Moehringer, J.R. : Tender Bar - Rezension von Steffi

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Moehringer, J.R. : Tender Bar - Rezension von Steffi

Beitragvon Binchen » Di 1. Apr 2008, 13:05

Bild
Kategorie: autorisierte Lesefassung
Genre: Unterhaltung
SprecherInnen: Ulrich Noethen
Medium: 6 CDs
Laufzeit: ca. 411 Minuten
Verlag: Argon
Preis: 29,95 €
ISBN: 3866102232
Bewertung: ****
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:

In einem kleinen Vorort von New York an der Ostküste der USA wächst der Ich-Erzähler J.R. auf. Seinen Vater kennt er nur als Sprecher aus dem Radio und er lebt mit seiner Mutter zunächst im chaotischen Haus der Großeltern. Den Lärm, den die vielen Menschen dort machen, empfindet er wie den Herzschlag des Hauses Usher. Er fühlt sich einsam und sehnt sich nach einer Vaterfigur.

So kommt er dann mit seinem Onkel Charlie in die Bar „Dickens“, die später in „Publicans“ umbenannt wird, wo er eine bunte, mitfühlende Männergemeinschaft antrifft. Auf seinem weiteren Lebensweg, dem Umzug nach Arizona, der Zeit im Buchladen zweier skurriler Bibliomanen, der College-Zeit und schließlich der Rückkehr nach New York findet er dort immer einen Halt und einen Rückzugsort, genauso wie ihn immer die Stimme Frank Sinatras begleitet. Am Ende des Buches ist J.R. erwachsen geworden und ist am Ende seiner Identitästssuche angelangt.



Meinung:

Die Figur des Ich-Erzählers, identisch mit dem Autor, wie dieser beteuert, ist von Beginn an sympathisch. Ein Junge, der aus der Position des Erwachsenen erzählt, dessen Gefühle und Gedanken oft ironisch oder mit feinem Humor unterlegt sind. Ganz nüchtern, ein bißchen cool und ohne Pathos erleben wir die Identitätssuche eines Jungen, der ohne Vater in ärmlichen Verhältnissen aufwächst, der sein Leben und seine damaligen Erlebnisse aus einer Distanz heraus schildert und der hofft, das niemand ihn danach fragt, was sich hinter den Buchstaben seines Namens J.R. verbirgt.

Namen spielen tatsächlich eine fortlaufende Rolle und bilden so, neben der Bar, das Gerüst des Romans, manchmal wird diese Namensmanie auch sehr treffend und lustig geschildert. So fragt sich J.R. z.B. als er in einem Ritual seinen ersten offiziellen Drink aussucht, ob er künftig den Spitznamen Gin Tonic J.R. oder Scotch Soda Moehringer tragen wird.

J.R.Moehriger schreibt seine Identitätssuche, dieses Erwachsenwerden eines Jungen, in der Tradition der amerikanischen klassischen Literatur. Ebenso wie Twains Huckleberry Finn oder Thomas Wolfes Held aus „Schau Heimwärts, Engel“, ist der Protagonist J.R. ein aufgeweckter, positive Mensch, der versucht, seinen Weg und sein Glück zu finden, dabei aber auch das Leben genießt oder Rückschläge erleidet.

Gerade die farbenfrohen Beschreibungen der Welt im kleinen Städtchen Manhasset oder in Paradise Valley in Arizona, auf dem Campus und in der Zeitungsredaktion machen die Geschichte sehr lebendig und wunderbar leicht und gehen weit über eine Autobiografie hinaus.

Ulrich Noethen spricht in einem sanft modulierten Tonfall und mit einer leichten Coolness, die der Figur des J.R. absolut gerecht wird. Die oft amüsanten oder ironischen Wendungen und den trockenen Humor versteht er geschickt herauszuarbeiten, ohne den Ich-Erzähler zu brüskieren.

(Steffi im Juli 2007)
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Binchen
 
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