Chaplet, Anne: Schrei nach Stille

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Chaplet, Anne: Schrei nach Stille

Beitragvon Möwe » Mo 25. Aug 2008, 17:54

Inhalt:
Sophie Winter konnte ihr dunkles Geheimnis bis jetzt bewahren. Doch vierzig Jahre nach 1968 wird ihre wilde Vergangenheit plötzlich wieder lebendig. Nicht nur die Polizei interessiert sich auf einmal für das rätselhafte Verschwinden einer jungen Frau aus der Hippiebewegung.


1. Meinung:
Anfangs hat mich die Geschichte noch nicht so gepackt, zu bildhaft und langsam ging es los.

Aber je weiter ich gelesen habe, umso spannender wurde es. Es gibt in dem Buch mehrere Handlungsstränge, die immer wieder mal überlappen. Was ich sowieso gerne mag!

Anne Chaplet hat ein Händchen dafür, den Leser immer wieder mit kleinen Happen an Information zu versorgen.
Die Auflösung dann war anders als ich es erwartet hatte, aber dennoch in sich schlüssig. Sicher nicht das letzte Buch von Anne Chaplet das ich gelesen habe! (Möwe)

2. Meinung:

Bewertung: ****

Schokolade und Chili

Spontan kann ich nicht begründen warum, aber es muss ein Gasherd sein, auf dem der Kochtopf steht.
Der Mythos der 68iger Generation, die angebliche Spießigkeit eines kleinen Dorfes, durch die Sichtweise der Aufgeklärten wohl auch in den Rang des Mythos erhoben, das Singleleben eines Zugezogenen, die alltäglichen und absolut unalltäglichen Probleme eines alleinerziehenden Kommissars, Auszüge aus verschiedenen Lebensgeschichten köcheln darin auf kleiner Flamme. Verschiedene Zutaten, die vordergründig so wenig miteinander zu tun haben, wie Schokolade und Chili. Doch es ist die Kunst der fantasievollen und sinnlichen Köchin, verschiedene Zutaten zu einem spannenden Gericht zusammenzufügen.
Anne Chaplet gelingt das mit ihrer Erzähllust. Wie im realen Leben finde ich es auch im „Schrei nach Stille“ spannend, nach und nach zu erkennen, welche zunächst unsichtbaren Zusammenhänge und Verbindungen zwischen Menschen bestehen, die man im Lauf der Zeit kennenlernt.
Als Mitte der 60iger Geborener lasse ich mich von den Erlebnissen Sophie Winters, der Hauptfigur des Buches, gerne zum Nachdenken über die Jugend meiner Elterngeneration anregen. Spannend die Frage, was Menschen die für mein Leben wichtig sind wohl geprägt hat, welche Geschehnisse sich hinter dem was sie erzählen aufspüren lassen.
Wahrscheinlich hätte ich das Buch eher als Sittenbild, denn als Kriminalroman bezeichnet. (Würde ich es allerdings verkaufen wollen, keine Frage, dann hätte ich mich jedenfalls auch für Kriminalroman entschieden, denn wer kauft schon ein Sittenbild?)
Die für mein Verständnis im Buch nicht wirklich erzählte, aber doch vorhandene Geschichte des verschollenen Knaben Luca, wäre durchaus verzichtbar gewesen, vor allem, da sie dem leisen aber sehr intensiven Buch am Schluss etwas von seiner Intensität nimmt.
Alles in allem ist der Roman ein guter Grund hin zu greifen, wenn wieder einmal Anne Chaplet als Autorin auf dem Cover steht. (Jogl Bauer)

3. Meinung:

lesenswerter Dorfkrimi

Anne Chaplet erzählt in ihrem Buch „Schrei nach Stille“ eine Geschichte, die in 2 Zeitebenen spielt. Es ist das Jahr 1967 als ein Hippie-Trio in das Dorf Klein Rhoda zieht, zu einer Zeit, in der Selbstverwirklichung, LSD und Räucherkerzen zelebriert werden. Ihre Vorstellung von der Verwirklichung der freien Liebe stößt auf massiven Widerstand bei der überaus prüden Dorfbevölkerung und es kommt zu Übergriffen, die ihr abruptes Ende finden, als eines der Blumenkinder spurlos verschwindet.

40 Jahre später kauft die Autorin des Bestsellers „Summer of Love“, Sophie Winter, ausgerechnet das Haus in Klein Rhoda, in dem damals die Hippies gewohnt haben und reißt damit alte Wunden wieder auf. Die misstrauischen und starrköpfigen Einheimischen fühlen sich durch die Fremde in ihrer Dorfidylle empfindlich gestört. Und so dauert es nicht lange, bis unheimliche Vorkommnisse das Leben der Autorin durcheinander bringen. Immer öfter wird die Frage nach dem verschwundenen Hippiemädchen gestellt, aber das Dorf schweigt.

Bereits auf den ersten Seiten Buches fand ich es faszinierend, ja eigentlich genial, wie die Autorin es versteht, die Stimmung in dem alten Haus zu schildern, wie sie mit bildhafter Sprache und Atmosphäre spielt. Aber auch die persönlichen Befindlichkeiten der Dorfbewohner kommen in diesem Buch nicht zu kurz. Ein typischer Dorfkrimi eben, der durch spießige Bewohner und dörfliche Regeln sein Leben eingehaucht bekommt.

„Schrei nach Stille“ ist vielleicht nicht der spannungsgeladene Krimi, den die Thrillerfans unter uns bevorzugen, aber ein Buch, das es in sich hat. (villawiebke)

4. Meinung:

Vergessen ist Gefahr und Gnade zugleich

Das dem Buch vorangestellte Zitat von Theodor Heuss passt ausgezeichnet zu Anne Chaplets neustem Buch „Schrei nach Stille“.

Sophie Winter ist eine ältere Schriftstellerin, die sich vom Geld ihres Buches „Summer of Love“ ein verlassenes Haus im nordhessischen Dorf Klein-Roda gekauft hat. Die Dorfbewohner begegnen ihr mit der gleichen misstrauischen Ablehnung, wie den Hippies, die einst 1968 in diesem Haus lebten. Es wird schnell klar, dass sie nicht zufällig in dieses Haus gezogen ist und ihr Roman keine erfundene Geschichte beschreibt.

In „Summer of Love“ beschreibt sie wie 1968 drei junge Hippies nach Klein-Roda zogen, welche Konflikte zwischen den Dorfbewohnern und den Hippies entstanden und legt nahe, dass eines der beiden Hippie-Mädchen von den Einwohnern in den Tod getrieben worden wäre. Die Dorfbewohner verbinden mit diesem Haus nicht nur wegen der Hippies unangenehme Erinnerungen und begegnen Zugezogenen ohnehin nicht gerade offen und herzlich. Davon kann auch ihr Nachbar Paul Bremer ein Lied singen, denn obwohl er schon lange in Klein-Roda wohnt, gehört er nicht richtig dazu. Erst durch das Buch erfährt er, was hier 1968 geschah und einiges andere mehr, das er vielleicht lieber nicht über liebgewonnene Nachbarn gewusst hätte.

Bei der Leseprobe war ich mir noch sicher, dass ich recht schnell den Überblick über die vielen eingeführten Personen und die unterschiedlichen Erzählperspektiven haben würde. Für mich wurde das Lesevergnügen leider dadurch getrübt, dass ich gelegentlich zurückblättern musste, um den Überblick zu behalten. Hätte ich die Lektüre nicht mehrmals für einige Tage unterbrechen müssen, wäre das sicher anders gewesen. Die oft fehlende Kennzeichnung von wörtlicher Rede und den SMS trug zur Verwirrung bei.

Für mich ist „Schrei nach Stille“ nicht wie auf dem Klappentext versprochen: „Ein eindringliches Porträt der Bundesrepublik in einer ihrer größten Umbruchsphasen (...)“, sondern ein sehr gelungenes Porträt des Lebens in einem Dorf vor vierzig Jahren und heute. Die Nebenhandlung nimmt soviel Raum ein, dass es sich meiner Ansicht nach nicht um einen Krimi handelt, sondern um einen (sehr lesenswerten) belletristischen Roman.

Ein sehr beeindruckendes Buch, das ich gerne gelesen habe und auch schon weiterempfohlen habe. (sassenach)
Möwe
 
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Registriert: Mo 25. Aug 2008, 17:52

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