Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon steffi » Mo 18. Apr 2011, 14:22

Ich bin nun auch am Ende des 10. Kapitels angelangt. Wir ihr auch empfinde ich die Spannung zum Teil als unangenehm. Auch durch den manchmal recht direkten Stil packt Fallada den Leser direkt an. Auch wechselt er - zumindes einmal ist es mir aufgefallen - ins szenische Präsens, was ja allgemein auch einen Höhepunkt anzeigt. Er zieht da schon alle Register ! Wenn es euch näher interessiert, suche ich die Textstellen gerne nochmal raus.

Über die Textänderungen bin ich nach wie vor verblüfft - bei Übersetzungen erwartet man ja sowas aber hier ? Allerdings war es ja so, dass eben in Ostdeutschland die Nazis als besonders verabscheuunswürdig dargestellt wurden, damit sich der kommunistische Gedanke besser durchsetzen liess. Vor diesem Hintergrund lese ich einige dieser Textänderungen.

Im Kapitel 10 fand ich nun Frau Rosenthals vorläufige Rettung ziemlich bedrückend. Zum einen scheint der Scharfrichter eben nicht aus Menschlichkeit zu handeln, zum anderen sitzt sie doch hier fest, solange der Mann noch gefangen ist. Wie schwer ist es, jetzt eine Entscheidung zu fällen und allein zu einem der Kinder auszuwandern. Niemand kann zu dem Zeitpunkt ahnen, dass der Mann wohl nicht mehr freikommt, das Warten auf ihn also nur sie selbst dem Tod näher bringt. Wievielen Menschen mag es ebenso gegangen sein und wie würde man sich selber entscheiden ?

Insgesamt will nich noch erwähnen, dass mich dieser Roman schon sehr an Zola und seine Paris-Romane erinnert, ein schönes Gefühl für mich, weil ich ja Zola so sehr mag. Auch wenn hier bisher Berlin noch keine richtige Rolle spielt, man spürt doch die Atmosphäre der Großstadt und die Vielfalt der Menschen.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon JMaria » Mo 18. Apr 2011, 14:52

Hallo zusammen,

ich bin nun zum Ende des 11. Kapitels gelangt. Ich muß immer wieder eine Pause einlegen, es liegt wohl daran, dass Fallada bewußt sich eines Erzählstils annimmt, dass das Gefühl beeinflußt.

@Steffi,
du hast immer einen so zielsicheren Blick für das Erkennen eines Stils und du schreibst ja auch:

steffi hat geschrieben:Ich bin nun auch am Ende des 10. Kapitels angelangt. Wir ihr auch empfinde ich die Spannung zum Teil als unangenehm. Auch durch den manchmal recht direkten Stil packt Fallada den Leser direkt an. Auch wechselt er - zumindes einmal ist es mir aufgefallen - ins szenische Präsens, was ja allgemein auch einen Höhepunkt anzeigt. Er zieht da schon alle Register ! Wenn es euch näher interessiert, suche ich die Textstellen gerne nochmal raus.



ja, das wäre nett. Ich kann das immer nie so recht festmachen und vielleicht hilft mir es auch vom Verstand her zu erkennen, was mich beeinflußt.


@Petra,
bei mir ist der Fromm ein Kammergerichtsrat, von einem Scharfrichter ist überhaupt nicht die Rede. Somit ergibt das wieder ein ganz anderes, ein abgeschwächtes Bild von diesem Mann und würde auch die Angst der Persickes Brüder vor ihm erklären.

Die arme Frau Rosenthal. Man stelle sich vor, kein richtiges Tageslicht mehr, eingesperrt, zwar zu ihrer Sicherheit, aber zu welchem Preis. Es ist beklemmend zu lesen, wie sie ihre persönlichen Dinge aus der Handtasche vor sich ausbreitet. Ich bin leicht klaustrophobisch und ich schlafe lieber bei offener Schlafzimmertür, somit bin ich auch hier beim Lesen sehr nah dran am Geschehen. Es nimmt einen mit.


Liebe Grüße
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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon Petra » Mo 18. Apr 2011, 15:06

Hallo Steffi,

Ja, ich wäre an den Textstellen sehr interessiert! Wenn Du Dir die Mühe machen würdest, sie rauszusuchen, so würde ich mich sehr freuen!

Was die Textänderungen angeht, so hast Du einen interessanten Aspekt mit hineingebracht. Ich vermute, Du liegst richtig. Danke dafür, sehr bereichernd!

Zum Kapitel 10 hast Du ähnliche Eindrücke wie ich. Auch ich fand die Szene mit Frau Rosenthals Rettung sehr bedrückend. Und auch zum Scharfrichter Fromm habe ich ja noch einiges geschrieben, da ich diese Figur sehr spannend angelegt finde, und es schade finde, dass man seine Zwiespältigkeit durch die Änderungen versucht hat zu relativieren!
Liebe Grüße,
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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon JMaria » Mo 18. Apr 2011, 18:52

Hallo zusammen,

ich bin noch ganz erschüttert vom 16. Kapitel!
In der Kapitelüberschrift nimmt ja Fallada bereits das Geschehen vorweg, dennoch trifft es einen hart an.

Gruß,
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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon Petra » Di 19. Apr 2011, 11:27

Hallo zusammen,

mir ging es auch sehr nahe, als Frau Rosenthal in Kapitel 16 ihr Ende fand. So erschüttert wie Du, Maria, war ich dennoch nicht. Denn mir ging merkwürdiger Weise ihre Isolation, ihre Angst, ihr Verlust (Siegfried), ihre Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit noch viel näher. Das hat mir richtig zugesetzt! So war ihr Tod fast eine Erleichterung für mich. Erstaunlich finde ich daran, dass Hans Fallada der Figur der Frau Rosenthal eben diese Gefühle zugedacht hat. Genau diese Gefühle waren es ja, die sie in den Tod getrieben haben, und alles erträglicher erscheinen ließen, als weiter dort in dem Zimmer eingesperrt zu warten. Ich konnte das so gut nachvollziehen. Mich hätte auch eine maßlose Unruhe erfasst, denke ich. Auch die Gedanken, dass doch Siegfried nach Hause kommen könnte, und dann niemand da sei. Und vielleicht unterschwellig auch das Bewusstsein, dass Siegfried nie wieder nach Hause kommen wird und das Warten (Steffi beschrieb das auch so schön: Warum warten? Worauf? Welchen Sinn macht das noch, wenn man sich in solch einer Lage befindet?)

Diese Gefühle hatten mich so erfasst, mir so unbehaglich sein lassen, dass ich Frau Rosenthals Ende auch erschütternd fand, aber nicht so sehr wie die Dinge, die sie zuvor ertragen musste.

In Kapitel 13 hat Fallada auch die Bedrohung so spürbar gemacht, als die Mitglieder der Widerstandszelle ihr so zugesetzt haben. Und die Gedanken, so logisch und so einfach. Und doch so schwerwiegend im Ausmaß, denn dass Trudels Tod der einzige Weg gewesen wäre, die anderen dauerhaft zu schützen, war schon richtig. Aber wie grausam, wie erschütternd.

Und Quangel ging in Kapitel 15 auf Forschungsreise, wo denn die Karten (die Idee wird er ja inzwischen wohl haben) am besten abzulegen sind.
Liebe Grüße,
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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon Petra » Di 19. Apr 2011, 14:31

Hallo zusammen,

Kapitel 17:

Dem Kapitel 17 möchte ich gern besondere Aufmerksamkeit schenken, da es ja das Kapitel ist, das gestrichen worden war. Aus heutiger Sicht ist kaum mehr vorstellbar, dass man hier eine Streichung für nötig befunden hat, weil Anna Quangel dort in einem nicht so guten Licht erscheint. Für Dich, Maria, müssen wir sicher erst mal ein bisschen ausholen, was in dem Kapitel denn überhaupt beschrieben steht, da das Kapitel bei Dir ja fehlt, und nur ein kleiner Teil davon dem eigentlichen Kapitel 18 angehangen wurde.

In Kapitel 17 meint Otto zu Anna Quangel, dass es besser sei, wenn auch sie aus der Frauenschaft austritt, so wie er von seinem Amt bei der Arbeiterfront. Otto Quangel meint, dass sie es am besten auch so anstellen solle, dass man ihr keine Parteiuntreue nachsagen könne. Anna Quangel fragt sich, wie sie das wohl zu Wege bringen soll. Sie entscheidet sich für den umgekehrten Weg, wie ihr Mann. Otto Quangel hat sich als Trottel dargestellt, dem man nicht misstraut. Anna hingegen entscheidet sich für den Weg einer gar nicht dummen, sondern ganz genauen, übereifrigen Anhängerin der Frauenschaft. Goebbels hat aufgerufen, dass auch Damen mit rotlackierten Fingernägeln ihre Pflichten tun sollten, und sich nicht vor der Arbeit für das Volk zu drücken haben. Wer noch keine Arbeit habe, solle die Rüstung mit seiner Arbeitskraft unterstützen. Zwar wären rot lackierte Fingernägel nicht als einziger Grund haltbar, um jemanden anzuschwärzen. Aber jeder eingehende Fall würde von der Partei gründlich geprüft. Dies kam fast einem Aufruf zur Denunziation gleich. Und Anna macht sich das zunutze. Sie klingelt bei einer feinen Dame, und stellt ihr im Namen der Frauenschaft einige gezielte (unverschämte) Fragen, warum sie nicht arbeite. Und dass niemand sich zu drücken habe, wer noch keiner Arbeit nachgehe, solle die Rüstung mit seiner Arbeitskraft unterstützen. Der Dame reicht es schließlich, und sie macht Anna Quangel darauf aufmerksam, wer sie ist: Die Frau eines Sturmbannführers.

Nachdem Anna geht, beschwert sich die Dame bei ihrem Mann und der sorgt dafür, dass Anna sich bei der Dame entschuldigen solle, und dass sie aus der Frauenschaft ausgeschlossen wird. Zwei Frauen von der Frauenschaft suchen Anna Quangel auf, konfrontrieren sie mit den Vorwürfen und geben ihr zu verstehen, dass sie sich ausruhen (also nicht mehr zur Frauenschaft kommen) solle. Anna gibt sich empört, beugt sich aber natürlich, da sie damit ja genau das erreicht hat, was sie erreichen wollte. Und die beiden Frauen von der Frauenschaft, schickt sie an ihrer Stelle zu der Frau des Sturmbannführers wegen der Entschuldigung. Die ist in ihrem gesellschaftlichem Leben (ihr Mann hat ihr zur Beruhigung einen schönen Abend in der Oper mit Freunden versprochen) schon wieder so aufgegangen, dass sie die Entschuldigung nur ihren Mann entgegen nehmen lässt. Und dieser weiß nicht einmal, dass die beiden Frauen, die von der Frauenschaft gekommen sind, selbst gar nichts für die Angelegenheit können. Somit hat Anna ihr Ziel erreicht.

Aus heutiger Sicht erscheint Anna Quangel dadurch gar nicht in schlechtem Licht. Für die Verhältnisse kurz nach dem Krieg galt aber wohl, dass man so etwas wie dieses Führergetreue Verhalten der Anna Quangel nicht gern sah. Dass sie es nur spielt, und der eigentliche Zweck ja genau gegenteilig gemeint war (eben gegen den Führer und sein Gefolge), war bei der Beurteilung offenbar unwichtig.

Interessant finde ich somit, wie solch ein Verhalten damals bewertet wurde, und wie man es heute wahrnimmt.

Wie seht Ihr das?

Und Maria, was von alle dem erfährst Du in Deinem Kapitel 17 (also unser Kapitel 18)?

Bei uns geht es in Kapitel 18 darum, dass Otto sich nach langem Schweigen nun endlich Anna anvertraut. Auch das ist von Fallada sehr schön herausgearbeitet. Wie Anna erst geschockt ist, dass Otto damit quasi gar nichts tut. Karten schreiben. Wie im wahren Leben auch. Ganz still und gefahrlos. Aber als sie Otto das sagt, sagt seine Reaktion so viel aus. Selbst Anna denkt damit um. Denn jeder soll auf seine Art Widerstand leisten. So Otto auch auf seine. Und so klein der Widerstand auch sein mag, der Preis dafür, wenn sie auffliegen, ist nicht geringer als der Tod. Besser kann man die Größe des kleinen Widerstands kaum zeigen. Toll gemacht.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon JMaria » Mi 20. Apr 2011, 14:01

Hallo zusammen,

ich habe zwei Tage Pause gemacht, das brauchte ich um etwas von der unangenehmen Spannung abzubauen. Obwohl Fallada keinesfalls explizit ausholt und sogar manches in seinen Titelüberschriften vorweg nimmt.

ich werde heute abend wieder weiterlesen.

Gruß,
Maria
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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon steffi » Mi 20. Apr 2011, 14:50

Hallo zusammen,

ich bin mitten im 16. Kapitel. Die Überschrift nimmt das Geschehen ja schon vorweg obwohl ich noch ein bißchen hoffe, dass es nicht das endgültige Ende ist. Ich hab daher eure Anmerkungen zum 16. und 17. Kapitel noch nicht gelesen.

JMaria hat geschrieben:ja, das wäre nett. Ich kann das immer nie so recht festmachen und vielleicht hilft mir es auch vom Verstand her zu erkennen, was mich beeinflußt.


So, mein Urteil zum szenischen Präsens revidiere ich nun wieder etwas, denn eigentlich überwiegt das Präsens deutlich.

Einen Wechsel von Präsens zu Präteritum findet man gleich gegen Ende des 1. Kapitels (S.15) : Aber sie sagt hitzig:"Wozu bist du denn der Mann im Haus ... ". Er hörte sich das alles ohne ein Widerwort an. Das Kapitel endet dann im Präteritum. Im 2. Kapitel geht dann das Päteritum wieder in Präsens über, wobei er sogar als direkter Erzähler zuerst noch ins Perfekt wechselt: Mit solchen Gedanken ging also Quangel eiliger die Treppen hinab und über den Hof auf die Straße. Bei den Persickes aber haben sie darum so geschrien, ... Sie starren ihn abwartend an ...

Auch der Wechsel zwischen dem eher der Umgangssprache entliehenen Perfekt z.B. Seine Stimme hat sich gesenkt und ist gegen Schluss hin fast unhörbar geworden (statt: Seine Stimme senkte sich und wurde gegen Schluss fast unhörbar) finde ich, passt sehr gut zu der Stimmung und Atmosphäre. Der Leser wird so direkt angezogen, was ja auch dem Stil der Neuen Sachlichkeit entspricht, die ja mehr einen Reportagestil bevorzugt und auch eine eher einfache Sprache, was natürlich nicht auf Kosten des dargestellten Inhalts geht.
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Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon Petra » Mi 20. Apr 2011, 16:09

Hallo Maria und Steffi,

das ist gar nicht schlimm, dass Du eine Pause eingelegt hast, Maria, und Du jetzt erst beim Kapitel 16 bist, Steffi. Ich sehe in den 4 Ostertagen weniger Lesezeit für mich. Da holt Ihr bestimmt dann auf. Aber auch wenn es zeitversetzter wird, ist es ja nicht schlimm.

Dass Du eine Pause einlegen musstest, kann ich gut verstehen, Maria. Unterschwellig ist man ständig angespannt und nervös beim lesen, meine ich. Was zum Thema natürlich hervorragend passt. Aber es belastet einen innerlich beim lesen. Mir geht es auch so. Dabei schlägt er ja durchaus einen liebenswerten und charmanten Ton an. Aber es sind halt die Dinge, von denen er hier erzählt, die schon an einem nagen.

Ich bin schon gespannt, was Ihr über Kapitel 17 sagen werdet. Ich habe meine Eindrücke ja direkt frisch niedergeschrieben. Und wann immer Ihr das 17. Kapitel hinter Euch habt, ich freue mich auf den Austausch, da hier ja große Streichungen vorgenommen wurden.

Vielen Dank Steffi, für das zitieren einiger Stellen, aus denen der Wechsel der Zeiten sehr gut deutlich wird. Wirklich sehr interessant. Mir wäre das gar nicht so bewusst geworden, da ich dafür im Deutschunterricht nie wirklich sensibilisiert worden bin.

Steffi hat geschrieben:Auch der Wechsel zwischen dem eher der Umgangssprache entliehenen Perfekt z.B. Seine Stimme hat sich gesenkt und ist gegen Schluss hin fast unhörbar geworden (statt: Seine Stimme senkte sich und wurde gegen Schluss fast unhörbar) finde ich, passt sehr gut zu der Stimmung und Atmosphäre.


Ja, das finde ich auch, dass dies gut zur Atmosphäre passt und sogar die Stimmung vielleicht erst so recht erzeugt, oder zumindest verstärkt. Gut beobachtet.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Leserunde: Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

Beitragvon steffi » Do 21. Apr 2011, 13:45

Petra hat geschrieben:mir ging es auch sehr nahe, als Frau Rosenthal in Kapitel 16 ihr Ende fand. So erschüttert wie Du, Maria, war ich dennoch nicht. Denn mir ging merkwürdiger Weise ihre Isolation, ihre Angst, ihr Verlust (Siegfried), ihre Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit noch viel näher.


Mir ging es ähnlich, so ein Schwanken zwischen Mitleid und Wut auf das System.

Ich glaube, das hat Fallada bewusst so eingesetzt - diese Hoffnungslosigkeit gepaart mit der ganzen Ungerechtigkeit, die man gerade im Nachhinein noch viel stärker empfindet, weil man weiß, dass es womöglich eine Erlösung war. Ein schrecklicher Gedanke und es wird ja auch im Text erwähnt.

Ich komme nun zum 17. Kapitel, sehr gespannt darauf, was da so kürzenswert war.
Gruss von Steffi

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