Dexter, Pete: God's Pocket

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Dexter, Pete: God's Pocket

Beitragvon Petra » Mo 4. Apr 2011, 14:11

Dexter, Pete
God’s Pocket

Bild

Genre: Krimi / Gesellschaftsstudie
Seitenzahl: 368
Verlag: Liebeskind
Format: HC
Preis: 22,00 €
ISBN: 9783935890700
Bewertung: 10 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt:

Als Leon Hubbard vor den Augen seiner Arbeitskollegen erschlagen wird, verliert niemand ein Wort darüber. Zumal es im Grunde Notwehr war. Alle sind sich einig, dass Leon besser tot ist als lebendig. So geben sie es als Arbeitsunfall aus. Die Einzigen, die sich mit dieser Erklärung nicht zufriedengeben, sind Leons Mutter und ein versoffener Reporter namens Richard Shellburn, der von seiner Zeitung losgeschickt wird, um die Ehre eines toten Jungen aus Gods Pocket wiederherzustellen. Aber in diesem Viertel kann zu viel Mitgefühl gefährlich werden, besonders, wenn sich die Mafia einschaltet ...

Meine Meinung:

In vielen Einzelszenen schaut Pete Dexter auf das Leben der Menschen in God’s Pocket, ein Einfache-Leute-Viertel in Philadelphia. Die Figuren stehen in loser, manchmal auch näherer Verbindung zueinander. Aus den vielen Einzelteilchen bildet Pete Dexter ein Gesamtbild, das mir unvergessen bleiben wird.

Da ist Leon Hubbard, der erschlagen wird. Ein nervöser, unberechenbarer Junge, ein Taugenichts, der von allen mit berechtigtem Misstrauen beäugt wird. Da ist Jeanie, Leons Mutter, die einzige, die in Leon einen lieben, unschuldigen Jungen sieht. Mit den liebenden Augen einer Mutter. Jeanies Leben gerät aus den Fugen, durch den Tod ihres Sohnes. Mickey, der zweite Mann Jeanies, und somit Leons Stiefvater, weiß mit der Situation nicht umzugehen. Bevor er etwas falsch macht, macht er lieber gar nichts und geht er – wie gewohnt – gegenüber ins „Hollywood“, eine Kneipe, in der sich so manch verlorene Seele God’s Pockets einfindet. Wenn Mickey sich nicht dort seine Zeit vertreibt, muss er den Lebensunterhalt für sich – und soweit es ihm möglich ist, für Jeanie – bestreiten. Hierzu hat er nicht unbedingt die glücklichsten Einfälle. Sein Kumpel Bird, mit dem er auch geschäftlich verbunden ist, ist ihm dabei behilflich. Er hat gewisse Kontakte, die jedoch verhängnisvoll sind. Richard Shellburn arbeitet für eine Zeitung als Kolumnist der einfachen Leute. Neben Jeanie ist er der einzige, der näher wissen will, was Leon Hubbard widerfahren ist. Auch nicht unbedingt eine gute Idee.

Zwar möchte man mit keiner der Figuren sein Leben teilen, und doch gehen sie einem nahe. Auf eine ganz eigentümliche Art und Weise. Denn in vielen Punkten sind sie vielleicht ehrlicher und realer, als Menschen, die ein wohlbehütetes Dasein führen. Das bezeugt auch Shellburn in einem verhängnisvollen Artikel, der als Plädoyer für die einfachen Leute gedacht ist, von den Lesern leider jedoch missverstanden wird. So reiht sich eine tragische Handlung an die andere, und vermischt die einzelnen Episoden zu einem Gesamtbild – knallhart, real und doch so anrührend.

Bei alledem lässt Pete Dexter es jedoch nicht an Witz fehlen, manche Szene ist herrlich bizzar. Nur ist es ein bitterer Humor, der einen überraschend anfällt und zu einem irrsinnigen Lachen verleitet. Doch nur ganz kurz, denn allzu schnell bemerkt man, wie unpassend es ist, zu lachen, bei dem, was uns Pete Dexter hier erzählt. Er gibt seine trostlosen Figuren nie der Lächerlichkeit preis. Betrachtet sie stets mit einem liebevollen Blick, der sich auf den Leser überträgt. Ich werde sie nicht vergessen, die Menschen dort in God’s Pocket. Und die Art, in der Pete Dexter über sie erzählt hat, auch nicht. Ein Krimi? Eigentlich nicht. Aber auch, wenn man so will. Stellenweise hart und brutal – wie das Leben mancherorts. Viel mehr aber eine Gesellschaftsstudie, die sich die einfachen Leute einer amerikanischen Vorstadt vornimmt. Pete Dexter betrachtet sie ungeschönt. Vielleicht drücken die Menschen in God’s Pocket, die hier zu Wort kommen, es am besten aus: Manchmal sind die Dinge genau das, wonach sie aussehen. Das gleiche gilt auch für die Menschen in God’s Pocket. Da wird nicht auf einmal ein verkorkster Junge heilig gesprochen (außer von seiner Mutter, aber das ist nur allzu natürlich und verständlich). Da wandelt sich auch nicht ein einfacher Kerl zu einem einfühlsamen Ehemann. Aber deshalb ist er noch lange kein schlechter Mensch. Und das macht Pete Dexter deutlich, ohne ihm als Gegengewicht gute Eigenschaften zuzuschreiben, die die schlechten aufwiegen. Wie auch immer Pete Dexter das schafft, von mir bekommt er dafür großen Applaus. (Petra)

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Liebe Grüße,
Petra


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