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Price, Richard: Cash

BeitragVerfasst: Mi 13. Okt 2010, 11:34
von Petra
Price, Richard Price
Cash

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Kategorie: Gekürzte Lesung
Genre: Millieustudie / Krimi
SprecherInnen: Christian Berkel
Regie: /
Medium: 8 CDs
Laufzeit: ca. 532 Minuten
Verlag: Der Hörverlag
Preis: 29,95 €
ISBN: 9783867176286
Bewertung: 7,5 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt:

Drei Männer werden nachts in der Lower East Side von zwei dunkelhäutigen Jugendlichen überfallen. Einer der drei wird erschossen, die Täter fliehen. Der Hauptzeuge, Eric, verstrickt sich bei der Polizei immer tiefer in Widersprüche. Detective Matty Clark kommen jedoch bald Zweifel an seiner Schuld ...

Meine Meinung:

Die Inhaltsangabe ist irreführend. Da das (Hör)Buch jedoch so beworben wird, verwende ich sie. Man möchte meinen, man habe es hier mit einem Krimi zu tun. Richard Price möchte hier jedoch in erster Linie ganz was anderes, als eine Kriminalgeschichte erzählen. Er schaut in diesem Roman hinter die Fassade des glamourösen, unübertrefflichen New Yorks. Denn das ist die Stadt – zweifellos. Doch was sind das für Menschen, die dort leben? Eines steht fest: Von glamourös sind sie oft weit entfernt. Und sie sind sehr unterschiedlich. Da gibt es die Cops, mit ihren „normalen“ Familien, die so normal gar nicht sind. Da gibt es die Farbigen, die von vornherein schlechte Karten haben. Ebenso die Latinos. Doch eines scheint jeder Bevölkerungsschicht gemein: Sie alle haben ihre Probleme.

Price zeichnet ein Bild von distanzierten Figuren, die ihre Rolle spielen. So der knallharte Cop Matty Clark, der dem Zeugen und bald selbst verdächtigten Eric in einem Verhör ordentlich zusetzt. Wie es sich gehört. Alles ist vorgefertigt, in einer Welt wie New York. Ein Farbiger ist schuldiger als ein Weißer, die Vorurteile so erschlagend, dass ein genaues Hinsehen und -hören schwer zu fallen scheint. Und schaut man (in dem Fall Matty Clark) in die eigene Familie, so wird klar: Auch in weißen Familien ist nicht alles Gold was glänzt.

Doch diese Gedanken vermittelt Price nicht auf direkte Art. Sie schwingen vielmehr mit. Ergeben sich aus dem Handlungsverlauf. Der Krimianteil der Story wird eigentlich vollkommen unwichtig. Im Mittelpunkt steht New York mit seinen gescheiterten Existenzen. Und von denen kann Richard Price sicher ein Lied singen, denn er hat gewiss selbst viele beobachtet. Der Autor ist in der Bronx aufgewachsen. Hier erzählt uns also kein Fremder von der Metropole und seinen Menschen.

Somit ist „Cash“ kein Krimi, sondern eine Millieustudie. Nicht umsonst nennt man Price auch einen großen Gegenwartschronisten. Doch sollte dem Leser/Hörer, bevor er zu diesem Roman greift, bewusst sein, was er bekommt. Eine Millieustudie in einer Sprache, die das Lebensgefühl dieser Menschen sicher gut widerspiegelt: distanziert, nur niemanden an sich heran lassen, man könnte verletzt werden. Ein dicker Panzer aus – ja, aus was eigentlich? Vorurteilen und Selbstschutz wahrscheinlich. Ein interessanter Einblick, der jedoch nicht unbedingt Spaß im herkömmlichen Sinne macht.

Die Dialoge, die Price seine Figuren führen lässt, haben mir gefallen. Sie spiegeln diese Unnahbarkeit, die aufgesetzte Coolness, die man dort zum überleben braucht, sehr gut wider.

Für die Hörbuchumsetzung hätte man da kaum einen besseren als Christian Berkel finden können. Seine Stimme erfasst genau diese Distanz in den Dialogen, ohne aber zu unterkühlt zu klingen. Man hört ihm an, dass da mehr als diese hohle Coolness hintersteckt. So sind die Figuren in „Cash“ gedacht. Das greift Christian Berkel sehr gekonnt auf. Seine ruhige und doch so ausdrucksstarke Stimme passt perfekt. Ich bin froh dieses Werk gehört zu haben. Der Sprecher lässt die Figuren mehr zum Leben erwecken, als ich mir beim lesen vielleicht die Mühe gemacht hätte. Es gehört schon was dazu, diese abgestumpften Typen mit Interesse zu beäugen. Berkel hat es getan und mir somit den Zugang zu diesen distanzierten gescheiterten Existenzen erleichtert. (Petra)

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