Trevor, William: Liebe und Sommer

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Trevor, William: Liebe und Sommer

Beitragvon Barbara » So 2. Jan 2011, 19:09

William Trevor: „Liebe und Sommer“

Zum Inhalt:
In der kleinen irischen Stadt Rathmoye geht alles seinen Gang. Im Grunde ist jeder Tag gleich – keine Höhen – keine Tiefen. Äußerlich scheint alles in Ordnung, doch wie sieht es in den Bewohnern dieser kleinen ländlichen Stadt aus? Jeder trägt ein sehr eigenes und ergreifendes Schicksal tief verborgen mit sich herum. Ellie, ein Waisenkind und verheiratet mit Dillahan, einem Witwer, darf eines Sommers in ein anderes Leben hineinschauen…

Meine Meinung:
Mir ging es beim Lesen dieses Buches, wie bereits im ersten kurzen Statement beschrieben: Die Geschichte und die Art wie der Autor schreibt, haben mich von Anfang in eine besondere Ruhe und Langsamkeit versetzt, die ich sehr angenehm und sehr intensiv empfunden habe. Bertram beschrieb es, bei der Darstellung seines letzten Buches sehr schön: (…)„es versetzte mich in einen Zustand von konzentrierter Entspanntheit versetzt - bedächtig, aber nie langweilig“.
Und diese konzentrierte Entspanntheit durchzog das Buch bis zum Schluss.
Besonders gut gefiel mir wie Trevor die einzelnen Personen mit ihren Schicksalen, ihren Charakteren und Eigenarten beschreibt. Fünf Personen, fünf Leben und fünf Schicksale werden miteinander verknüpft – sehr differenziert, sehr tief und sehr authentisch. Selbst unangenehme Menschen werden sympathisch und sind so dargestellt, dass man ihre Verhaltensweisen, Reaktionen und Gedanken nachvollziehen kann und sie ihnen nicht übel nehmen kann.
Was mir gut gefiel war auch die Art, wie er die einzelnen Kapitel beendet. Ein scheinbar achtlos hingeschriebener kleiner Abschlusssatz, der die Personen, die er betrifft mitunter in großer Verwirrung, Unsicherheit oder Nachdenklichkeit zurücklässt, lässt zeitgleich auch den Leser, der diese Sätze nur lesen kann, genau das gleiche wie die betroffenen Personen denken und fühlen und auch der Leser bleibt in der selben Stimmung zurück. Der Autor schafft es dadurch uns zur jeweiligen Personen des Kapitels werden zu lassen. Diese Leseintensität, die zu einer sehr großen Identifikation mit den einzelnen Personen wird, habe ich in dieser Art noch nicht erlebt. Dabei ist es völlig egal, um welche Person es sich handelt, man identifiziert sich mit genau der Person, die gerade tragend ist. Dadurch wird das Buch sehr authentisch, lebensnah und real: nichts Konstruiertes, nichts Gewolltes. Wie ich bereits zu Beginn vermutet, ist es eines dieser leisen und dadurch sehr emotionalen Bücher. Es wird an keiner Stelle kitschig oder schwülstig; es ist wie es ist – es ist wie das Leben selbst. Auch das Ende passt perfekt, es hätte nicht anders sein können und nicht anders sein dürfen.

Für mich ist es ein rundum gelungenes Buch, das ich jedem empfehlen kann, der es leise, ungeschminkt und unkapriziös mag und, dem die Personen mit ihren Gedanken und Schicksalen wichtiger sind, als spektakuläre Szenerien und literarische Höhenflüge.

Meines Erachtens hat das Buch zu Recht den Booker Prize 2009 verdient: ein tolles Buch und ein tolles Leseerlebnis. Daher gebe ich dem Buch fünf Sterne.
"Das Lesen eines Buches ist die Zwiesprache mit der eigenen Seele!"
B.H.

Liebe Grüße
Barbara
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Barbara
 
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