Simon, David - Homicide. Ein Jahr auf mörderischen Straßen

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Simon, David - Homicide. Ein Jahr auf mörderischen Straßen

Beitragvon Doris » Do 22. Sep 2011, 09:17

Broschiert: 800 Seiten
Verlag: Kunstmann (29. August 2011)
ISBN 978-3888977237
Originaltitel: Homicide - A year on the killing streets


Kurzbeschreibung
Tatort Baltimore: In der Stadt an der Ostküste der USA geschehen innerhalb eines Jahres 234 Morde - an zwei von drei Tagen wird ein Bürger erstochen, erschossen oder erschlagen. Im Zentrum dieses Hurrikans des Verbrechens steht die Mordkommission unter der Leitung von Lieutenant Gary D Addario, eine kleine Bruderschaft, konfrontiert mit dem amerikanischen Albtraum: Donald Worden, ein abgeklärter Ermittler am Ende seiner Karriere; Harry Edgerton, ein schwarzer Detective in einer überwiegend weißen Einheit; und Tom Pellegrini, ein engagierter junger Cop, der erst vor kurzem zur Mordkommission gekommen ist und den schwierigsten Fall des Jahres aufklären will - die brutale Vergewaltigung und Ermordung eines elfjährigen Mädchens. David Simon schuf die legendäre Fernsehserie The Wire. Der langjährige Polizeireporter der Baltimore Sun war der erste Reporter in Amerika, der unbegrenzten Zugang zu einer Mordkommission erhielt - er folgte ein Jahr lang den Ermittlern. Seine meisterhafte Reportage, die sowohl den Edgar als auch den Anthony Award gewann, lässt uns hautnah an den Ermittlungen der Mordkommission teilhaben und ist darüber hinaus eine eigene Ermittlung zur amerikanischen Kultur der Gewalt, die nichts von ihrer Brisanz verloren hat.

:arrow: Homicide. Ein Jahr auf mörderischen Straßen


Meine Meinung
David Simon, Journalist bei der Balitmore Sun, verbringt ein Jahr als "Polizeipraktikant" in der Mordkommission Baltimores.

Die Stadt an der Ostküste der USA hat eine überproportional hohe Gewaltrate, die Hälfte aller Morde geschehen im Drogenmilieu, 90 % aller Morde werden von Schwarzen an Schwarzen begangen.
Der Journalist und Autor erweist sich als grandioser Chronist der polizeilichen Ermittlungen und Kleinarbeit und schildert ein oft hoffnungsloses Unterfangen die Mörder dingfest zu machen.
Er räumt mit Mythen auf (es gibt keine wilden Autoverfolgungen und Rumgeballere)und errichtet jedem einzelnen der Beamten ein kleines Denkmal. In einem Mordfall zu ermitteln ist die Königsdisziplin der Polizeiarbeit.
Wird man den Erwartungen nicht gerecht findet man sich ganz schnell in der Abteilung für Autodiebstahl oder Betrug wieder, denn auch hier geht es letztendlich um erfolgreiche "Abschlüsse", die sich wie alles in Statistiken messen lassen.

Mit rauem Polizeihumor und scharfem Zynismus widmen sich die Detectives dem Anblick menschlichen Elends. In einer Stadt mit einer hohen Arbeitslosenquote und niedrigem Bildungsniveau ist das auch nicht verwunderlich. Und genau diesen Ton bringt Simon glaubhaft aufs Papier.

Die privaten Momente der Ermittler z.B. während einer Nachtschicht oder dem Besuch einer Bar schildert er ebenso detailliert wie die Untersuchungen am Tatort.

Fazit:
828 Seiten journalistische Arbeit, nervenaufreibende Ermittlungen und herbe Enttäuschungen - aber auch zu feiernde Erfolge bestimmen das Bild.
David Simon bilanziert das Geschehen teilweise minutiös, was mir zwischendurch eine Verschnaufpause abverlangte um dann wieder genauso begeistert weiterzulesen wie zuvor. Besser als so mancher Krimi, weil Realität!
Nun gilt es für mich The Wire anzuschauen und sein nächstes Buch "The Corner", das voraussichtlich im März 2012 erscheint, auf die Merkliste zu setzen.

Unbedingt empfehlswert
"Das richtige ist das intensive Buch. Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt und nicht mehr los läßt - bis zum Ende nicht, lies oder stirb! Dann liest man lieber." Kurt Tucholsky
Doris
 
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