Morton, Kate: Das geheime Spiel

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Morton, Kate: Das geheime Spiel

Beitragvon Binchen » Mi 15. Okt 2008, 12:43

Inhalt:
Kurzfassung:

Es ist Juni 1914, Grace bekommt eine Stelle als Dienstmädchen im Hause der Rivertons, schon ihre Mutter war damals als Dienstmädchen dort, musste jedoch wegen Grace Geburt das Haus verlassen. Grace bewährt sich, gewinnt nach einer Zeit sogar beinahe eine Art Freundschaft, zu den Schwestern Hannah und Emmeline, die im Haus leben - insbesondere zu Hannah - und erlebt deren weiteres Leben, erfährt von ihren Träumen und ihrer Liebe und letztendlich erlebt sie, dass sie beiden Schwestern nicht helfen kann ihr Glück zu leben.

Meine Meinung:

Die Beschreibungen des Klappentextes, ließen mich etwas anderes erwarten, ein Drama, rund um den ersten Weltkrieg, Dienstboten, Herrschaften und Liebe. Die Kommentare, vor denen ich den Blick nicht verschließen konnte, versprachen zudem noch Jane Austen, Rebecca und ‚Das Haus am Eaton-Place’.

Was ist dabei herausgekommen?

Die Geschichte der Schwestern Hannah und Emmeline ist in eine freundliche Rahmenhandlung eingebettet. Die Geschichte der Familie und des Hauses, in dem sich das Drama letztendlich zutrug soll verfilmt werden und als die Regisseurin erfährt, dass Grace, ein früheres Dienstmädchen von Riverton Manor, noch lebt, ist sie begierig möglichst viel Originalfeeling in den Film einzubauen und sich dieses von Grace bestätigen zu lassen. Die Aufforderung sich zu Erinnern, an damals, als das Unglück geschah, bringt der beinahe 100-jährigen Grace die lange vergrabene Erinnerung zurück.

In Schwenks zwischen heute und damals erfahren wir aus Grace Perspektive, was in jenem Sommer 1924 wirklich geschah, jetzt am Ende ihres Lebens hat sie keinen Grund mehr es zu verheimlichen. Dieser Wechsel zwischen heute und gestern ist gut gelungen.

Sie beginnt ihre Geschichte mit ihrer Ankunft in Riverton Manor 1914. Die Erzählung über die Art und Ethik ihres Dienstes, ihrer Aufgaben, und die des Personals erinnert an eine Mischung zwischen dem Dienstbotentrakt vom ‚Haus am Eaton Place’ und den strengen Grundsätzen aus ‚Was vom Tage übrig blieb’. Das wundert niemanden, der liest, welche Autoren für die Autorin Grundlage der Forschung zu der Zeit waren: Vita Sackville-West, Margaret Atwood, Daphne du Maurier, und sehr viele mehr sind dort aufgeführt. Die Entscheidung, ob da etwas gut neu gemischt wurde oder vieles einfach abgeschrieben wurde, überlasse ich mangels Kenntnis der Quellen anderen.

Feststellen kann ich jedoch, dass ich glaube ein Gefühl dafür bekommen zu haben, wie die beschriebenen gesellschaftlichen Schichten im England in der Zeit getickt haben, und dass ich die ggf. z.B. mit dem Blinden Mörder noch vertiefen könnte.

Der 1. Weltkrieg, seine Nachwirkungen bei den Kriegsteilnehmern, die 1920er, die Einstellungen der Menschen aus den verschiedensten Schichten, die Langeweile der Frauen, die nicht arbeiten durften, die ‚Aufstände’ des Personals und der Frauen, alles wirkt echt.

Die genannten Quellen lassen aber auch den Blick auf die Herkunft von Handlungssträngen zu. Die Teile am See und einige heimliche Treffen erinnerten mich vage an DuMaurier und den englischen Titel ‚ The Shifting Fog’, die anfänglichen Passagen, bei denen alles um ‚DAS SPIEL’ geht, erinnern an die Bronte-Geschwister, die sich ihre eigene Welt schaffen konnten. So spielt das Buch mit diversen Bildern, die mir bekannt vorgekommen sind. Die jedoch nicht die starke Ausdruckskraft der Originalwerke erreichen.

Grace Blickwinkel auf die Geschichte ist fast immer glaubhaft, sie ist eine sympathische Person, die unseren Blick ein paar Mal zu oft auf die Ehre und den Standesdünkel einer Zofe lenkt, darunter sind sicherlich einige Passagen, die gekürzt, an Aussagekraft gewonnen hätten.

Die Verstrickungen und der Teil, der eigentlich eine Krimi-Handlung hätte sein sollen, ist für mich nur sehr dürftig weggekommen. Von Anfang an, hatte ich einen Verdacht, der sich dann nach gut 650 Seiten auch annähernd bestätigt hat. Die im Klappentext genannte männliche Hauptperson des Romans nimmt für mich zuwenig Raum ein, die Entwicklung dieses Zweigs der Geschichte ist mir zu kurz gekommen, obwohl sie letztendlich sehr stimmig endet.

Das geheime Spiel hat auch am Ende noch seinen Auftritt, als Leser hoffte ich immer auf eine ‚richtige Auflösung’ die dann jedoch nicht in dem von mir gewünschten Ausmaß eintrat, das war die Enttäuschung mit der ich am Ende umgehen musste. Denn die Ausführlichkeit bis zu den ersten 2/3, hätte ich mir eher in den Motiven zu den Todesfällen gewünscht.

Das stimmige Ende begünstigte meinen Gesamteindruck.

Knapp *** von **** möglichen Sternchen möchte ich vergeben, in der Hoffnung darauf, dass der nächste Roman von Mrs. Morton etwas straffer gefasst sein wird. Denn erzählen kann sie, Stimmungen heraufbeschwören ebenso. Das macht Hoffnung auf mehr Bücher aus ihrer Feder, gerne wieder in dieser Zeit angesiedelt.
(Binchen, Oktober 2008)
Winke Binchen
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Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält.” William Somerset Maugham (1874-1965)
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