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Helgason, Hallgrímur - Eine Frau bei 1000°

BeitragVerfasst: Di 18. Okt 2011, 12:24
von Doris
Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Verlag: Tropen Bei Klett-Cotta; Auflage: 1., Aufl. (September 2011)
ISBN: 978-3608501124
Preis: € 19,95


Kurzbeschreibung
Der neue Roman des isländischen Kultautors Hallgrímur Helgason
Drei Söhne von neun Männern, das ist genug. In ihrer Garage surft die 80-jährige Herbjörg durchs Internet und begleicht letzte Rechnungen, während der Ofen für ihre Einäscherung heißläuft. Hallgrímur Helgasons neuer Roman ist ein Parforceritt durch die Geschichte des 20.Jahrhunderts: anrührend und voll isländischer Skurrilität.

:arrow: Eine Frau bei 1000°


Meine Meinung:
Herbjörg ist 80 Jahre alt, krebskrank - ein Pflegefall.

So außergewöhnlich wie ihr Leben war, sind nun auch die äußeren Umstände in denen sie die letzten Tage verbringt.

Die ersten sieben Jahre ihres Lebens verbringt sie zusammen mit ihrer Mutter, einer bodenständigen Frau mit einer starken Persönlichkeit, alleine auf einer einsamen Insel. Der Vater, Sproß aus einer angesehenen Familie (der Vater wird später Präsident von Island) besinnt sich aber wieder, setzt sich gegen seine Familie durch und lebt dann mit den beiden zusammen. Solange bis er sich in glühender Bewunderung für die Nazis ergeht.
Über Kopenhaben (dort fühlt sie sich überhaupt nicht wohl und wird ständig gemobbt) führt er die junge Familie nach Deutschland und die schlimmen Kriegsjahre tragen wesentlich dazu bei zu was für einem Menschen sich Herbjörg, auch Herra genannt, entwickelt. Wie könnte es auch anders sein.
So nimmt denn auch diese Zeit einen Großteil des Buches ein und es wird in eindringlichen Worten und Kapiteln davon erzählt. Aber der Krieg macht aus Kindern ganz schnell Erwachsene, zumindest damit was er ihnen zumutet.
Die wohl prägendste Zeit erlebt Herra als sie 1941 im Zuge der Kinderlandverschickung auf die Insel Amrum kommt. Als sie sich von ihrer Mutter "der stärksten Frau der Welt" verabschiedet, weiß sie unbewußt dass dies das Ende ihrer Kindheit ist. Schreckliche Jahre folgen, aber egal wohin sie kommt, immer war sie das Gegenteil davon was erwartet wurde.

Aber sie erzählt auch von den 60er als sie nach Hamburg kam um Fotografie zu studieren. Sie trifft die Beatles als diese allabendlich noch unentgeltlich im Kaiserkeller aufgetreten sind.
Sie lebt in Paris fühlt sich als Frau von Welt und gibt all dies auf um wieder nach Island zurückzukehren.

Fazit:
Streckenweise skurril, aber immer direkt und offen schildert Hallgrímur Helgson die Lebensgeschichte von Herbjörg (es gibt nicht viele Männer die sich so gekonnt in die Gefühlswelt einer Frau einfinden können).
Eigene, politische und kulturelle Ereignisse prägen Herras Geschichte die der Autor souverän miteinander verwoben hat. Ich hätte mir allerdings etwas mehr aus den 70/80ern gewünscht, so bleibt der Roman doch sehr "kriegslastig"

4 von 5 Sternen