Savage, Sam: Firmin - Ein Rattenleben

Hier können registrierte und mitdiskutierende Mitglieder Buch-Rezensionen schreiben.
Forumsregeln
Hier können registrierte und mitdiskutierende Mitglieder Buch-Rezensionen schreiben. Die Moderatoren behalten sich vor, anderweitige und kommerzielle Einträge ohne Kommentar zu löschen!

Savage, Sam: Firmin - Ein Rattenleben

Beitragvon Daniliesing » Mi 30. Jul 2008, 23:18

Die Bezeichung "Leseratte" allein macht es nicht!:


Nachdem ich das Buch "Firmin - Ein Rattenleben" von Sam Savage im neuen Ullstein-Katalog entdeckt und auch die Leseprobe gelesen hatte, war ich mir ganz sicher: Dieses Buch muss ich lesen.

Leider war ich aber von Seite zu Seite enttäuschter. Die Geschichte der Ratte Firmin, die die schwächste des Wurfes ist und aus der Not heraus beginnt Buchseiten zu essen, fängt noch vielversprechend an, zumal ich es als interessant empfand wirklich mal ein Buch aus Sicht einer echten Leseratte zu lesen. Denn Firmin isst die Seiten nicht nur, nein er beginnt auch sie mit Begeisterung zu lesen und ist schon bald um einiges intelligenter als alle anderen Ratten. Auch die Tatsache, dass er in einer Buchhandlung lebt, machte das Buch für mich reizvoll.

Aber sonst passiert im Buch nicht wirklich viel, Firmin beschreibt Kunden der Buchhandlung und den Besitzer, sowie einige Begebenheiten mit anderen Ratten/seiner Familie. Alles ist dabei sehr trocken und langweilig erzählt, ohne Humor oder besonderen Charme. Spannung kommt nichtmal ansatzweise auf. Wirklich schade, dass der Autor wohl der Meinung ist, es würde ausreichen einen neuartigen Hauptcharakter für sein Buch zu wählen, ohne selbst ein besonderes schreiberisches Talent zu besitzen. Schon mit dem Anfang macht er es sich schwer, wenn darauf hingewiesen wird, dass ein gutes Buch immer mit einem bedeutungsvollen/einprägsamen Satz beginnen sollte, denn dieses Buch selbst tut dies nicht.

Mit der Aufmachung, die wirklich sehr gelungen ist (schöne(r) Covergestaltung/Einband, Buchschnitt im Rough Cut) soll das Buch wohl einen bibliophilen Eindruck bekommen, was ja auch prinzipiell zum Thema passen würde. So sollen Liebhaber bibliophiler Bücher gelockt werden (und bei mir hat es ja auch geklappt), aber dies kann nicht über die Belanglosigkeit des Inhalts und den faden Schreibstil hinwegtäuschen. Firmin wird somit keinen bleibenden Platz in meinem Regal erhalten.

Weitere Meinung: (von Campsy)

Hier gibt es zwar schon eine Rezension zu diesem Buch, die allerdings eher schlecht ausfällt. Hier mein Beitrag dazu, um auch eine positive Kritik beizusteuern. Und los geht's: ;)

Firmin ist keine gewöhnliche Ratte, sondern ein lesebegabter Zyniker mit gewöhnungsbedürftigem Humor, der von seinen Erfahrungen als Bewohner eines Buchladens erzählt. Dabei spielen zwei Menschen eine wichtige Rolle in seinem Leben: Norman, der Ladenbesitzer, den Firmin anfangs vergöttert, der ihn jedoch bald bitterlich enttäuscht, und Jerry, ein erfolgloser Autor, der über dem Buchladen wohnt und Firmin ein guter Freund wird, der aber selbst ein Außenseiter unter den Menschen ist.
Firmin leidet sein Leben lang darunter, nicht auf Menschenart mit diesen faszinierenden Wesen kommunizieren zu können, die er so gern beobachtet und analysiert. Zum Lachen sind seine Versuche, mit Hilfe der Zeichensprache Kontakt aufzunehmen, die jedoch fast mit seinem Todschlag enden, weil er von den Menschen für eine tollwütige Ratte gehalten wird. Die Tragik seines Lebens wird begleitet vom zunehmenden Verfall und Untergang des Bostoner Stadtviertels Scollay Square, in dem die Handlung in der Zeit der 60er Jahre spielt. Plastisch werden in der Beschreibung die bemüllten Straßen, die rattenbesetzten Häuser und die schmuddeligen Etablissements mit ihren zwielichtigen Gestalten lebendig.

Firmin ist ein tragischer Held, denn seine Intelligenz, seine durch Bücher erworbene Bildung und seine Beobachtungsgabe, helfen ihm in keinster Weise dabei, sein Glück zu finden. Im Gegenteil: sein Leben lang bleiben seine Sehnsüchte unerfüllt, sein Streben nach Höherem führt zu nichts. Von seinen Artgenossen wird er aufgrund seiner ungewöhnlichen Neigungen verachtet, für seine geliebten Menschen ist er nichts als eine widerwärtige Ratte oder aber ein amüsantes Haustier. Firmin bleibt daher ein Beobachter, ein Träumer, ein Verlierer im Leben. Somit ist das Buch sehr melancholisch getönt. Auf keinen Fall darf man Firmin mit anderen Rattengeschichten vergleichen, wie etwa Ratatouille. Firmin ist nicht niedlich. Er selbst betont seine Abneigung gegenüber Tiergeschichten aller Art mit einer ebensolchen Tierdarstellung.

Mir hat die Lektüre vor allem aufgrund der schönen Sprache sehr gut gefallen. Die ruhige und fließende Erzählweise ist wunderbar für entspannte Lesestunden mit Anspruch. Firmins Sicht der Dinge eröffnet manche Lebensweisheit und lädt zum Philosophieren ein. Wenn ich Firmins Beurteilung eines Buches aufgrund seines Geschmacks verwenden darf: „Firmin“ von Sam Savage ist definitiv kein Fastfood, sondern ein Buch für Gourmets.
Daniliesing
 
Beiträge: 7
Registriert: Mi 30. Jul 2008, 23:17

Zurück zu Rezensionen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 16 Gäste