Rainer Engelmann: Kinder: ausgegrenzt und ausgebeutet

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Rainer Engelmann: Kinder: ausgegrenzt und ausgebeutet

Beitragvon Didonia » Fr 4. Dez 2015, 16:40

Dieses Buch brennt mir auf der Seele. Weil es um Kinder geht. Um ihre Rechte, die ihnen mit der Kinderrechtskonvention zustehen (außer von den USA und Somalia wurde der Vertrag von allen UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnet).
Aber wie schaut es wirklich aus? Reiner Engelmann ist dem nachgegangen. Er wurde 1952 in Völkenroth geboren, war im Schuldienst tätig, wo er sich besonders in den Bereichen der Leseförderung, der Gewaltprävention und der Kinder- und Menschenrechtsbildung starkmachte. Er organisiert für Schulklassen und Erwachsene regelmäßig Studienfahrten nach Auschwitz.

Die 54 Artikel der Konvention bauen auf vier Grundprinzipien auf:

1. Überlebensrechte, z. B. das Recht auf ausreichende Ernährung, das Recht auf angemessene Wohn- und Lebensverhältnisse und das Recht auf eine umfassende Gesundheitsvorsorge

2. Entwicklungsrechte, z. B. das Recht auf Bildung und das Recht auf Religionsfreiheit

3. Schutzrechte, z. B. das Recht auf Schutz vor Gewalt, das Recht auf Schutz vor sexuellem Missbrauch und das Recht auf Schutz vor Ausbeutung

4. Beteiligungsrechte, z. B. das Recht auf Beteiligung an für Kinder relevanten Entscheidungsprozessen und das Recht auf freie Meinungsäußerung


Aber wie schaut es tatsächlich aus?

- Immer noch leben Kinder auf der Straße
- Immer noch müssen Kinder arbeiten, um ihr Überleben zu sichern
- Immer noch werden Kinder in Sklaverei und Schuldknechtschaft gezwungen
- Immer noch gehen Kinder nicht zur Schule, z. B. weil sie "nur" Mädchen oder Angehörige ethnischer Minderheiten sind oder weil ihre Familien sich den Schulbesuch nicht leisten können
- Immer noch werden Kinder zur Prostitution gezwungen und sexuell missbraucht und ausgebeutet
- Immer noch werden Kinder als handelbare Ware betrachtet und verkauft
- Immer noch sind Kinder auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Verfolgung
- Immer noch sterben Kinder an Krankheiten, die vermeidbar sind oder leicht zu behandeln wären
- Immer noch leben Kinder unterhalb der Armutsgrenze, auch in reichen Industrielndern, wie z. B. in Deutschland
- Immer noch werden Kinder zwangsweise als Soldaten rekrutiert
- Immer noch werden Kinder inhaftiert, gefoltert, zum Tode verurteilt und hingerichtet


Ich gehe einfach mal davon aus, dass es Herrn Engelmann nicht stört, wenn ich dies mal so aus seinem Buch entnehme. Ich wüsste einfach nicht, wie ich es mit meinen Worten besser hätte schreiben können.

Alle fünf Jahre muss Bericht erstattet werden. Aber seit 1990, seit dem gilt diese Konvention, hat sich anscheinend kaum etwas geändert. Obwohl es doch eine Reihe von Organisationen und anderen Gruppen gibt, die sich für die Rechte der Kinder einsetzt.



Mudhakar und seine Eltern arbeiten in Indien in einem Steinbruch. Aus diesen Steinen werden Grabsteine gemacht, die u. a. in Deutschland preiswert verkauft werden.
Mudhakars Vater ist krank. Er hat den Husten, den jeder bekommt, der hier arbeitet. Seine Mutter hat vor zwei Wochen ein Baby bekommen. Trotzdem muss sie schon wieder arbeiten. Mudhakars Schwester ist nicht der einzige Säugling hier, deren Mutter im Steinbruch arbeitet. Der Besitzer lässt den Babys Heroin geben, damit sie nicht schreien.
Mit acht Jahren fing Mudhakar an, im Steinbruch zu arbeiten. Das ist nun fünf Jahre her. Damals wurde seine Mutter sterbenskrank. Für den Arzt und die Medikamente verschuldete sich die Familie.
Ungebildet, wie der Vater war, nahm er beim Steinbruchbesitzer einen Kredit auf, aus dem er nie wieder rauskommen würde. 20 Prozent Zinsen verlangte der Halsabschneider wöchentlich. Mudhakar sollte im Bruch arbeiten, doch wie sollte er das je abarbeiten.
So kam es, dass alsbald die ganze Familie hier schuften musste, auch Mudhakars Schwester und Bruder.
Es ist eine tödliche Arbeit. Alte Männer gibt es hier im Steinbruch nicht. Der Staub legt sich auf die Lungen und lässt sie sterben, wenn ihre Kinder noch jung sind.
Zwölf Stunden müssen sie täglich arbeiten. Es passiert schon mal, dass jemand fliehen will. Doch wer es nicht schafft, wird ausgepeitscht. Und wohin sollte Mudhakar schon. Er hatte doch nichts und die Familie konnte er nicht im Stich lassen. Der Vater würde nicht mehr lange durchhalten, dann müsste er sich um alle kümmern.


Dies ist nur ein Beispiel, wie gegen das Recht der Kinder verstoßen wird!
Ungefähr 370 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren arbeiten unter Bedingungen, die nicht gut für sie sind. 72 Millionen Kinder (zumeist Mädchen) erhalten keine Schulbildung. Circa 100 Millionen Kinder leben auf der Straße. Hunderttausende werden von Sextouristen oder im eigenen Heim sexuell missbraucht. 300.000 Kinder kämpfen als Kindersoldaten. Mancherorts werden sie nur auf einen Verdacht hin inhaftiert oder auf der Straße erschossen. Und in manchen Ländern wird sogar die Todesstrafe verhängt und vollstreckt.

Das sind Zahlen, die wir uns viel öfter bewusst machen sollten. Wir sollten öfter mal Informationen darüber einholen, wie einige Firmen ihre Produkte so billig verkaufen können und diese Firmen abstrafen, indem wir nicht bei ihnen kaufen.
Das wäre auch ein lohnenswertes Projekt für die Medien. Statt über Stars und Sternchen sollten sie viel öfter darüber berichten, wie das Recht der Kinder vielerorts mit Füßen getreten wird. Und vor allem, welche Firmen sich dadurch bereichern.

Außer mit zwei Einzelschicksalen ist das Buch gespickt mit Fakten und Argumenten, die es lohnt, sich anzuschauen.
Lesende Grüße, Anne

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