Balzano, Marco - Damals, am Meer

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Balzano, Marco - Damals, am Meer

Beitragvon Doris » Mi 13. Jul 2011, 19:55

Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Verlag: Kunstmann; Auflage: 2 (27. Juni 2011)
ISBN 978-3888977268
Originaltitel: Il figlio del figlio
Preis: € 17,90


Kurzbeschreibung
Drei Männer in einem Auto, drei Generationen auf einer Reise quer durch Italien. Nicola und sein Vater haben sich breitschlagen lassen, Großvater Leonardo zu begleiten, um die Wohnung am Meer zu verkaufen, unten in Apulien, wo schon lange keiner mehr war. Das sind sie dem Nonno schuldig, der, »groß und stark wie ein Krieger«, Analphabet und Kommunist, alle Kinder und Enkel der Familie erzogen hat, die der Arbeit wegen in den Norden gezogen ist. Doch jetzt scheint die große Familie auseinanderzufallen, und für jeden stellt sich die Frage: Wo bin ich wirklich zu Hause? Widerwillig machen sich Großvater, Vater und Sohn gemeinsam auf den Weg, jeder erfüllt von seinen ganz eigenen Erinnerungen. Für Nicola ist »la casa al mare« das Feriendomizil, der Ort der ersten Liebschaften, für den Vater die Erinnerung an seine eigene Jugend, für Nonno Leonardo die Heimat, in die doch alle einmal zurückkehren wollten, das letzte gemeinsame Bindeglied. Behutsam nähern sich die drei ganz unterschiedlichen Männer einander an. Drei Generationen, die sich erinnern, drei Sprachen, um das Italien von gestern und heute zu erzählen, die Emigration und den Verlust der Wurzeln, den Wunsch, neu aufzubrechen und einen Ort zu finden, an dem man bleiben will.
Über den Autor
Marco Balzano wurde in Mailand geboren, wo er Italienische Literatur unterrichtet. Er schreibt für Zeitschriften und hat bereits einen Gedichtband und Essays veröffentlicht. »Damals, am Meer« ist sein erster Roman.

:arrow: Damals, am Meer


Mein Eindruck:
Die Wohnung in Barletta, Süditalien, muss verkauft werden.
Darüber sind sich bis auf ein paar Cousins, Cousinen und die Großmutter ausnahmsweise einmal alle einig.

In den Zeiten des Wirtschaftswunders, als es die Süditaliener alle in den Norden zog, ist auch Leonardo mit seiner Familie nach Mailand umgesiedelt.
Von Haus aus Bauer arbeitete er fortan in einer Fabrik, in die Wohnung am Meer fuhr er mit seinen Kindern und späteren Enkelkindern nur noch in den Ferien...und irgendwann hörte auch das auf. Aber wann fing es an daß plötzlich keine Geschwister, Tanten, Onkel und Kinder mehr im Haus waren? Warum war selbst an Feiertagen wie Weihnachten die Familie nur noch an verschiedenen Tagen anzutreffen?

Nun machen sich Nicola, der Enkel und Ich-Erzähler, sein Vater und Großvater Leonardo auf den Weg nach Süditalien. Eine nicht ganz freiwillige Reisetruppe, jeder mit seinen eigenen Ängsten und Sorgen im Gepäck. Wo sich dem einen einfach nur Bilder auftun, offenbaren sie dem anderen eine Seele.

Nicola, von seinen Eltern als ewiger Student nicht mehr ernst genommen und ständiger Kritik ausgesetzt, ist plötzlich sehr am Zweifeln ob seine Berufswahl (Lehrer) nicht aus einer jugendlichen Intuition heraus entstanden ist.

Riccardo der Vater, der sich gerne hinter Schweigen verbarrikadiert kann immer noch nicht akzeptieren daß "alles aus Mangel an Interesse vor die Hunde gegangen war". Dementsprechend bockig und abweisend verhält er sich.

Leonardo der Großvater, Analphabet und ehemaliger Kommunist (er gehörte der Partei an) wirft immer wieder die Frage in den Raum wann seine Kinder zu Bestien wurden. Er erzählt seinem Enkel daß junge Männer ohne reiche Väter im Hintergrund keine andere Wahl hatten als in den Norden zu gehen. Man konnte es sich nicht leisten an einem Ort zu bleiben wo es keine Arbeit gab.
Zurück nach so vielen Jahren muss er aber auch erkennen, dass sich nichts, aber auch garnichts geändert hat....

Endlich einmal eine Generationengeschichte über drei sehr unterschiedliche Männer aus einer Familie, die von Marco Balzano sehr sensibel und ruhig erzählt wird.

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"Das richtige ist das intensive Buch. Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt und nicht mehr los läßt - bis zum Ende nicht, lies oder stirb! Dann liest man lieber." Kurt Tucholsky
Doris
 
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