Lenz, Siegfried: Erzählungen II

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Lenz, Siegfried: Erzählungen II

Beitragvon JMaria » Mo 29. Sep 2008, 14:36

Siegfried Lenz: Erzählungen II

Kategorie: Autorenlesung
Sprecher: Siegfried Lenz
Autor: Siegfried Lenz
Medium: 6 CD
Laufzeit: 462 min.
Verlag: Hoffmann & Campe 2006
Preis: 35,99 €
ISBN: 3-455-32044-9
Bewertung: ****
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt, ein Auszug:
1) „Lehmanns Erzählungen oder So schön war mein Markt“:
Hamburg, 1945: Ein Schwarzhändler, der sogar die schwierigsten Aufgaben löst. Ob Fusel oder Denkmäler, er treibt es auf und alles begann mit Hunderten von Sahnelöffeln. „Die Not ist meine schönste Zeit. Schon früh erkannte ich, welche Möglichkeiten der Mangel birgt, die Knappheit an allen Dingen;“ So erzählt Lehmann mit feiner Ironie von seinen Abenteuern als Schwarzhändler. Sein Fazit: Armut ist sein höchstes Glück, jedoch in Zeiten des Überfluss verkümmert sein Talent.

Weitere Lesungen:
2) Die Augenbinde (nicht von Siegfried Lenz gelesen)*
3) Die Schmerzen sind zumutbar
4) Die Mannschaft
5) Wie bei Gogol

6) Achtzehn Diapositive
Eine private Diavorführung in einem gemütlichen Wohnzimmer, über einen Aufenthalt in London nach dem Krieg, führt zwei Ehepaare in die Vergangenheit zurück und setzt Erinnerungen frei, die unterschiedlicher nicht sein können. Man spricht über Schuld und ob eine Not an einer anderen Not gemessen werden kann. Das führt zu Missverständnissen und die Entdeckung, dass manche Menschen nicht vergessen können. Dieser Abend, der so angenehm begann, sollte niemanden auf die Anklagebank bringen. Doch Erinnerungen können Gegenerinnerungen auslösen. Die Gäste brechen frühzeitig auf. Es bleibt die Aussage des Ich-Erzählers: „solange unseresgleichen lebt, muss man darauf gefasst sein, dass die gemeinsame Besichtigung von Vergangenheit schon ausreicht, um verfrüht aufzubrechen.“

7) Die Kunstradfahrer
8) Der Mann unseres Vertrauens
9) Der Redeschreiber

10) Ein geretteter Abend „Für Marcel Reich-Ranicki“
Reichhaltiger kann das Angebot einer Volkshochschule nicht sein. Doch was tun, wenn ein Vortragsredner kurzfristig ausfällt und der Saal voller Zuhörer ist? Der Auftakt der Vortragsreihe wäre „Scharfrichter oder Geburtshelfer? Über das Wesen literarischer Kritik“ gewesen. Doch nun ist guter Rat teuer. Da spürt der Verantwortliche des Programms einen Referenten auf, - allerdings ein Meereskundler und kein Kenner der Literatur. Egal, wichtig ist, es gibt einen Vortrag und so verläuft der Abend ganz vergnüglich über das Thema „Aquariums-Kultur – Ein Streifzug durch ein Seeaquarium“, Insbesondere über den Großen Zackenbarsch gibt es anerkennenden Applaus und Heiterkeitsausbrüche seitens des Publikums. Denn kein Fisch nimmt es mit dem Großen Zackenbarsch auf, wenn es um die Kontrolle und die Regulierung des Lebens in einem Aquarium geht. Was ist so besonderes am Großen Zackenbarsch? Er ist unbestechlich, lässt sich durch keinen Köder verführen. Obwohl er einen großen Appetit hat, verschlingt er die Beute nicht wahllos, sondern nach Prinzip; er schnappt vorzugsweise nach dem, was blendet, was verschleiert, was garniert und dekoriert und sich arg verstellt. Er hat etwas Richterliches an sich. Am Ende des Vortrags gibt es frenetischen Beifall.

11) Die Bewerbung

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Meine Meinung:
Siegfried Lenz ist dazu prädestiniert seine Werke selbst zu lesen. Der feine Humor und die Ironie weiß der Autor mit seiner Stimme unaufdringlich hervorzuheben oder zu dämpfen. Seine Dialektik z. B. in der Lesung „Achtzehn Diapositive“ sind hervorragend inszeniert. In dieser Hörbuchproduktion zeigt sich die Vielfalt der Erzählstile, die Siegfried Lenz in seinen Erzählungen umsetzt. Faszinierend ist, wie er mit nur wenigen Worten den Kern menschlichen Verhaltens trifft. Eine amüsante Erzählung ist „Ein geretteter Abend“, auch bekannt unter dem Titel „Der große Zackenbarsch“. Diese Erzählung schrieb Siegfried Lenz zum 70. Geburtstag von Marcel Reich-Ranicki.

Das Booklet ist sehr informativ. Der Hörer erfährt, dass die Aufnahmen einen Zeitraum von 1959 bis 1996 umfassen; außerdem beinhaltet es ein Interview mit dem Autoren und eine Auflistung seines Gesamtwerkes.

*Leider gibt es keinen Hinweis über den Sprecher der „Augenbinde“. Eine Anfrage an den NDR ergab, dass es in deren Archiv keinen Hinweis auf den Sprecher gibt.

Der Gesamteindruck des Hörbuchs ist hervorragend und eine würdige Fortsetzung der „Erzählungen I“. Am Ende der sechsten CD hat der Hörer das Bedürfnis Siegfried Lenz zu applaudieren.

JMaria im Januar 2007
Schöne Grüße, Maria
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