Hayder, Mo: Die Behandlung

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Hayder, Mo: Die Behandlung

Beitragvon Petra » Di 30. Mär 2010, 11:06

Hayder, Mo
Die Behandlung

Bild

Kategorie: Gekürzte Lesung
Genre: Thriller
SprecherInnen: Dietmar Bär
Regie: /
Medium: 6 CDs
Laufzeit: ca. 451 Minuten
Verlag: Random House Audio
Preis: vergriffen (bei buecher.de noch für 33,99 € erhältlich)
ISBN: 978-3898303491
Bewertung: 7,5 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt:

In London wird das Ehepaar Carmel und Alek Peach völlig dehydriert aufgefunden. Während sie wider Willen in ihrem Haus festgehalten wurden, nimmt der Täter Rory, den Sohn der Peaches mit. Der Junge bleibt verschwunden. Nähere Angaben zu dem, was sich zugetragen hat, können Carmel und Alek anscheinend nicht machen.

In der Gegend verbreitet sich das Gerücht, dass ein unheimlicher Troll umhergehe, der kleine Kinder tötet und auffrisst. Was hat es mit dieser Sage um den Troll auf sich? Ist das Erfinden einer solchen Kreatur ein Weg Unerklärliches begreifbar zu machen? Oder steckt mehr hinter diesen Äußerungen zu diesem angeblichen Troll?

Detective Inspector Jack Caffery findet bald eine Spur und kann den Tathergang ungefähr rekonstruieren. Die Ermittlungen führen ihn nicht nur näher zum Täter sondern auch in seine eigene Vergangenheit, die er immer noch nicht bewältigt hat. Denn vor Jahren verschwand sein Bruder Ewan. Verantwortlich war vermutlich der in der Nachbarschaft lebende Pädophile Ivan Penderecki. Findet Caffery den sogenannten Troll? Und auch einen Weg seine eigenen Dämonen zu bekämpfen?

Meine Meinung:

Schon als ich vor Jahren ihr Debüt „Der Vogelmann“ (hier geht es zur :arrow: Rezension des Buches im Buecher4um) las, dämmerte mir, dass Mo Hayder ein Grenzfall ist. In ihrem ersten Jack Caffery-Thriller gingen mir die Schilderungen der Empfindungen der sterbenden Opfer viel zu weit. Ich nahm für lange Zeit Abstand von dieser Autorin.

Die vielen guten Kritiken zum zweiten Band ließen mich nun schließlich doch noch zu „Die Behandlung“ greifen. Als Hörbuch – ein paar Kürzungen und ein bisschen mehr Distanz (durch den vermittelnden Sprecher) zwischen den Figuren und mir (dem Leser) schienen mir der erträglichere Weg.

Die Gefühle der Opfer hat mir die Autorin hier mehr erspart als beim Vogelmann. Ein erträgliches Maß. Dennoch war auch „Die Behandlung“ grenzwertig. Mich lässt die Frage nicht los, worin die Gründe für die offensichtliche Faszination der Autorin für sexuelle Gewalt liegen. Und die muss sie schon empfinden. Denn ein Autor sucht sich seine Themen ja aus und erklärt sich bereit sich mit ihnen für eine lange Zeit auseinander zu setzen. Und das hat Mo Hayder hier abermals getan – in sehr verstärkter Form (also nicht nur als Nebenthema – selbst Hautpthema ist das falsche Wort, da es ausschließlich um diese Themen geht). Die Figuren in diesem (Hör)Buch haben allesamt von der Norm abweichende sexuelle Beziehungen. Im harmlosesten Fall lernt der Hörer am Rande ein lesbisches Pärchen kennen. Im Fall des Trolls und auch Pendereckis (und einer Menge Randfiguren) haben wir es mit Pädophilen zu tun. Mo Hayder schildert deren Sexualität teils aus deren Sicht. Somit hat das Missbrauchen von Kindern in manch einer Schilderung den Anstrich des völlig Normalen. Sie versetzt sich (und damit auch den Leser/Hörer) stellenweise in die Täter hinein. Und für mich bleibt die Frage unbeantwortet ob sie das tut weil sie ihre Leser mit Schock-Effekten versorgen will oder ob sie selbst in irgendeiner Form von diesem Thema fasziniert ist.

Die Konzentration auf sexuelle Abnormitäten und sexuelle Gewalt gipfelt in der Schilderung von Jack Cafferys Beziehung zu seiner Freundin Rebecca. Einem Vergewaltigungs- und Gewaltopfer (Gewalt ist schon ein viel zu harmloser Begriff für die Grausamkeiten, die Mo Hayder dieser Figur zumutet) aus dem ersten Band. Auch hier ist die Autorin für mich fragwürdig. Denn der Blick der Figuren auf (auch ihnen selbst angetaner) Gewalt ist für mich unnormal und somit irritierend.

Neben der Irritation die die Autorin in mir durch ihre Themen auslöst, kann ich ihr aber durchaus auch Spannung bescheinigen. Sie nutzt diese Themen durchaus für den Aufbau einer spannenden Thriller-Handlung und nicht ausschließlich zum Selbstzweck. Und auch die Figur des Jack Caffery ist durchaus interessant. Wie er mit seinem Trauma umgeht ist in gewisser Weise fesselnd. Und für mich ist er auch der Grund, warum ich die Serie trotz Mo Hayders denkwürdiger Themen weiterverfolgen werde. Mich interessiert, wie er weiterhin mit dem Verlust seines Bruder umgeht und zurecht kommt. Wie dieses Trauma sich auf seinen Beruf auswirkt. Dass er durch seine Vergangenheit oft nicht in der Lage ist, seinen Job vorschriftsmäßig auszuüben, wird in diesem Band schon klar.

Lust auf den nächsten Band macht mir die Autorin auch durch das Ende von „Die Behandlung“. Mehr will ich dazu nicht sagen, außer dass es für mich spannend bleibt, wie es für Jack Caffery weitergeht, ob er irgendwann mit seiner Vergangenheit abschließen kann oder ob noch mehr in ihm kaputt geht.

Für diesen sehr kühl erzählten Thriller mit den ebenfalls sehr kühlen Figuren ist Dietmar Bär die ideale Besetzung. Meine weiteren Begegnungen mit den Thrillern Mo Hayders werden somit auch aus diesem Grund per Hörbuch erfolgen. Dietmar Bär liest nicht gelangweilt oder monoton (was bei ihm leider manchmal der Fall ist), sondern passend gedämpft und kühl. Hat mir sehr gefallen.

Ebenfalls die kurzen Musikuntermalungen, wenn wieder ein Zeitabschnitt zu Ende ist und ein neuer beginnt, haben mir sehr zugesagt. Ich wünschte mir diese Musikeinspielungen für mehr Hörbücher, da sie wunderbar geeignet sind, Stimmungen zu erzeugen oder zu unterstreichen. Random House Audio hat diesen Thriller dadurch bestens in Szene gesetzt.

Fazit: Eigentlich 8 Punkte - wegen des Themas aber Abzug und somit nur 7,5 Punkte ingesamt. Denn ich kann die Notwendigkeit das Thema Kindesmissbrauch (und auch sexuelle Gewalt generell) in der Art und Weise darzustellen nicht ganz nachvollziehen. Mir steckt die Autorin zu viel Faszination in das Thema anstatt kritische Gedanken über Ursachen und Auswirkungen. Manchmal konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass die Autorin ihre Schilderungen selbst sexuell ansprechend findet. Wahrscheinlich (und hoffentlich) trifft auch das nicht die Wahrheit, aber schlimm genug wenn der Eindruck entsteht. (Petra)

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Hier geht es zur Rezension des Buches im Buecher4um.
Liebe Grüße,
Petra


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