Haffner, Sebastian: Anmerkungen zu Hitler - Rezi von Peka

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Haffner, Sebastian: Anmerkungen zu Hitler - Rezi von Peka

Beitragvon Binchen » Mi 2. Apr 2008, 17:42

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Kategorie: Lesung
Genre: Sachbuch
SprecherInnen: Sebastian Haffner
Medium: 4 CDs
Laufzeit: 292 Minuten
Verlag: Der Audio Verlag
Preis: 19,99 €
ISBN: 978-3898131643

Bewertung:
****
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:
Das Phänomen Hitler, Sebastian Haffner beschreibt die für die Menschheit verhängnisvollen Schlüsselszenen im Lebenweg dieses Phänomens. Der Autor scheut auch nicht davor zurück Überschriften wie "Leistungen" und "Erfolge" Hitlers zu verwenden. Das ist mutig, und wie Haffner wichtiges in kurzen klaren Sätzen auf den Punkt bringt, das dürfte ebenso einzigartig sein, wie das Phänomen über das er so vieles interessantes zu erzählen vermag.

Meine Meinung:

Endlich habe auch ich ein Hörwerk gefunden das ich schon immer gesucht, aber bisher nicht gefunden hatte - eine klar nachvollziehbare Erklärung was in deutschen Landen in der Nazizeit stattfand und warum so viele mitgemacht oder auch nur weggeschaut haben. Sebastian Haffners Werk sollte als Standardwerk auf Lehrplänen stehen, dann wäre vielleicht auch eine so nette aber vergleichsweise naive Zeitgenossin wie eine ehemalige Tagesschausprecherin vor Jobverlust und Blossstellung bewahrt geblieben.
Warum? Nun, nehmen wie als Beispiel das immer wieder aufgewärmte Thema der Autobahn als Hitlers Glanzleistung. Haffner ordnet deren Bau in die Rubrik Hitlers Wirtschaftswunder ein. Richtig "gehört", der Autor geht sogar noch weiter und beschreibt warum der Begriff Wirtschaftswunder noch eher auf Hitlers Zeit zwischen 1933 und 1938 zutrifft als auf Erhards Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre. Hitler schaffte Vollbeschäftigung, Hitler hielt die Wirtschaft am laufen und ja, Hitler baute auch die Autobahnen. Nur darf jetzt nicht verschwiegen werden: Erstens waren das sämtlich nicht seine eigenen Ideen - er verwirklichte die Ideen anderer (aber das ist nun mal seine Leistung) - und zweitens war Hitler ein uneingeschränkt herrschender Machthaber, der über die Möglichkeiten des Terrors und der Konzentrationslager verfügte. Wer nicht mitmachte, oder besser gesagt wer sich gegen den allgemeinen "Zeitgeist" stellte, musste mit dem schlimmsten rechnen.

Man stelle sich mal einen für höhere Löhne streikenden Lokführer 1938 vor, unmöglich gell? Und damit zum dritten entscheidenden Punkt des Hitlerschen Wirtschaftswunders, Löhne und Preise waren staatlich festgelegt. Und wenn ich mir nun noch vorstelle, wie das war als Deutschland wiederbewaffnet wurde und keiner im nahen Ausland etwas dagegen tat (tun konnte oder auch nicht wollte) - in fünf Jahren von einer Dümpelarmee zur damals wohl wirklich schlagkräftigsten der Welt - ja dann kann ich mir schon vorstellen wie das im Lande Deutschland alles ankam.

Und nun sagt mir Sebastian Haffner etwas, was mir noch kein anderer Historiker so klar gesagt hat: Was wäre 1938 passiert wenn Hitler plötzlich verstorben wäre? Hitlerbiograph Joachim Fest stellte die These auf, Hitler wäre dann als großer deutscher Staatsmann in die Geschichte eingegangen, Massenmord und andere unschöne Dinge gab es bis dahin ja noch nicht. Ist das wirklich so einfach?

Sebastian Haffners Gedankengänge erscheinen mir da schon plausibler - er sagt mir nämlich: 1938 gab es weder einen Nachfolger für Hitler noch eine Verfassung die dies geregelt hätte, auch war das Staatswesen an sich nicht mehr in Funktion. Deutschland wäre wohl im Chaos (ich sage dazu mal Bürgerkrieg) versunken - für den Rest der Welt natürlich eine Alternative, im Chaos versunken ist Deutschland dann halt sieben Jahre später und hat noch viele mitgerissen ins Chaos und Verderben. Und Sebastian Haffner sagt mir noch etwas für mich bisher nicht vorstellbares: Der Politiker Hitler hatte mehrfach die Chance Europa zu einen und zu befrieden, letztmals sogar noch nach der Besetzung Frankreichs 1940.

Haffner sagt in etwa, hätte Hitler die europäischen Länder nach deren militärischen Niederlagen als Verbündete gewinnen können, dann hätte ein geeintes Europa unter der Führung Deutschlands entstehen können. Allerdings hat Hitler natürlich nie solch ein Ziel verfolgt und spätestens nachdem in Europa allmählich durchsickerte, was Nazideutschland mit Andersdenkenden und der eigenen jüdischen Bevölkerung so anstellt, war klar, dass der Zug für eine friedliche "Endlösung" des Phänomens Hitler abgefahren war.

Abschliessend noch ein Wort zum Sprecher Sebastian Haffner: Nach einer kleinen Eingewöhnungsphase war für meine Ohren seine Stimme genau die richtige, die dieses grandiose Hörwerk gesprochen hat. (Peka, Dezember 2007)
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