Piercy, Marge: Menschen im Krieg - Gone to the Soldiers

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Piercy, Marge: Menschen im Krieg - Gone to the Soldiers

Beitragvon Binchen » Mo 26. Jan 2009, 08:38

Inhalt/Meine Meinung

Dieses Buch stand einige Jahre im Regal – immer mal wieder schob es sich vor und wurde dann doch nicht erwählt, doch nun war es endlich so weit. Viel gelobt geisterte es damals durch Internet-Foren, aber soviel Lob machte mich schnell stutzig und vorsichtig, vielleicht hat es deshalb so lange gedauert, bis es endlich gelesen wurde.

Jaqueline, Ruthie, Jeff, Bernice, Murray, Daniel, Oscar, … - anfangs sind es nur Namen, doch schnell entwickelte ich Beziehungen zu den ‚Menschen im Krieg’, die Marge Piercy für uns beschreibt.

Ich begann zaghaft zu lesen, von einem arroganten Teenager, dem Vater, der in den Krieg zieht, von Zwillingsschwestern, die getrennt werden, von einem Landschaftsmaler, der scheinbar ohne Antrieb durch die Welt reist, seiner Schwester, deren Traum das Fliegen ist, die jedoch dazu verdammt scheint, dem nörgelnden Vater den Haushalt zu führen, von einem Draufgänger, einem Fan für China und von einem Mann, der so gar nicht verstehen kann, dass eine außereheliche Affäre letztendlich sein Leben und seine Ehe kaputt gemacht hat, seiner Frau einer Schriftstellerin mit mindestens zwei Seiten – von vorwiegend jüdischen Menschen in Europa und Amerika, die so kurz vor und im 2. Weltkrieg mitten in ihren Leben stehen, von ihren Erwartungen und ihren Träumen.

Unterschiedliche Perspektiven in unterschiedlichen Stilen beschrieben, mal als Tagebuch, mal Briefausschnitte, mal beherrschen Träume das Bild.

Durch die Augen der wechselnden Hauptprotagonisten sehen wir die Welt zur Zeit des zweiten Weltkriegs. Anhand der menschlichen Schicksale erleben die Leser, den Krieg, die deportierten Juden, Menschen bei der Resistance, im alltäglichen Überlebenskampf in den Fabriken, im ostasiatischen Kampf, in England, Frankreich und Amerika.

Marge Piercy hat 10 Jahre lang für diesen Roman recherchiert und noch nie ist mir so klar geworden, was es heißen konnte in dieser Zeit zu leben. Die Auswirkungen der Politik, ein Empfinden für die Alltagswelt während des Krieges, für Menschen, die die Politik nicht als Lebensinhalt betrachteten, sondern einfach nur Leben wollten, all das war trotz diverser gelesener Bücher und gesehener Filme rund um den zweiten Weltkrieg nicht so deutlich zu mir gedrungen.

Markus Zusak und seine ‚Bücherdiebin'
http://buecher4um.de/Foren/viewtopic.php?f=9&t=234
hatte da in deutscher Hinsicht letztens noch gewirkt, aber da war es der Blickwinkel eines Kindes in Deutschland. Nun rundet sich das Bild auch durch die Eindrücke, wie weit Amerika betroffen war, ab. Verschiedenste Gesellschaftsschichten, die Alters- und Berufsgruppen die Piercy ausgesucht hat, schildern Facetten, die bisher nicht in mein Bewusstsein gedrungen waren.

Littels ‚Die Wohlgesinnten’
http://buecher4um.de/Foren/viewtopic.php?f=2&t=229&hilit=Littell

brachten mir das Naziregime quasi aus einer Innensicht nahe,

Wibke Bruhns mit ‚Meines Vaters Land’
http://www.hoerbuecher4um.de/Rezensione ... atLand.htm

schilderte eine Deutsche Familie der Zeit, mit Wiederstandskämpfern in Deutschland, doch viel eindrücklicher war dieses Buch, das so viele menschliche Schicksale miteinander in Beziehung setzte und außergewöhnliche Menschen beschreibt.

Ich kann gar nicht sagen, welches Schicksal mich nicht betroffen gemacht hat, aber vor allem, die Familie, deren Existenzen in Resistance, Amerika und im KZ angesiedelt sind, habe ich mit besonders viel Herzklopfen verfolgt. Eine emotionale Verbindung, die wohl nur unter Zwillingen besteht wurde da besonders geschickt auch als Stilmittel verwendet.

Und bei aller Grausamkeit ist dieses Buch vom Grundtenor her eher freundlich gehalten. Natürlich sterben auch einige von unseren liebgewonnenen Protagonisten, aber der Umgang miteinander bleibt freundlich, manchmal heiter, ggf. mit einer gewissen positiven Grundhaltung untermalt, so dass das Buch auch für jemanden wie mich, der mehr Sonne als Schatten in Büchern braucht um sich wohl zu fühlen, ein besonderes Buch wurde, das ich nicht so schnell vergessen werde. (Binchen, Januar 2009).

Wertung ***** von **** - Ein besonderes Buch
Winke Binchen
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Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält.” William Somerset Maugham (1874-1965)
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