mehr verlieren werden, aber durchaus noch da sind. Von dem alten Leben in der Wildnis, von dem neuen in den großen Städten.

Dieses Buch erfordert etwas Geduld. Die aufzubringen ist mir allerdings nicht schwer gefallen. Die Tage in der Wildnis, in die sich Will zurückziehen muss, als die Fehde mit einem der Clans eskaliert, gleichen einander. Das ist einfach so. Aber ich habe mich an der Seite von Will gern diesem Kampf ums Überleben gestellt, der zuweilen sehr eintönig ist. Wie Wills Vater ihm einst mit auf den Weg gegeben hat, dreht sich der Tag in der Wildnis um nur drei Dinge: Essensbeschaffung, Schlafplatzsicherung und Feuer für die Wärme. Und das kostet mehr Zeit und Energie, als man denken mag. Ich fand es erfreulich, dass Boyden sich für seine Figur nicht zusätzliche Strapazen hat einfallen lassen, um die Geschichte spektakulärer zu machen. Sie ist so aufregend genug, aber eben auch authentisch.

Ebenso eintönig geht es aber auch in dem neuen Leben – der Wildnis der Städte – zu, musste ich beim lesen feststellen. Denn Annie verliert sich genauso in den Tagen dort, wie Will in der Wildnis. Auch dies ist eine passende Betrachtung. Mich haben weder die Passagen um Will, noch die um Annie je gelangweilt. Auf eine ganz ruhige und leise Art habe ich mich in ihren Geschichten verloren. Und diese spröden Figuren haben sich mit der Zeit auf eine sehr unauffällige Weise in mein Herz geschlichen. Mir war nicht gleichgültig, welches Ende sie finden.

Sowohl die Episoden aus Wills, als auch die aus Annies Leben, haben etwas Traumhaftes. Auch hierin bestätigt sich die passende Erzählweise von Joseph Boyden. Denn sowohl Annie, als auch Will erinnern sich dieser Geschehnisse. Und vertrauen sie einander in Gedanken an. Annie ihrem Onkel, indem sie ihm davon am Krankenbett erzählt, um ihn aus dem Koma zurückzuholen, um ihn gedanklich zu erreichen. Und Will erzählt seinen Nichten – Annie und Suzanne – im Unterbewusstsein, im Koma, von seinem Leben, von den Ereignissen, die ihn in Flucht geschlagen und schließlich in dieses Krankenhausbett gebracht haben. Die manchmal traumhaft anmutenden Szenen sind somit absolut stimmig und unterstreichen das Szenario. (Petra)

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Liebe Grüße,
Petra


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