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Scholl/Hartnagel: Damit wir uns nicht verlieren

BeitragVerfasst: Mi 2. Apr 2008, 16:43
von steffi
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Damit wir uns nicht verlieren
Briefwechsel 1937 - 1943 von Sophie Scholl/Fritz Hartnagel



Kategorie: autorisierte Lesefassung
Genre: Unterhaltung
SprecherInnen: Iris Böhm, Heikko Deutschmann
Regie: Dr. Rosemarie Altenhofer
Medium: 6 CDs
Laufzeit: ca. 416 Minuten
Verlag: Argon Verlag
Preis: 29,95 €
ISBN: 3866102283
Bewertung: ***
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:

Sophie Scholl gehörte zu der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, die in Flugblättern öffentlich und illegal die Kriegspolitik des nationalsozialistischen Regimes kritisieren. Im Zusammenhang mit der Verteilung des 6. Flugblattes im Februar 1943 an der Münchner Universität wird Sophie Scholl, damals 21 Jahre alt, zusammen mit ihrem Bruder Hans Scholl und Christoph Probst zum Tode verurteilt. Das Urteil wird bereits 4 Tage später durch das Fallbeil vollstreckt.

Der vorliegende Briefwechsel zwischen Sophie Scholl und ihrem Freund Fritz Hartnagel beginnt im Jahr 1937, kurz nachdem sich die beiden kennengelernt haben. Fritz Hartnagel ist bereits in der Offiziersausbilung und selten in Ulm, sodass die Briefe für die beiden die einzige Möglichkeit bedeuten, sich näher kennenzulernen. Neben alltäglichen Begebenheiten erfährt man auch die große Bedeutung der Natur und der christlichen Werte für Sophie Scholl. Kritikpunkt ist immer wieder die militärische Laufbahn Hartnagels, wobei er aber doch auch die Familie Sophie Scholls mit dringend benötigten Schuhen oder Kleidung aus den besetzen Gebieten versorgt.
Sophie Scholl, Mitglied des BDM, wird 1941 zum Reichsarbeitsdienst verpflichtet, den sie in der Nähe von Hartnagels Einsatzort ableistet. Er war nach Einsätzen in Frankreich, Jugoslawien und Russland in Weimar stationiert. So konnten sich beide am Wochenende sehen und ihre Beziehung vertieft sich. In dieser Zeit wird für Sophie Scholl der christliche Glaube immer wichtiger, sie liest die Schriften des Kirchenlehrers Augustinus.
Auch bei Fritz Hartnagel findet ein Umdenken statt. Nachdem er wieder nach Russland abkommandiert wird und dort das Elend der Bevölkerung erlebt, aber auch die Ausweg- und Sinnlosigkeit des Feldzugs, schreibt er zunehmend distanzierter und kritischer. Während dieser Zeit gibt es nur wenig erhaltene Briefe Sophie Scholls.
Den letzten Brief erhält Fritz Hartnagel am 22. Februar 1943, dem Tag, an dem Sophie Scholl hingerichtet wird. Von den Ereignissen in München erfährt er jedoch erst Tage später durch einen Brief von Sophie Scholls Mutter. Zwei ihrer Briefe bilden das Nachwort.

Meinung:

Dieser Briefwechsel macht es möglich, sich zwei Personen zu nähern, die sich kritisch mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben. Durch die lange Zeitspanne, die die Briefe abdecken, erkennt man die Entwicklung der beiden Menschen zu einer politischen Haltung, die durch persönlichen Erfahrungen und intensiver Beschäftigung mit philosophischen und christlichen Werten zustande kommt. Sophie Scholl war keineswegs von Anfang an eine ideologisch motovierte Widerstandskämpferin, vielmehr erkennt sie im Laufe der Zeit, dass die Auswirkungen des nationalsozialistische Regimes die Distanz zu ihrer Person und ihrem Wertesystem, immer größer werden lässt, sodass der Widerstand ein logischer Ausweg ist.

Besonders betroffen machen auch die Briefe von Fritz Hartnagel aus Stalingrad. Die Hilf- und Ausweglosigkeit, dazu der Verlust an die Werte, an die man glaubt, werden nur allzu deutlich.

Die beiden Sprecher lesen diese Wandlungen wunderbar, die Nuancen und die Emotionen werden eingefangen.

Am Ende stehen die beiden Briefe der Mutter. Die ganze Zeit über versucht man, die beiden Briefeschreiber persönlich zu fassen, hinter den Ereignissen und Gedanken den Menschen zu erkennen, ihnen näher zu kommen. Durch die Briefe, die ja nur ein Ausschnitt ihrer Persönlichkeiten sind und evtl. wegen der herrschenden möglichen Zensur nicht immer offen, ist das nicht einfach. Plötzlich, durch die großen Gefühle der Trauer aber auch Stärke der Mutter, werden beide sehr greifbar:“ Lieber Herr Hartnagel, es ist uns so bange um Sie, bis Sie dies alles erfahren haben. Es ist neben dem großen Schmerz um unsre beiden der nächste.“

(Steffi im Januar 2008)