Collins, Michael: Nicht totzukriegen

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Collins, Michael: Nicht totzukriegen

Beitragvon Petra » Di 23. Jun 2009, 09:25

Collins, Michael
Nicht totzukriegen

Bild

Genre: Erzählung / "Krimi"
Seitenzahl: 414 Seiten
Verlag: btb
Preis: 9,00 €
ISBN: 978-3442738533
Bewertung: ****
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:

Frank Cassidys Onkel ist tot. Als Frank das aus der Zeitung erfährt, fackelt er nicht lang und macht sich gemeinsam mit seiner Frau Honey, seinem Stiefsohn Robert Lee und seinem Sohn Ernie auf den Weg an den Ort des Geschehens, den Ort seiner Kindheit: Michigan. Da Frank sich mehr schlecht als recht durchs Leben geschlagen hat, tritt er die Reise ohne die nötigen finanziellen Mittel an. Doch das hält ihn nicht auf, auch nicht, wenn man auf der Reise dafür ein paar kleine krumme Dinger drehen muss.

Sein Onkel hatte ihn auf der Farm, die schon viele Jahrzehnte im Besitz der Familie war, aufgezogen. Zusammen mit seinem eigenen Sohn Norman. Auf seinem Weg nach Wisconsin nimmt Frank telefonisch Kontakt zu seinem „Halbbruder“ (eigentlich Cousin, aber Frank betrachtet ihn als Bruder) Norman auf und merkt der Reaktion von Norman und dessen Ehefrau an, dass er nicht erwünscht ist.

Hilfe ist also nicht zu erwarten, so muss Frank sich allein durchschlagen um zu schauen ob noch was zum erben übrig ist. Zumindest redet er sich selber ein, dass es ihm ums Erbe geht. Was ihn jedoch tatsächlich dorthin treibt, ist die Suche nach der Wahrheit. Seit seiner Kindheit lässt ihn die Frage nicht los, was damals genau geschah, als seine Eltern bei einem Brand ums Leben kamen.

Er sucht den Mörder seines Onkels. Und ahnt nicht, wen er finden wird. Und seine Frau Honey hat derweil ganz andere Sorgen. Zum einem sieht sie in dieser Reise die Chance auf einen Neuanfang. Zum anderen kann sie mit der Vergangenheit nicht abschließen. Sitzt doch ihr Ex-Mann Ken - Robert Lees Vater -, in der Todeszelle und wartet auf die Vollstreckung des Urteils.

Meine Meinung:

Eigentlich fasse ich mich lieber etwas kürzer bei der Inhaltsangabe. Da dieses Buch bislang aber überall mehr oder minder als Krimi beworben wird und man eigentlich nicht erfährt, was den Leser in dem Buch wirklich erwartet, habe ich mal etwas mehr ausgeholt. Zumal die Handlung auch sehr komplex ist und das Buch sich die ganze Länge über mit diesen Themen beschäftigt: Verliererdasein, Neuanfang (möglich oder nicht?), Partnerschaft (den anderen Lieben – trotz Fehler), eine alte Liebe nicht loslassen können (weil man durch den Sohn miteinander verbunden ist und weil man ein Gewissen hat), ungleiche (Halb-)Brüder (endlich ein annähern oder bleibt es bei dem distanzierten Verhältnis?), die Suche nach der Wahrheit, die Wichtigkeit der Erinnerung an Geschehenes, verletzte/zerstörte Seelen (z. B. durch den Vietnamkrieg – das aber nur am Rande), die nicht klare Trennung von Gut und Böse, Verzeihen…

In dem Buch findet der Leser ganz wenig Krimi, aber ganz viel Mensch. Mich hat die Geschichte von Frank und Honey und ihren Kindern sehr berührt. Dabei ist der Erzählstil eher nüchtern. Michale Collins verströmt in den Zeilen nur die Dosis an Gefühl, die Frank und Honey (und die Kinder) bereit sind zu zeigen. Das ist authentisch. Man würde Frank und Honey als Verlierertypen bezeichnen, die von einem besseren Leben träumen. Und vielleicht sogar endlich eine Chance bekommen und sie nutzen wollen. Doch da muss eine große Angst sein, das niemals zu schaffen. Nicht die Möglichkeiten zu haben. Enttäuscht zu werden. So treten beide (besonders Honey) dem anderen stets mit einer gewissen Verhärtung gegenüber. Aber zwischen den Zeilen blitzt Gefühl und Liebe durch. Ehrlichere, als man sie vielleicht in einem gefühlvollen Liebesroman findet. Ich fand das sehr beeindruckend von Michael Collins geschildert.

Überhaupt hat mich seine Sprache faziniert. Er formuliert so, dass messerscharfe Bilder entstehen. Auch die Atmosphäre ist zum greifen nah. Der Leser geht ganz und gar in Franks und Honeys Welt auf. Sieht sich vor Probleme gestellt, die ihm zuvor fremd waren. Baut im Leser Verständnis auf für Menschen wie Frank und Honey, die nicht immer richtig handeln und dennoch im Grunde gute Menschen sind. Holt den Leser weg vom klaren Urteil von gut und böse, richtig und falsch. Der Leser erfährt wie die Figuren handeln und versteht sie letztendlich, auch wenn man selbst vielleicht selbst anders handeln würde. Michael Collins gelingt es fantastisch, den Leser mit auf Franks Reise an den Ort seiner Kindheit zu nehmen. Manche Sätze (Gedanken) will man unbedingt festhalten, notieren. Sie drücken so viel über das Leben aus. Auf eine nüchterne Art, die aber ins Herz trifft. Sehr oft stimmte ich im Geiste zu, sagte zu mir: Ja, genau so ist es! Ja, so kann man es sehen!

Die Geschichte wird langsam erzählt. Es ist eine ruhige Erzählung. Aber das passt in diesem Fall. Alles entwickelt sich ganz allmählich. Die Story braucht das. Und Michael Collins beweist genug Geduld den Figuren die Zeit zu lassen, die sie brauchen. Der Leser, wenn er nicht auf der Suche nach einem rasanten Thriller ist und sich auf dieses beschauliche (sehr passende) Tempo einlassen kann wird reich belohnt. Denn Michael Collins erzählt so, dass er den Leser nicht eine Minute lang langweilt. Da kann man entspannt ausatmen und sich die Zeit nehmen, die die Figuren brauchen. Und vor allem auch die Zeit genießen, da man somit Anteil an ihrem Leben und ihrer Entwicklung hat.

Der Klappentext des Buches verspricht einen Krimi. Den bekommt der Leser nur ganz am Rande – aber er bekommt mehr! Für mich war es eine Aufwertung des Buchs, dass die Handlung sich nicht auf die Krimihandlung beschränkte. Für die Krimihandlung an sich hätte ich das Buch nicht lesen wollen, trotz dass der Plot gut ist. Für alles andere aber umso mehr! Wer auch gern mehr als einen bloßen Krimi liest, der ist hier bestens bedient. Wer dann noch damit klar kommt, dass Michael Collins Figuren keine klassischen Sympathieträger sind, dem wird das Buch sehr gefallen. Für mich war es ein ganz besonderes Buch das mir so gut gefallen hat, dass ich mir direkt auch die anderen Romane von Michael Collins gekauft habe! (Petra)

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Liebe Grüße,
Petra


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