Hallo Petra und Maria,
vielen Dank fuer eure Gedanken zu meinen Fragen!
Ich bin froh, dieses Forum entdeckt zu haben. Sicher kann ich hier viele interessante Anregungen erhalten.
Irgendwo habe ich gefunden [leider habe ich mir die Quelle nicht abgespeichert], dass Dickens den Vorwurf des Antisemitismus im Zusammenhang mit "Oliver Twist" von sich gewiesen und auf die Londoner Kriminalstatistiken verwiesen hat. Schade, ich kann die Stelle nicht mehr finden. Nachdem ich das Buch in der Uebersetzung von Josef Thanner als Hoerbuch gehoert und den Film von David Lean in der rekonstruierten, vollstaendigen Fassung gesehen habe, komme ich zu dem Schluss, dass der Vorwurf des Antisemitismus fuer mich unhaltbar ist.
Zum Thema Zensur moechte ich noch sagen, dass fuer mich zunaechst einmal die Meinungsfreiheit grundlegend fuer eine funktionierende Demokratie ist. Freiheit ist fuer mich die Freiheit des Andersdenkenden.
Den Thread zum Thema werde ich verfolgen, das Thema interessiert mich sehr.
Nun bin ich dort auf den Hinweis gestossen, dass das "Negerlein" aus "Die kleine Hexe" von Otfried Preussler [das war und ist, neben "Der kleine Wassermann" und der "Flurina" von Selina Choenz/Alois Carigiet, mein Lieblingsbuch aus Kindertagen] entfernt werden soll. Ausgerechnet anlaesslich einer Neuauflage zum 90. Geburtstags des Autors ud gegen dessen ausdruecklichen Willen [spaeter hat er dann dem Druck [?] nachgegeben].
Ich halte das Eingreifen in ein Kunstwerk fuer einen sehr schwerwiegenden Akt, den ich als "symbolische Politik" bezeichnen moechte. Und diese scheint mir seit Jahren auf dem Vormarsch. Mit sehr fatalen Folgen fuer unsere "Demokratie". Es gibt keinen wirklichen politischen Diskurs mehr in unserem Land, der sich an den Werten orientiert, die einst Grundlage unserer Demokratie waren. Es gibt nur noch Interessengruppen, die sich, je nach politischem Gewicht, mehr oder weniger erfolgreich, gegen andere Gruppen durchzusetzen versuchen. Lobbyismus hat verantwortungsvolles, am Wohl der Allgemeinheit orientiertes politisches Entscheiden und Handeln weitgehend ersetzt. Das ist meine persoenliche Beobachtung. In diese Entwicklung passt dann das, was hier als Akt der "political corectness" deklariert wird, sehr gut hinein. Bei den naechsten Panzerlieferungen Deutschlands an Konfliktlaender sollte man sich vielleicht dann auch einmal mit der Frage nach der "political corectness" auseinandersetzen? Da stehen ja wirklich Menschenleben auf dem "Spiel", nicht aber beim Lesen eines Buches, in dem das Wort "Negerlein" oder "Jude" vorkommt.
Das Boese lauert nicht in Begriffen, es lauert in uns selbst. Und ich bin sicher, es wird nicht dadurch in Zaum gehalten, dass wir ein paar Begriffe in Buechern streichen oder ersetzen.
Ich will das nicht weiter vertiefen. Aber ich muss gestehen, dass mich diese Aktionen zur "Literaturbereinigung" sehr erschrecken.
Liebe Gruesse
Lilith