Mulot, Sibylle: Die Fabrikanten

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Mulot, Sibylle: Die Fabrikanten

Beitragvon Binchen » Mo 31. Mär 2008, 17:16

Inhalt:

Lis Kahn ist gerade zusammen mit einer Freundin im Urlaub in Oslo, als sie die Hiobsbotschaft erreicht: Der Vater ist pleite, wenn sie und ihr Bruder Lazi nicht schnellstens eingreifen.

Warum musste es gerade ihre Telefonzelle sein, die ein so langes Telefonat für das abgezählte Geld ermöglicht? Oder war es gar Vorbestimmung, dass sie die aufkeimende Beziehung zu einem jungen Mann nicht weiterführen konnte und stattdessen in die Fußstapfen vieler Frauen der Kahns treten musste? Verzicht auf persönliches Lebensglück zu Gunsten des Familienunternehmens scheint besonders für die Frauen zu Tradition zu gehören.

In vielen Rückblicken aus persönlichen Sichtweisen einzelner Familienmitglieder, erfahren wir von Lis und Lazis Ahnen und der Entwicklung des Kahn-Imperiums. Doch kann Lis sich endlich auch ein Stück eigenes Leben erlauben oder bleibt sie eine Gefangene der Familie?

Meine Meinung:

Familienzwänge, mit dem Titel hätte ich dieses Buch versehen. Um diese dreht sich die fiktive Familienbiografie. Auch der Untertitel der Buddenbrooks ‚Verfall einer Familie’ hätte hier gepasst – obwohl dafür dann doch ein Fünkchen Hoffnung zuviel vorhanden ist. Damit beschreibe ich, was ich in diesem Buch gesehen habe. Buddenbrooks passt nicht nur wg. der Familiengeschichte, auch diverse Standesdünkel und Gesinnungen von Protagonisten glaubte ich wieder zu erkennen. Der Auftritt der Manns aus Lübeck zaubert

Lis, die Ich-Erzählerin, habe ich gleich unter meine Fittiche genommen. Mit ihr zusammen habe ich die unglaublichen familiären Entwicklungen erlebt, und bin eingetaucht in die Familiengeschichte(n). Den Frauen der Familie wurde nicht viel Eigenleben erlaubt. Wer zu einer deutschen Unternehmerfamilie gehört, der muss Opfer bringen. Manchmal zu große Opfer?

Das für die Vergangenheit zu erfahren verblüfft nicht allzu sehr, dies jedoch beinahe in meiner eigenen Generation so deutlich vor Augen geführt zu bekommen, war bedrückend für mich. Die Einmischung der Eltern weil die Familie immer vorgeht, die Bevorzugung des Bruders, die Eigensüchtigkeit des Vaters, weil er seine Träume auf dem Rücken der Tochter verwirklichen will und es entweder nicht erkennt, erkennen will oder gar für selbstverständlich hält, weil sie ja nur ein Mädchen ist, die haben mir oftmals den Atem geraubt.

Mulot versteht es die Situationen entsprechend lebendig zu gestalten, dass man glaubt dabei gewesen zu sein, wie aus Bierfilzen Bierdeckel wurden oder der Vater die Dachterrasse belagert um das Date der Tochter zu stören. Eine eindrucksvolle Darstellung einer Familie und ihres Werdens, was sicher stellvertretend für einige mittlere Unternehmen in Deutschland stehen kann.

Bewertung: ***

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Infos: Der beiliegende Familienstammbaum als Faltblatt ist sehr hilfreich für die Ordnung der Familienstrukturen im Kopfe des Lesers, Diogenes HC oder TB, ca. 390 Seiten
Winke Binchen
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Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält.” William Somerset Maugham (1874-1965)
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